Hansjörg Schertenleib

Die Namenlosen

Roman
Cover: Die Namenlosen
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2000
ISBN 9783462028935
Gebunden, 320 Seiten, 20,40 EUR

Klappentext

Die 40jährige Christa Notter versteckt sich in einem Cottage im Nordwesten Irlands und schreibt an ihre Tochter, die sie als 16-jährige zur Welt gebracht hat und die ihr sofort weggenommen worden ist. Sie schreibt um ihr Leben, denn sie hat die Sekte verraten, deren Mitglied sie war. Und nun wird sie gejagt. Fisnish, der charismatische Kopf der Sekte, wird sie töten. Es sei denn, Erich, ihr Geliebter, findet sie zuerst ...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.06.2000

Michael Bauer erzählt in seiner Besprechung ausführlich diese von einem Schweizer - der seit geraumer Zeit in Irland lebt - geschriebene Geschichte einer irischen Tragödie nach. Dass, wenn es irisch zugehen soll, der Klischee-Beelzebub die Katholische Kirche ist, scheint Bauer nicht weiter zu irritieren. Jedem Eingeweihten in den neo-irischen Literaturmarkt ist natürlich sofort plausibel, dass einer, der aus enttäuschter Liebe zur Mutterkirche selbst zum Sektenführer wird, zwangsläufig die anderen Enttäuschten anzieht. Mit deren unterworfenen Seelen wird er die Rache an Kirche und Papst ins Werk setzen. Aber dann kommt, na was wohl: die Liebe! dazwischen und die zur Papstmörderin designierte Protagonistin entzieht sich ihrem Auftrag, woraufhin sie "liquidiert" wird. Auf drei Ebenen - Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und erzählerische Einschübe durch den neuen Geliebten, der die Frau nicht mehr retten kann - wird die Geschichte erzählt, und zwar "sehr szenisch", so Bauer, und mit "bewusst holzschnitthafter Psychologie". Der etwas reißerische Untertitel der Besprechung, der "einen fesselnden Thriller zum Heiligen Jahr" verspricht, scheint angemessener als das Urteil des Rezensenten. Der nennt es ein "geheimnisvolles Buch zu Liebe und Gewalt", was klingt wie ein hausgemachtes Zitat für die nächste Werberunde.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.04.2000

Sabine Doering beschreibt kurz und präzise ein paar der interessantesten Morde in diesem Buch (ein Kanarienvogel wird in der Hand zerdrückt!). Sie hält es auch für ein "hübsches Detail", dass der Verlag das blutige Symbol der Priestermörder auf den Buchdeckel geprägt hat. Doch hier endet ihre Toleranzgrenze: Die Geschichte über eine Sekte, die sich darauf spezialisiert hat, katholische Priester abzuschlachten, ist ihr zu blutrünstig, die Figuren seien "unanschaulich" gezeichnet und die sprachliche Sorgfalt lasse zu wünschen übrig. Besonders missbilligt sie, daß sich der Autor auf den "Nervenkitzel" beschränkt, den seine "pralle" Beschreibung der Bluttaten hervorrufe statt ein paar glaubwürdige Motive anzubieten. Hätte Doering nicht so glaubhaft ihre Abscheu vor Gewalt bekundet, wäre man fast versucht, diese Rezension eine kleine Hinrichtung zu nenne.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.02.2000

Ein äußerst fairer Verriss. Fast könnte man glauben, Martin Krumbholz habe sich mit dieser Rezension mehr Mühe gegeben, als der Autor mit seinem Roman, so dezidiert listet er die Schwachstellen auf: Die Eindeutigkeit der Figuren - hier die arme Verführte, dort der bigotte Pfarrer - langweile schnell. Es liege ein "schwülstiger Ton" über dieser Lebensbeichte einer enttäuschten Christin, die sich nach der Verführung durch einen Priester einer Terrororganisation anschließt. Auch scheint Schertenleib die Faszination seiner Heldin für den gewalttätigen, gleichwohl charismatischen Anführer der Terrortruppe zu teilen. Hier fehlt Krumbholz die "irritierende Doppeldeutigkeit", die solche Faszination erst genießbar macht. Da hilft auch handwerkliches Können nichts: "Der Roman stürzt ab in ein triviales Racheszenario, aus dem es ästhetisch kein Entrinnen mehr gibt".