Tony Judt

Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart

Cover: Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart
Carl Hanser Verlag, München 2006
ISBN 9783446207776
Gebunden, 1024 Seiten, 39,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork und Hainer Kober. Die erste umfassende Geschichte des modernen Europa. In den vergangenen 60 Jahren hat sich der so genannte alte Kontinent komplett verändert. Dem Weltkrieg folgte der Kalte Krieg, die Revolutionen seit 1989 setzten fast überall die Demokratie durch und schufen die Voraussetzung dafür, dass sich immer mehr europäische Nationen der EU anschließen konnten. Tony Judt arbeitet die großen Linien der Politik, der Gesellschaft, der Kultur und des Alltags in Europa heraus. Und je weiter man sich in die Lektüre dieser großartigen Erzählung vertieft, desto klarer setzt sich eine Erkenntnis durch: dass die Zeiten, da uns unsere nationale Geschichte genügen konnte, endgültig vorbei sind.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2006

Eindrucksvoll findet Andreas Rödder diese europäische Nachkriegsgeschichte von Tony Judt. Er lobt den "unorthodoxen" Blick des Historikers, seine intelligenten Einsichten und die prägnante Darstellung. Besonders hebt er den umfassenden Zugriff dieses Werks hervor, die eben nicht nur den Westen Europas, sondern den gesamten Kontinent ins Blickfeld rückt. Dabei glänzt das Werk für ihn durch seinen Reichtum an Perspektiven und Themen. Auch die Distanz des Autors zu Großtheorien und großen Erzählungen vermerkt der Rezensent positiv. Ausführlich geht er auf einzelne Punkte des Werks ein. Die zentrale These des Autors, dass der lange Schatten des Zweiten Weltkriegs auf dem ganzen Nachkriegseuropa lag, scheint ihm überaus bedenkenswert. Er moniert die fehlenden Quellen- und Zitatnachweise, das in der deutschen Ausgabe recht dürre Register sowie einige fehlerhaften Übersetzungen. Insgesamt aber sieht er in dem Werk eine "große Gelehrtenleistung" und einen "wichtigen Beitrag zur Geschichte Europas".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.10.2006

Rezensentin Ute Frevert hat eine elegant und packend geschriebene Geschichtsdarstellung gelesen, allerdings vermisst sie eine These, die die an sich beeindruckende Materialsammlung zusammenhalte. Besonders verdienstvoll sei,dass auch Osteuropa einbezogen sei, weniger löblich, dass Themen wie Religion, Geschlechterverhältnis, Kunst oder Sport ihrer Meinung nach zu kurz abgehandelt werden. Auch zahle der Autor mit vielen sachlichen Fehlern einen Preis dafür, dass er sich kühn auch außerhalb seiner angestammten Forschungsgebiete Großbritannien und Frankreich begeben habe. Eine Art Thesenersatz stellt aus Sicht der Rezensentin zwar der englische Titel "Postwar" dar, doch würden die entsprechenden Metaphern wie "Kriegsschatten" weder durchgängig verwendet, noch taugten sie als inhaltliche Verankerungen. Oft wirkten sie einfach "bemüht" und würden zu unausgegorenen Spekulationen verleiten. Selbst als Handbuch, resümiert die Rezensentin, mache das inhaltsreiche Werk letztlich eine nicht so gute Figur. Ein wenig mehr der gerne belächelten deutschen Gründlichkeit in Sachen Fußnoten wäre durchaus angebracht gewesen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.09.2006

Als "meisterliche Synthese" würdigt Rezensent Claus Leggewie diese umfangreiche Geschichte des modernen Europa des britischen Historikers Tony Judt. Sie verdient seines Erachtens besonderen Beifall, gelingt es dem Autor doch, das Projekt der Europäisierung nach 1945 ins Bewusstsein zu rufen, eine wirklich paneuropäische Geschichte (und nicht die übliche Aneinanderreihung nationaler Monografien) zu schreiben und den Europäern Mut zu machen. Leggewie bescheinigt dem Autor methodischen Pragmatismus sowie Skepsis gegenüber großen Theorieentwürfen. Den Schwerpunkt des Werks sieht er in der Politikgeschichte, die immer wieder in eine Mentalitätsgeschichte europäischer Vielfalt übergehe. Außerordentlich angetan haben es ihm die Kapitel über die unmittelbare Nachkriegszeit, die Entkolonisierung, die Hochzeit des europäischen Wohlfahrtstaates und den Niedergang der Sowjetunion. Besonders lobt Leggewie schließlich die narrativen Qualitäten des Historikers, dessen mit Ironie und Sarkasmus garnierte sowie mit wohldosiert eingestreuten Anekdoten aufgelockerte Darstellung eine spannende Lektüre biete.