Clemens Meyer

Als wir träumten

Roman
Cover: Als wir träumten
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783100486004
Gebunden, 524 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Sie träumen vom Aufstieg ihrer Fußballmannschaft, von einer richtigen Liebe und davon, dass irgendwo ein besseres Leben wartet. Rico, Mark, Paul und Daniel wachsen auf im Leipzig der Nachwendejahre, in einem Viertel, dessen Mittelpunkt die Brauerei ist. Jede Nacht ziehen sie durch die Straßen. Sie feiern, sie randalieren, sie fliehen vor den Glatzen, ihren Eltern und der Zukunft. Sie kämpfen mit Fäusten um Anerkennung und schlagen die Zeit tot. Sie saufen, sie klauen, sind cool und fertig und träumen vom eigenen Leben. Alle ihre Fluchtversuche enden auf den Fluren des Polizeireviers Südost.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.09.2006

Recht unausgegoren scheint Rezensentin Dorothea Dieckmann dieser Roman über eine Jugend im Leipzig der Nachwendezeit, den Clemens Meyer vorgelegt hat. Dabei bestreitet sie keineswegs, dass der junge Autor schreiben kann. Sie hält ihm nur vor, nicht gelernt zu haben, Unnötiges wegzulassen. Die 518 Seiten des Romans sind für sie mindestens 300 zuviel. Der im jugendlichen Kleinkriminellenmilieu zwischen Schule und Strasse, illegaler Disco und Swingerclub, Knast und Kneipe angesiedelte Roman liest sich für Dieckmann wie eine locker verbundene Sammlung von Kurzgeschichten. Eine große erzählerische Gesamtkomposition kann sie beim besten Willen nicht erkennen. Dennoch gibt es auch Lob: die Kapitel über den ehemaligen Stasi-Werklehrer oder den Außenseiter mit der Hasenscharte etwa bestechen nach Ansicht Dieckmanns durch "intensive szenische Porträts". Geradezu "atemberaubend" findet sie schließlich das Kapitel "In der Silberhöhe", in dem betrunkene Stammtischler dem kleinen Daniel die Festnahme seines Vaters kundtun.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.03.2006

Als wirksames Mittel gegen "verklemmte Realismusdebatten" empfiehlt Kolja Mensing Clemens Meyers Debüt "Als wir träumten". Der Roman sei zwar durchaus dazu angetan, eine "3-Tage Depression" hervorzurufen. Das liegt allerdings nicht an einem etwaigen erzählerischen Unvermögen Meyers, sondern schlicht an der packenden Geschichte, die aus dem trostlosen und gleichwohl ereignisreichen Alltag einer Jugendclique im Leipziger Osten der Nachwendezeit schöpft. "Soviel beschädigtes Leben war lange nicht mehr in der deutschen Gegenwartsliteratur", meint der Rezensent. Erfreulich sei, dass Meyer gänzlich auf verständnisheischende Gesten und pädagogische Fingerzeige verzichtet. Vielmehr entwirft Meyer das Panorama eines Alltags, der zwar aus den Fugen geraten ist und sich allzu oft zwischen Dosenbier, Autoklau und Arrestzellen abspielt, der aber dennoch manchmal "so golden leuchten kann wie der Apfelkorn", den die Jungs trinken. Und angesichts der erzählerischen und sprachlichen Präzision, so Mensing, lasse sich auch der gewaltige Umfang von mehr als 500 Seiten verschmerzen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.03.2006

Ina Hartwig kann den Debütroman von Clemens Meyer gar nicht genug loben: Ein "großartiges Buch" habe dieser geschrieben, ein Werk von "dunklem Zauber", das thematisch an Jean Genets "Wunder der Rosen" und sprachlich an J. D. Salinger erinnert. Meyer erzählt in seinem Roman die Geschichte einer Jungenclique in der Zeit nach der Wende. Die Jungs wachsen in Leipzig auf, verbrennen das eine oder andere rote Pioniertuch und sind zunächst vollauf begeistert von den neuen Freiheiten. Schnell aber kommt der Absturz in die Hölle aus Knast, Drogen und Gewalt. Eine Wende, die man von Anfang an ahnt und gespannt erwartet, meint die Rezensentin. "Ausladend und schnell, brutal und sehnsüchtig" findet sie die Geschichte; die erzählerische Kunstfertigkeit Meyers, der seinen Roman nicht einfach nur "abschnurrt", sondern "elegant" durch die Chronologie springt, schreibt sie dessen bewegtem Leben auf der "Unterseite der Gesellschaft" zu. Sein Vokabular sei deshalb entsprechend brutal, aber gut gewählt. Die Rezensentin ist überzeugt, dass das nicht das letzte Buch Meyers gewesen sein kann. Denn sein Debütwerk ist einfach eine "Sensation".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.03.2006

Hier habe man es mit einem Debütroman des 1977 in Halle geborenen Autors zu tun, der packend und frei von Posen mit einem "unverstellten Blick auf menschliche Befindlichkeiten" zu erzählen weiß, so Eberhard Falcke. Und schiebt gleich hinterher, die in den späten Achtzigern verortete Geschichte einer Clique aus der Leipziger Vorstadt vorschnell mit dem Etikett "Wenderoman" zu belegen, sei fraglich. Einerseits erwecken die kriminellen Beschäftigungen der Jugendlichen keine Sympathien, andererseits sei es der Ton des Autors, der abseits vom lockeren Zeitgeist eine existenzielle Stimmung zu erzeuge. Das Gleichmaß des "kleinen, gemeinen Lebenskampfes" sei hier "größer und ewiger dargestellt, als alle historischen Umbrüche". Es gelinge dem Autor die Momente zwischen Aufbruch und Resignation, zwischen DDR-Kindheit und BRD-Jugend, festzuhalten, die sich in den Außenseiter Lebensläufen in einer Art "Zwischenwelt" in Boxringen, Strip-Bars oder in der Jugendhaftanstalt manifestieren. "Geschlagene Helden als Menschen und Zeitfiguren" wie Falke resümiert und dem Autor einen "großartigen Talentbeweis" bescheinigt.