Robert N. Proctor

Blitzkrieg gegen den Krebs

Gesundheit und Propaganda im Dritten Reich
Cover: Blitzkrieg gegen den Krebs
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2002
ISBN 9783608910315
Gebunden, 440 Seiten, 25,50 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Alexandra Böhm. Robert N. Proctor machte die brisante Entdeckung, dass Deutschland unter der Naziherrschaft in einem Punkt anderen Ländern um Jahrzehnte voraus war: Gesundheitsreformen wurden vorangetrieben, die wir heute als fortschrittlich und sozial verantwortungsvoll betrachten: Proctor hatte Dokumente entdeckt, wonach die Nationalsozialisten die aggressivste Anti-Raucher-Kampagne in der modernen Geschichte führten. Weitere Forschungen ergaben, dass die Regierung des Dritten Reiches eine breite Palette von Maßnahmen zur Volksgesundheit beschloss, darunter gegen Asbest- und Strahlenbelastung, Pestizide und Lebensmittelfarben. Proctor behandelt alle kontroversen Fragen, die solch Entdeckungen aufwerfen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.08.2002

Robert Proctor, Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Pennsylvania State University in Philadelphia, hat "eine lesenswerte Studie" über die Medizin in der Zeit des Nationalsozialismus geschrieben, lobt Udo Benzenhöfer. Denn in dieser Studie zeige der "Experte im Bereich NS-Medizin" Details der NS-Gesundheitspolitik auf, die Historiker und Laien "verstören" werden. Neben aller Vernichtungspraktiken hatten die Nazis nämlich, berichtet der Rezensent, auch "progressive" und "sozial verantwortliche" gesundheitspolitische Ziele verfolgt. So schränkten sie den Gebrauch von Asbest ein, erließen Rauchverbote, verbaten krebsauslösende Pestizide und Lebensmittelfarben und hielten Bäckereien dazu an, Vollkornbrot zu backen, staunt der Rezensent. Und es waren deutsche Ärzte, die erstmals den Zusammenhang zwischen dem Rauchen und Lungenkrebs herausstellten, worauf ab 1939 Präventivkampagnen gestartet wurden. Der Autor huldigt nicht der NS-Medizin, betont Benzenhöfer, sondern zeichnet ein differenziertes Bild über diese Ärzteschaft, das sicher noch "ergänzt und vertieft" werden müsse, doch in jedem Fall in "methodischer Hinsicht" "einen Meilenstein" für die weitere Erforschung dieses Kapitels in der Medizingeschichte gewährleistet, lobt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.04.2002

Dass die Nationalsozialisten neben ihrer menschenverachtenden, kriminellen und grausamen medizinischen Forschung an ihren Opfern auch sinnvolle Studien etwa zu den Gefahren des Rauchens und Trinkens, von Asbest und Röntgenstrahlen erstellt haben, ist für Wissenschaftler wie Laien schwer zu akzeptieren, berichtet Ulrike Baureithel. Von dem Wissenschaftshistoriker Robert N. Proctor liegt nun eine Studie im Deutschen vor, die 1999 zuerst in den USA veröffentlicht wurde und dort in der "Scientific Community", so die Rezensentin, einige "Irritationen" ausgelöst hatte. Das wird, vermutet Baureithel, hierzulande nicht anders sein. Dabei ist das Buch, abgesehen von dem "etwas plakativen Titel" und mancher Redundanz durchaus sehr lesenswert, meint die Rezensentin. "Überzeugend" lege der Autor dar, dass die NS-Forschung durchaus auch innovative Seiten hatte, sogar erstmals den Gedanken der Prävention deutlich hervorhob, wenngleich nur für den eigenen "Volkskörper". Inwieweit aber die NS-Ideologie einer individuellen "Entkörperlichung" den Gedanken einer verinnerlichten Vorsorge unterlief, diesen "leib-historischen Zusammenhang" habe auch Proctor trotz zahlreicher und reflektierter Überlegungen ausgespart, bedauert Baureithel.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.03.2002

Ein überaus interessantes Sachbuch bespricht Robert Jütte. Das Thema: die Gesundheitspolitik der Nazis. Der kanadische Wissenschaftshistoriker Proctor sei für dieses Thema hervorragend qualifiziert, so der Rezensent, da er sich nicht nur auf das beschränkt, was allgemein zu diesem Thema bekannt ist: Menschenversuche. Stattdessen zeichne er ein sehr differenziertes Bild, bei dem er ständig um Objektivität bemüht sei, ohne dabei bemüht zu wirken. Ohne das Bild alles Negativen und Grauenhaften, das man von den Nazis hat, verzerren zu wollen, zeige der Autor, dass sie trotz alledem Hervorragendes auf dem Gebiet der Krebsforschung und -prävention geleistet hätten. So habe es Krebsberatungsstellen, Kontrollen der Nahrungsmittel zur Krebsprävention, Vorkehrungen am Arbeitsplatz, Krebsregister und einiges mehr gegeben. Somit sei Proctor ein interessantes und fundiertes Buch gelungen, das eine immer noch unbeachtete Seite im Rahmen der Forschung zum Dritten Reich hervorragend darstelle.
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