Avishai Margalit

Über Kompromisse und faule Kompromisse

Cover: Über Kompromisse und faule Kompromisse
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783518585641
Gebunden, 251 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Der Kompromiss ist unverzichtbares Mittel der Politik und an sich eine schöne und verdienstvolle Sache, zumal wenn es um Krieg und Frieden geht. Allerdings gibt es auch für Kompromisse moralische Grenzen. Werden diese verletzt, wird der Kompromiss selbst kompromittiert; er ist faul, er "stinkt" und kontaminiert den Frieden, den er vielleicht gestiftet hat. Das jedenfalls behauptet der renommierte israelische Philosoph Avishai Margalit in seinem neuen Buch. Aber welche Grenzen sind das? An welchem Punkt wird aus einem Kompromißfrieden ein ungerechter Friede? Was ist überhaupt ein gerechter Friede? Anders als der Begriff des gerechten Krieges hat die Frage nach dem gerechten Frieden bislang kaum Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Und auch dem Kompromiss als Kategorie politischen Denkens und Handelns wurde bislang wenig theoretische Beachtung geschenkt. Anhand zahlreicher historischer Beispiele allen voran das Münchener Abkommen, die Konferenz von Jalta und die israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen durchmißt Margalit das begriffliche Feld des politischen Kompromisses in all seinen Facetten und erschüttert bisweilen die Gewissheit, dass Frieden per se die richtige Lösung ist, gleichgültig, um welchen Preis er erkauft wurde.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.06.2011

Avishai Margalit hat sich zur Freude Robin Celikates' in die Niederungen der "nicht-idealen Politischen Philosophie" begeben und eine beeindruckende Apologie des Kompromisses vorgelegt. Darin zeigt der israelische Philosoph, dass der Kompromiss nicht per se abzulehnen ist, dass er vielmehr zur Politik dazugehört. Dafür warnt er energisch vor "faulen Kompromissen", was den Stellenwert eines "kategorischen Imperativs" erhält, wie der Rezensent feststellt. Er hat ganz offensichtlich seine Freude an der Mischung aus der differenzierten, anekdotenprallen und historisch fundierten Argumentationsweise. Und der Festlegung des Autors, dass mit Regimes, bei denen "systematische Erniedrigung" praktiziert wird, wie zum Beispiel Nazideutschland, grundsätzlich keine Kompromisse geschlossen werden können, stimmt er implizit zu. Celikates sieht zwar durchaus noch Fragen offen und an einigen Stellen hätte er sich eine größere Begriffsschärfe gewünscht. Trotzdem findet er das Buch "wichtig", nicht zuletzt, weil es ein Exempel für Politische Philosophie darstellt, die bei allem "normativen Anspruch" nah an der Realität bleibt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.06.2011

Der israelische Philosoph Avishai Margalit hat den Rezensenten Tim Caspar Boehme mit seinen Überlegungen zum politischen Kompromiss nicht wirklich gefesselt. Wen überraschend findet es Boehme, dass Margalit das Münchner Abkommen als Paradebeispiel für einen faulen Kompromiss anführt, erstaunlicher da schon, wie er Jalta als einen notwendigen Kompromiss erklärt, wo immerhin Osteuropa Stalins Einflussbereich zugeschlagen wurde, um ihn in der Allianz gegen Hitler zu halten. Im Wesentlichen nimmt Boehme zwei Grundgedanken aus dem Buch mit: Man sollte Menschen nicht nach ihren Idealen, sondern nach ihren Kompromissen beurteilen. Die Fähigkeit zum Kompromiss siedelt zwischen zwei Extremen Polen: zwischen einem ökonomischen Politikverständnis, dem alles verhandelbar ist, und einem religiösen, das die heiligen und unantastbaren Werte ins Zentrum rückt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.04.2011

Wir haben es hier also mit einer Theorie des Kompromisses zu tun, die trotz komplizierter Erwägungen des rezensierenden Politologen Thomas Meyer darauf hinauszulaufen scheint, dass man mit dem "radikal Bösen" eben keine Mittelwege suchen soll. Das Beispiel hierfür ist bei Margalit das "Münchner Abkommen". Aber überall dort, wo das Böse nicht radikal ist - also womöglich auch im Nahost-Konflikt - soll man den Kompromiss mit nie ermüdender Geduld und über Generationen hinweg suchen. Meyer wünschte sich, das Buch hätte schon vor dem 11. September 2001 vorgelegen. Mit wem genau dann ein Kompromiss hätte gesucht werden können, sagt er aber nicht.