Giorgio Agamben

Herrschaft und Herrlichkeit

Zur theologischen Genealogie von Ökonomie und Regierung. Homo sacer, Teil 2, Band 2
Cover: Herrschaft und Herrlichkeit
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
ISBN 9783518125205
Kartoniert, 368 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Andreas Hiepko. Die genealogische Erforschung der Macht, die Giorgio Agamben 1995 mit Homo sacer begonnen hat, nimmt mit diesem Buch eine entscheidende Wendung: Warum hat in der westlichen Welt die Macht die Form der Ökonomie angenommen? Und: Weshalb bedarf sie der Herrlichkeit, also jenes liturgisch-zeremoniellen Aufwands, der seit jeher um sie betrieben wird? Um den Monotheismus mit den "drei Personen" zu vereinbaren, entwarfen die Kirchenväter die Trinitätslehre als "Ökonomie" des göttlichen Lebens: als eine Frage der Führung und Verwaltung sowohl des himmlischen als auch des irdischen "Hauses" (griech.: oikia). Agamben zeigt, dass grundlegende Kategorien der modernen Politik von der Gewaltenteilung bis zur militärischen Doktrin des Kollateralschadens, vom Liberalismus der "unsichtbaren Hand" bis zum Ordnungs- und Sicherheitsdenken auf dieses theologisch-ökonomische Paradigma zurückgeführt werden können. Die zeremoniellen Aspekte der Macht sind nicht bloß Überreste vergangener Zeiten, sondern bilden noch immer ihr Fundament.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.10.2010

Rezensent Johan Schloemann zeigt sich weitestgehend unempfänglich für die Faszination, die von Giorgio Agambens Philosophie auf einige ausgeht. Bevor er auf das neue Werk des italienischen Philosophen, die Fortsetzung des Homo-Sacer-Projekts "Herrschaft und Herrlichkeit" eingeht, versucht er, weit ausholend, zu klären, warum Agamben eine solch starke Wirkung auf gewisse Kunst- und Kulturkreise ferner aber auch auf die Kulturwissenschaften, die Philosophie und nicht zuletzt das Feuilleton hat. Er vermutet sie in einer diffusen Mischung aus Zeit- und Systemkritik, impliziter Theologie, "rätselhafter Emphase der Widerständigkeit", abseitigen Quellen und noch einigen weiteren Ingredienzen. Eingehend rekapituliert er dann die Gedankenlinien aus "Herrschaft und Herrlichkeit", in dem Agamben darlegt, wie die theologische Kategorie der Verherrlichung Gottes über die politische Theologie des Abendlandes auf die Machtverhältnisse im modernen, auch demokratischen Staat übergegangen ist. Das ist, im Ganzen wie im Detail, in Schloemanns Augen keineswegs immer brandneu und wahnsinnig originell. Er sieht in "Herrschaft und Herrlichkeit" ein "kompliziertes, sehr gelehrtes und oft auch lehrreiches Werk", das am Ende aber in "plattester Medien- und Demokratiekritik, ja Demokratiefeindlichkeit" mündet. Es bleibt für ihn unklar, inwiefern Agambens Philosophie, wie vom Autor beansprucht, einen Weg der Wende und des Widerstands weisen soll.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.10.2010

Rezensent Bernhard Lang liest Giorgio Agambens Studie "Herrschaft und Herrlichkeit" - wie schon "Homo sacer" und "Ausnahmezustand" - als "Kriegserklärung an die Herrschaft". An zahlreichen Beispielen aus der Theologie demonstriert der italienische Philosoph für ihn das Wesen überlegener Herrschaft, die nicht den Regeln von Natur und Recht unterliegt. Überzeugend scheint ihm Agambens Herleitung des Unterschieds zwischen Herrschen und Regieren aus der Theologie und die Darlegung der konsequenten Anwendung dieser Trennung in der Staatslehre. Nicht wirklich viel kann er indes mit Agambens Erkenntnis anfangen, hinter der Herrlichkeit der Herrschaft fehle jede Substanz. Er merkt aber an, der Autor wolle in einer weiteren Studie die Frage beantworten, was diese Erkenntnis bedeute und was daraus folge.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.09.2010

Bedauerlicherweise misslungen findet Claude Haas dieses Fortsetzungbuch von Giorgio Agamben zu seiner politischen Theorie, das sich, wie Haas schreibt, auf die Suche nach dem unfreiwilligen theologischen Erbe von Ökonomie und Demokratie macht. Problematisch ist das Buch für Haas besonders durch die Konstitution der Autorschaft, mit der sich der Machtkritiker dem Eindruck des Rezensenten zufolge paradoxerweise ungeniert zum Alleinherrscher über die politische Theorie erhebt, zum Korrektor göttlicher Schöpfungsmängel, während alle Theorie vor Agamben aus dessen selbstherrlicher Perspektive zur "schlechtgeführten Mülldeponie" verkommen sei. Das lässt das grundsätzlich ideenreiche Buch aus Haas' Sicht doch sehr fantasielos erscheinen, da sein Diskurs grundsätzlich sein Macht dekonstruierendes Anliegen konterkariert. Da helfen dann auch liebevoller Umgang mit Kirchenvätern, Echos von Engelgesängen und bislang unentdeckte Parallelen zwischen der göttlichen Betriebswirtschaft und moderner Politik nicht sehr viel, die für den Geschmack des Kritikers ohnehin etwas karg ausgefallen sind.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.08.2010

Mit ein paar Schritten Abstand blickt Rezensent Johannes Thumfart auf das Werk des Philosophen Giorgio Agamben. Gelegentlich scheint ihm das Denken des hoch angesehenen Denkers doch etwas "lax". Sein noch immer beträchtlicher Einfluss verdanke sich nicht zuletzt einem ausgesprochenen Geschick für die Wahl des richtigen Zeitpunkts seiner Interventionen. Für "Homo Sacer" habe das gegolten, für den neuen Band zum Verhältnis von Christentum und Ökonomie gelte es im Prinzip auch. Im Original jedenfalls, da erschien das Buch schon 2007 - im Deutschen sei es jetzt eher etwas spät dran. Zwar findet Thumfart es durchaus anregend, hat aber auch den grundsätzlichen methodologischen Einwand, dass eine "Genealogie", wie Agamben sie hier unternehme, es sich grundsätzlich etwas zu einfach macht, weil sich im Prinzip natürlich mehr oder minder alles aus dem Christentum ableiten lasse.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.08.2010

Rezensent Byung-Chul Han hat Giorgio Agambens neues Buch mit Spannung gelesen, überzeugt ist er aber nicht. Agamben verbinde hier der Darstellung des Rezensenten zufolge seine Engelskunde mit einer "Theorie der Macht". Macht versteht Agamben offenbar ähnlich wie Herrschaft als Regierung aber auch "zeremonielles Königtum", erklärt Byung-Chul Han, und die Frage, die er stelle, sei: "Warum braucht die Macht die Herrlichkeit? Und wer gibt sie ihr? Die Verwalter der Herrlichkeit erkennt Agamben in den Medien, sie verteilen Aufmerksamkeit und Akklamation. Das aber sieht der Rezensent ganz anders, hier verstehe Agamben, der die Politik als Gewalt denke, das kommunikative Wesen der Demokratie nicht. Da hält er es lieber mit Jürgen Habermas, dem Agamben vorwerfe, die politische Macht in die Hände der Medien gegeben zu haben, obwohl dieser, meint Byung-Chul Han, in "Strukturwandel der Öffentlichkeit" doch Vernunft und Akklamation sehr genau auseinanderhalte.
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