Friedemann Bedürftig

Die Leiden des jungen Wehner

Dokumentiert in einer Brieffreundschaft in bewegter Zeit 1924-26
Cover: Die Leiden des jungen Wehner
Parthas Verlag, Berlin 2005
ISBN 9783866010598
Gebunden, 160 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Vor einiger Zeit wurde Friedemann Bedürftig durch Hörensagen bekannt, dass bei einer Familie im Raum Hamburg ein kleines Päckchen von Briefen Herbert Wehners lagert. Nach Einsicht entpuppte sich der Faszikel als eine Korrespondenz des 18- bis 20jährigen Anarchisten Herbert Wehner aus Dresden mit einem offenbar gleich gesinnten Hamburger im Zeitraum Frühjahr 1924 bis Mai 1926. Vorhanden ist eine ununterbrochene Brieffolge von elf Briefen Wehners und einem Brief seines Freundes. Wehner geht in seinen Briefen auch auf sehr persönliche Dinge ein. Dabei handelt es sich vor allem um Nöte, Sorgen, Suche, genauer: um Wehners Leiden an beruflicher Ausbeutung, Problemen mit den Eltern, Scheu vor Mädchen, quälender Einsamkeit, Natursehnsucht, politischer Lethargie - möglicherweise eines der Motive für seinen späteren Übergang zu den Kommunisten. In Wehners Äußerungen zeigen sich die typischen Symptome einer Umbruchphase. Der junge Autodidakt ist noch ganz Revolutionär und doch schon klar in seiner pragmatischen Lagebeurteilung. Es zeigt sich aber auch eine überraschend weiche Seite bei ihm, wie sie sonst nirgends derart deutlich durchscheint. Friedemann Bedürftig hat die Briefe transkribiert, die im Buch auch als Faksimile wiedergegeben werden und einen Abriss über jene Dresdener Jahre verfasst.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.07.2006

Überaus instruktiv findet Rezensent Alfred Cattani die vorliegenden Briefe Herbert Wehners aus den Jahren 1924 bis 1926, die Friedemann Bedürftig herausgegeben hat. Die Briefe vermitteln nach Cattanis Ansicht einen prägnanten Eindruck vom Denken des knapp 20-jährigen Wehner, der damals seine revolutionäre Phase durchlebte. Doch trotz seiner revolutionären Ambitionen schien der spätere SPD-Fraktionsvorsitzende einen kühlen Kopf zu bewahren. Cattani jedenfalls bescheinigt dem jungen Wehner eine recht sachliche und nüchterne Einschätzung der Situation der Weimarer Republik.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.07.2006

Wenn man die Politik des "Zuchtmeisters" Herbert Wehner besser nachvollziehen möchte, solle man sich ein Bild vom "jungen Wehner" machen, meint Arnd Festerling. Einen Beitrag dazu leisten könnten einige Briefe aus dem Nachlass des bedeutenden SPD-Politikers des letzten Jahrhunderts, die der Herausgeber Friedemann Bedürftig gewohnt ordentlich und mustergültig zu einem Buch zusammengetragen hat. Das Buch biete nicht nur eine Einordnung der Briefe durch Wehner-Biograf Hartmut Soll, sondern darüber hinaus eine hervorragende Einführung in ihre Entstehungszeit, die zwanziger Jahre. Man erfahre zwar nichts aufregend Neues, räumt Festerling ein, dennoch würde in diesen seltenen persönlichen Briefen die Einsamkeit Wehners deutlich werden, die daraus resultierte, dass er sich von seiner Umwelt nicht verstanden und sich ihr überlegen fühlte. In dieser Zeit könnte der "Zuchtmeister" entstanden sein, spekuliert Festerling.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.07.2006

Schwer angetan ist Jochen Staadt von dieser Ausgabe des Briefwechsels des jungen Herbert Wehner und Max Baumann 1924 bis 1926, die zum hundertstem Geburtstag des sozialdemokratischen Politikers erschienen ist. Er würdigt den Band als "bibliophile Kostbarkeit" und lobt besonders den Herausgeber Friedemann Bedürftig für seinen hervorragenden, reichbebilderten Kommentar. Wehners Briefe dokumentieren für Staadt einen "unbändigen Willen zur individuellen Freiheit". Er wertet sie als "psychologisch vielsagende Schlüsseldokumente", die auch den späteren Werdegang des einstigen Anarchisten und Kommunisten verständlich machen. Überhaupt bescheinigt er dem Band, den Nachgeborenen die "Kraftquellen" der 1933 untergegangenen deutschen Arbeiterbewegung anschaulich zu vermitteln. Daher kann er das Werk nur empfehlen - und zwar nicht nur den eingefleischten Wehner-Jüngern.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.02.2006

Überaus reizvoll" fand Volker Ullrich die Lektüre der Briefe des jungen Herbert Wehner an einen Hamburger Freund, Max Baumann. Entstanden sind diese in Sütterlin abgefassten Schreiben - auch eine Postkarte ist darunter - zwischen 1924 und 1926. Sie werden in "Die Leiden des jungen Wehner" als Faksimiles reproduziert; diesen hat der Herausgeber, der Publizist Friedemann Bedürftig, eine Transkription an die Seite gestellt, um die Lesbarkeit zu gewährleisten. Hartmut Soell hat ein "interpretierendes Nachwort" verfasst. Noch befindet Wehner sich zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Briefe im "Prozess der Selbstfindung": Von den Kommunisten ist er innerlich ebenso entfernt wegen ihres Dogmatismus wie vom "Dreck dieser verdammten bürgerlichen Welt"; er ist ein Anarchist, der im Sozialismus "eine Angelegenheit des Gefühls" sieht, Lehrling eher von Max Stirner und Michail Bakunin denn von Karl Marx. Schwer beeindruckt zeigt er sich von Erich Mühsam, dessen Sekretär er später wurde - doch das war schon nach der Zeit des Briefwechsels. Noch galt es, sein Auskommen in einer Maschinenfabrik zu finden (als Kaufmannslehrling): "Ich bin ein Sklave", schrieb er. Auch Erotisches wird am Rande notiert, aber flüchtig, schablonenhaft: " ... ein Mädchen, das mir manchmal sanft über die Haare strich ..." Enttäuscht ist Wehner vor allem von der unpolitischen Gesinnung des Proletariats. Dem mit Macht die Augen zu öffnen, sah er als seine Hauptaufgabe an.