Ingeborg Bachmann

Kriegstagebuch

Mit Briefen von Jack Hamesh an Ingeborg Bachman
Cover: Kriegstagebuch
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
ISBN 9783518421451
Gebunden, 107 Seiten, 15,80 EUR

Klappentext

"Das ist der schönste Sommer meines Lebens, und wenn ich hundert Jahre alt werde das wird der schönste Frühling und Sommer bleiben. Vom Frieden merkt man nicht viel, sagen alle, aber für mich ist Frieden, Frieden!" 1945, unmittelbar nach Kriegsende, notiert die achtzehnjährige Ingeborg Bachmann diese Zeilen in ihrem Tagebuch. Aus ihnen sprechen die Abscheu vor der NS-Ideologie und die Erleichterung über das Ende der Nazi-Herrschaft. Der euphorische Ton hat noch einen weiteren Grund: Ingeborg Bachmann hat sich in den britischen Besatzungssoldaten Jack Hamesh verliebt, einen Wiener Juden, dem 1938 die Emigration gelang. Er befragt die junge Frau zunächst zu einer Mitgliedschaft im "Bund deutscher Mädel"; es entsteht bald eine enge Freundschaft. Dennoch wandert Hamesh im Frühjahr 1946 in das damalige Palästina aus. aus dem Nachlass publiziert. Der Band versammelt zusätzlich sämtliche erhaltene Briefe von Jack Hamesh an Ingeborg Bachmann.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.05.2010

Miriam Hefti hat Ingeborg Bachmanns "Kriegstagebuch", das Auszüge aus ihrem Tagebuch von 1945 sowie elf an sie gerichtete Briefe des britischen Besatzungssoldaten Jack Hamesh versammelt, nicht nur als aufschlussreiches Dokument für die frühen Jahre der Schriftstellerin gelesen. Indem Bachmanns Aufzeichnungen den Briefen des jungen Soldaten gegenübergestellt werden, entspannt sich ein "stummer Dialog" zweier Einsamer, so die Rezensentin gefesselt. In gewisser Weise werde in der Verbindung der Tochter eines NSDAP-Mitglieds und eines österreichischen Juden, der nur durch einen Kindertransport nach England der Ermordung entkam, schon die Beziehung zu Paul Celan "vorweggenommen" meint Hefti interessiert. Besonders fesselnd fand sie auch den Werdegang von Hamesh, der später nach Palästina ging und sich vom überzeugten Marxisten zum Zionisten wandelte. So spiegelt sich für die faszinierte Rezensentin in diesem Band auch die Einsamkeit und Heimatlosigkeit einer ganzen Generation.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.04.2010

Walter Hinck macht eine Entdeckung. Nach dem Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Paul Celan nun also eine Art Vorspiel, wie der Rezensent es nennt, Nachkriegstagebuch und Briefe des befreundeten jüdischen Besatzungssoldaten Jack Hamesh an Ingeborg Bachmann. Nicht nur das Lebenskonzept des Marxisten und späteren Zionisten Hamesh liest Hinck hier heraus. Bachmanns Distanz zum Denunziationsfanatismus nach '45, ihr Rechtsbewusstsein, ihre Hoffnung auf Veränderung, aber auch die Verflechtungen zwischen Tagebuch und Gesamtwerk erschließen sich dem Rezensenten. Äußerst hilfreich zu diesem Zweck erscheint ihm das Nachwort des Herausgebers Hans Höller.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.04.2010

Viel Bachmann-Text gibt es nun gerade nicht in diesem Band. Aus den sechs Seiten des "Kriegstagebuchs" werden 107 nur durch ein gründliches Nachwort und durch die elf Briefe des Soldaten Jack Hamesh, mit dem Bachmann eine nicht sehr lang währende Freundschaft/Beziehung verband. Hamesh war Jude und als britischer Soldat mit den Siegern in seine einstige österreichische Heimat zurückgekehrt. Als sie ihre gemeinsame Liebe zur Literatur entdecken, kommen Bachmann und Hamesh sich nahe. Von einem handelsüblichen Achtzehnjährigen-Tagebuch unterscheidet sich, was hier abgedruckt ist, offensichtlich nur, wenn man um die zukünftige Bedeutung seiner Autorin weiß. Recht überzeugend findet es der Rezensent Helmut Böttiger offenbar, wie sich Herausgeber und Bachmann-Kenner Hans Höller bemüht, wo immer es geht, Bezüge und Querverbindung in die Zukunft herzustellen. Was aus Jack Hamesh wurde, nachdem er 1946 nach Palästina ging, ist im übrigen unbekannt.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.04.2010

"Wieder eine kleine Sensation, die Literaturgeschichte schreiben wird," kommentiert Ina Hartwig diese Edition eines Kriegstagebuchs der jungen Ingeborg Bachmann, das auch elf Briefe eines britischen Soldaten enthält, der als Kind einer jüdischen Familie in Wien geboren und mit einem Kindertransport nach England entkommen war. Denn dieses Buch lässt aus Sicht der Kritikerin ein Zeitbild entstehen, dessen Tentakel sie bis in das künftige Werk dieser Dichterin reichen sieht. Auch der vorzügliche Kommentar hat, so Hartwig, dazu beigetragen. Sie liest ergreifend Klares, spürt Ingeborg Bachmanns "psychische und moralische Versöhnungskraft" und ahnt auch das seelische Muster schon, das ihrer Ansicht nach später bestimmend für die Beziehung von Bachmann zu Paul Celan werden wird.