Rolf Vollmann

Frauenkatalog 1200, in zehn Bildern

Cover: Frauenkatalog 1200, in zehn Bildern
Die Andere Bibliothek, Berlin 2020
ISBN 9783847704232
Gebunden, 300 Seiten, 44,00 EUR

Klappentext

Mit einer Einleitung von Justin Vollmann. Ginover statt Artus, Jeschute statt Parzival: Wir lernen sie endlich kennen, die Frauen der mittelhochdeutschen Romane um 1200, nicht als bloßes Beiwerk, nicht als Nebenfiguren - die Frauen spielen die Hauptrolle und Rolf Vollmann stellt sie uns vor.  Vollmann führt uns ein in die Sagenwelten von Artus & Co., schleust sich selbst ein unter die Protagonistinnen, kommentiert das Geschehen - und macht uns das Mittelalter gegenwärtig: Denn auch dort wurde "gebruncht" - aber vor allem begehrt, geliebt und intrigiert. Parzival und Artus, Willehalm und Lancelot - diese Helden und Hauptfiguren der mittelalterlichen Sagen kennen fast alle. Um die Kenntnis der großen Frauen, die nicht einfach nur an deren Seite standen, ist es schlechter bestellt: Ginover (oder Guinevere) mag noch zusammen mit Artus und Lancelot genannt werden, doch Jeschute und Sigune aus Wolframs Parzival sind nur noch wenigen vertraut. An diesen mittelhochdeutschmodernen Geschlechterverhältnissen rüttelt Rolf Vollmann: Frauen sind die Zentren der berühmten Geschichten. Da gibt es die junge Lavinia, die sich brennend für Eneas interessiert, obwohl ihre Mutter sie deshalb lieber tot sähe; die Königin Ginover, mitsamt Ehemann Artus und Geliebtem Lancelot; die junge Seglerin Sigune, eine Frau aus der Gralssippe, die mit ihrem toten Geliebten in den Armen in einer Linde sitzt, eine Verwandte Parzivals; die schöne Enite, die bei Hartmann von Aue ihren Mann wieder auf Trab bringen muss, der faul geworden ist, kaum hat er sie geheiratet; die hübsche Jeschute, über die der ganz junge Parzival, nachdem er seine verwitwete Mutter Herzeloyde verlassen hat, geradezu in seiner Tölpelhaftigkeit stolpert, worauf ihr Mann die Unschuldige als Nackte durchs Land reiten lässt. Forsch, eigensinnig, manchmal unbarmherzig, immer schön - so stellt Vollmann uns das weibliche Personal des Mittelalterromans vor. Anders als Eschenbach, Hartmann von Aue und alle übrigen anonymen Autoren, die hauptsächlich an den männlichen Helden interessiert waren - späte Gerechtigkeit, die Vollmann vor uns ausbreitet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.07.2020

Richtig Mühe gegeben hat sich die hier rezensierende Literaturwissenschaftlerin Hannelore Schlaffer, dieses Buch ernst zu nehmen. Aber man spürt durch ihren ganzen Text hindurch eine gewisse Reserve gegenüber den "saloppen" Nacherzählungen der Geschichten von mittelalterlichen Helden, ihren Taten und ihren Frauen - die ansonsten aber, trotz des Titels, nicht vorkämen. Am Ende wird die Kritikerin deutlich und findet, der Duktus des lockeren Hinwerfens von Bildungsbrocken, ihres Biederernsts entkleidet, könnte zwar durchaus aufklärerisch verstanden werden - von den Nibelungen über Wildwest bis heute: alles Männerfantasien des Kampfes. Aber dann genieße Autor Rolf Vollmann das Nacherzählen des Männlich-Heldischen dann doch mit "zu viel Behäbigkeit".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2020

Rezensent Tilman Spreckelsen vertieft sich mit Rolf Vollmann in mittelalterliche Romane vom "Iwein" über den "Parzival" bis zum "Eneasroman". Bewandert zum Beispiel in der Artus-Epik erkennt der Rezensent Szenen und Figuren, auch wenn der Autor alles bunt durcheinanderwirft, Stoffe auflöst, Entlegenes hervorhebt oder verknüpft und sich um Chronologien nicht schert. Dass es um Erzählen geht, merkt Spreckelsen bald, an den Erzählerkommentaren oder den Figurenreden. Die Lektüre sorgt bei ihm für eine Vertiefung und Erweiterung der alten Geschichten durch Reisen oder Erinnerungen des Erzählers, über die Spreckelsen nur staunen kann. Der Schönheit des Mittelhochdeutschen wird der Rezensent durch die eingestreuten Zitate gewahr.
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