Merlin Holland

Oscar Wilde im Kreuzverhör

Die erste vollständige Niederschrift des Queensberry-Prozesses
Cover: Oscar Wilde im Kreuzverhör
Karl Blessing Verlag, München 2003
ISBN 9783896672407
Gebunden, 461 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Henning Thies. Am 18. Februar 1895 hinterließ der Marquis von Queensberry, der Vater von Lord Douglas, in Wildes Club eine Karte "Für Oscar Wilde, den posierenden Homosexuellen". Gegen den Rat seiner Freunde entschloss sich Wilde, den Marquis wegen Verleumdung zu verklagen - und setzte damit einen Prozess in Gang, der wie eine Komödie begann und sich vor den Augen einer fassungslosen Öffentlichkeit unaufhaltsam in eine Tragödie verwandelte. Wilde befand sich im Zenit seines Ruhms, als er so sein Schicksal herausforderte und damit den größten Skandal seiner Zeit auslöste. Entsprechend tief war sein Fall - er verlor und wurde anschließend zu zwei Jahren Zuchthaus und Zwangsarbeit verurteilt. Aus der Niederschrift dieser dreitägigen Gerichtsverhandlung ist ein Buch entstanden, das über die reine Dokumentation weit hinausgeht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.12.2003

Ein "beklemmendes, bei einigen Kürzungen übrigens durchaus bühnentaugliches Gerichtsdrama" erblickt Gustav Seibt in dieser Niederschrift des Queensberry-Prozesses, die Oscar Wildes Enkel Merlin Holland ediert und "nachdenklich" kommentiert hat. Wie Seibt berichtet, geht es um das Beleidigungsverfahren, das Wilde gegen den Marquis of Queensberry anstrengt hatte, und das zum Auftakt von zwei Kriminalprozessen wurde, die Wilde nicht nur eine zweijährige Haft mit Zwangsarbeit, sondern auch die Zerstörung seines Rufes, seiner Gesundheit und seinen frühen Tod eintrugen. Queensberry hatte Wilde, den er als Verderber seines verkommenen Sohnes Bosie erachtete, als "posierenden Sodomiten" bezeichnet - eine Beleidigung, die Wilde nicht auf sich sitzen lassen wollte. Ausführlich schildert Seibt den Prozess, in dessen Verlauf Edward Carson, der Anwalt der Gegenpartei, Wilde im Kreuzverhör systematisch auseinander nahm, um schließlich erdrückende Beweise für Wildes Homosexualität zu liefern. Wildes Versuch, auf eine elitäre Kunstautonomie als Verteidigungsstrategie zu setzen, ging nicht auf, er verlor das Verfahren. "Warum ein so erlesener Geist so viel Gefallen an ungebildeten rohen jungen Männern finden konnte", schließt Seibt, "diese ätzende Frage Carsons war nicht mehr zu klären."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.11.2003

Burkhard Müller-Ulrich ist froh, dass Oscar Wildes Enkel Merlin Holland sich einer literaturhistorisch so bedeutenden Lücke angenommen und die Protokolle des Queensberry Prozesses nun erstmals vollständig veröffentlicht hat. Wildes Verleumdungsklage gegen Lord Queensberry, der ihn mehr oder weniger öffentlich der Sodomie bezichtigt hatte, stellte sich als Rohrkrepierer heraus. Wie ein sich seiner Schlagfertigkeit anfangs allzu sicherer Wilde quasi selbst auf die Anklagebank redete, ist ein Dokument von "eigentümlichem Reiz", bekundet der Rezensent. "Widerlich und brillant zugleich, beängstigend und mitleiderregend, voller Lügen und Wahrheiten." Gern hätte Müller-Ulrich mehr von dem Ton erfahren, in dem Wilde und der Ankläger Carson sich beharkten, gern hätte er mehr vom "Tempo dieser Schlagabtäusche" gewusst. Das vermittle der Text leider nur stellenweise. Auch der Wunsch des Rezensenten, mehr über die Mienen, Gesten und Reaktionen der übrigen Anwesenden zu erfahren, bleibt unerfüllt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.10.2003

Susanne Mayer ist ganz schwindlig geworden bei der Lektüre der Gerichtsprotokolle, die dokumentieren, wie Oscar Wilde, "ein unvergleichlicher Beau von großem Geist und Herz", im April 1895 von Kläger zum Angeklagten gemacht wurde - "vor den Augen der Öffentlichkeit, aber auch vor sich selbst". Sie wünschte, es wäre alles erst gar nicht passiert: die Visitenkarte mit der Anschuldigung der Homosexualität durch den Marquis von Queensberry, eigentlich die ganze unheilvolle Beziehung zu dem jungen Lord Alfred Douglas - Wilde wäre nicht vor Gericht gezogen, er wäre nicht selber im Gefängnis gelandet und hätte wahrscheinlich länger gelebt. Doch es kam so, und im Kreuzverhör, dem Urteil der "Philister" ausgeliefert, konnte Wilde nur verlieren, konstatiert Mayer; "seine Vision von Schönheit und Kunst als letztem Zweck seines Lebens - und der Anbetung derselben in Gestalt junger Männer" konnte vor Gericht keinen Bestand haben. Denn: "Wie verteidigt man Schönheit gegenüber Menschen, die sie nicht sehen?"

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.10.2003

Holger Gumprecht stellt das beträchtliche Verdienst von Merlin Holland, dem Enkel Oscar Wildes, heraus. Doch ist er nach der Lektüre der "vollständigen Niederschrift" dessen, was im berühmten Verleumdungsprozess zwischen Wilde und seinen Gegnern gesagt wurde, nicht der Ansicht, dass die Biografie des berühmtesten aller Dandys neu geschrieben werden muss. Der Wert der Veröffentlichung liege vielmehr in der Ergänzung des bereits Bekannten durch exaktes Quellenmaterial und in der Möglichkeit, "eine wenn auch begrenzte Vorstellung zu bekommen, wie der 'Lord of Language' tatsächlich gesprochen hat". Wilde hatte Anklage erhoben gegen den Marquis von Queensberry, der ihn der Homosexualität beschuldigt hatte, und landete, trotz seiner geistreichen Bemerkungen vor Gericht, am Ende im Gefängnis - er hatte sich allzu sicher gefühlt. Das Material wird von Holland mit "absoluter Genauigkeit" präsentiert und "exzellent" kommentiert, lobt Gumprecht - auch Nicht-Experten könnten jede Anspielung nachvollziehen.

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