Eric Dunning, Norbert Elias

Sport und Spannung im Prozess der Zivilisation

Gesammelte Schriften, Band 7
Cover: Sport und Spannung im Prozess der Zivilisation
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783518583630
Gebunden, 504 Seiten, 34,90 EUR

Klappentext

Mit diesem Band liegt erstmals die Übersetzung von "Quest for Excitement" vor, aus der im Deutschen bisher nur wenige Kapitel veröffentlicht waren. In Zusammenarbeit mit dem Sportsoziologen Eric Dunning skizziert Elias hier die Geschichte der Bändigung der Angriffslust im Sport. Die Texte handeln vom griechischen Ringen, von der Fuchsjagd englischer Gentlemen, von mittelalterlichen Formen des Ballspiels bis zum heutigen Fußball mit seinen gelegentlichen Gewaltausbrüchen im Publikum. Eine Vielzahl detaillierter historischer Beschreibungen bildet die Grundlage, auf der die Autoren eine soziologische Theorie der Entwicklung von Sport und Spiel im Zusammenhang mit dem Zivilisationsprozeß entfalten. Warum verbringen die Menschen ihren Feierabend und das Wochende mit Sport? Welche Impulse sind an dieser Lust am Sport beteiligt? Welche seelischen Bedürfnisse und Neigungen bestimmen das spezifische Verhalten in der Sportgruppe und die dort ausgeübte körperliche Gewalt? Warum ist Sport männerdominiert?

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.09.2003

Norbert Elias' Aufsätze über den Sport, die nun zusammen mit Arbeiten seines Schülers Eric Dunning in deutscher Übersetzung vorliegen, haben Rezensent Michael Ott im Großen und Ganzen überzeugt. Wie Ott berichtet, kehren in den "weit ausgreifenden" Beiträgen einige Leitgedanken immer wieder, etwa, dass der Sport nur im Blick auf die Gesamtgesellschaft sinnvoll zu betrachten sei. Auch Elias' Modell der Zivilisationstheorie, wonach die soziale Entwicklung der Neuzeit eine Verinnerlichung sozialen Zwangs, der "Zivilisierung" archaischer Affekte und der Verfeinerung von Verhaltensstandards, darstellt, scheint laut Ott immer wieder durch. Insbesondere die historischen Analysen, etwa zur Entstehung des Fußballs und des Boxens in England, findet er "noch immer lesenswert". Einige der Texte - die frühesten stammen aus den 1960er Jahren - haben Ott zufolge allerdings ein wenig Patina angesetzt. Zudem geht es ihm bisweilen allzu theoretisch abstrakt zu. Als wirkliches Defizit wertet er, dass die Frage nach der Rolle der Medien im Sport, ihres Rückkopplungs- und Katalysatoreffekts nahezu unberücksichtigt bleibt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.06.2003

Obwohl er sich jeder explizit positiven Bewertung enthält, war die Lektüre dieser von Elias gemeinsam mit einem Schüler verfassten Arbeit für Jürgen Kaube offensichtlich recht anregend. Jedenfalls verbindet er die Nacherzählung des im Buch ausgebreiteten Materials und der dort entwickelten Thesen mit reichlich eigenen Überlegungen. Konfliktbereites "Wir-Gefühl" von Nationen und kleineren Kollektiven ist, erfahren wir so, der zentralen These des Buches zufolge in der modernen Gesellschaft nur im Sport noch zu haben. Diesseits des Krieges stehen sich "Wir" und "Sie" also nur hier noch empirisch fassbar gegenüber, fasst Kaube zusammen. Freilich werde auch der Sport, das gehört ebenfalls zur These des Buches, immer stärker reglementiert. Nehme man beides zusammen, so sei der Sport heute also, erklärt Kaube, "zivilisierte Erregung". Die zentrale These, wonach der moderne Sport in einer spezifisch komplementären Weise kompensatorisch auf die moderne Unterdrückung körperlicher Exzesse bezogen sei, wirkte allerdings auf den Rezensenten auch "bisweilen durch Wiederholung ermüdend".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 31.05.2003

Als große soziale Erfindung" im Rahmen des Zivilisationsprozesses spielt der Sport im Werk von Norbert Elias eine wichtige Rolle. Davon zeugt seine 1986 zusammen mit seinem Mitarbeiter Eric Dunning publizierte Sammlung von Aufsätzen zum Sport, die nun erstmals auf deutsch in der Elias-Werkausgabe erscheint, berichtet Rezensentin Hannelore Schlaffer. Wie sie ausführt, erläutert Elias in der Einführung noch einmal seine Theorie des Zivilisationsprozesses als eines Prozesses wachsender Affektkontrolle. Die Ursprünge des heutigen Sports verortet Elias nach Darstellung der Rezensentin im England des 18. Jahrhunderts, wo er im Parlamentarismus eine entscheidende Voraussetzung hatte. Als einen zentralen Gedanken von Elias beschreibt sie die enge Verbindung der Entwicklung des Sports mit der zunehmenden Einschränkung der Gewalt, was Elias am Beispiel des Boxsports zeige. Kritisch vermerkt Schlaffer Elias' und Dunning' rundum positive Sicht des Phänomens Sport: auf die Ökonomisierung des Sports mit ihren negativen Auswüchsen oder die zunehmende Vereinsamung, die dem Sportler etwa beim Fitnesstraining widerfahre, gehen Elias und Dunning zum Bedauern der Rezensentin nicht ein.

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