Thomas Melle

Sickster

Roman
Cover: Sickster
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783871347191
Gebunden, 330 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Zwei junge Männer stehen an vorderster Front einer überhitzten Konsum- und Leistungswelt und halten stand, bis die Beschleunigung ihr Leben erfasst, überwuchert. Der idealistische Magnus Taue schreibt für das Kundenblatt eines Ölkonzerns, fühlt sich als Loser und hasst seine Arbeit mit der Wut eines Schläfers. Thorsten Kühnemund, Manager und Macho, leidet insgeheim am erfolgreichen Hochglanzleben voller Druck und Alphatierneurosen, er betäubt sich mit Alkohol, schnellem Sex und Abstürzen im molochartigen Clubbing der Stadt. Aus Schulzeiten bekannt, freunden die beiden sich zögerlich an. Doch als es Thorstens Freundin Laura zu Magnus hinzieht, brechen die Fassaden ein, alle drei strudeln ins Haltlose. So beginnt eine Suche nach irgendeiner Wahrheit des Empfindens, Denkens und Tuns eine Suche im Rausch, Schmerz und Wahn.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.01.2012

Ambivalent ist Nico Bleutges Reaktion auf das Romandebüt von Thomas Melle. Schnell lässt sich der Rezensent von der Erzählkonstruktion überzeugen, in der einem Psychotiker, einem Mineralölkonzernmanager und seiner Freundin auf je eigene Weise die "Welt aus den Fugen gerät". Die Hauptfigur Magnus Taue leidet an einer durch einen Tinnitus ausgelösten Psychose, und wie der Autor von seinen Exkursen über die Funktionsweise des Gehirns auf die ver-rückte Perspektive seines Protagonisten überleitet, findet der Rezensent klug ausgedacht und plausibel. Nach und nach aber beschleicht ihn das Gefühl, dass es sich Melle mit seinen schiefen Metaphern, der mitunter klischeehaften Sprechweisen seiner Protagonisten oder seiner sprunghaften Assoziationswut etwas zu leicht macht, indem er einfach auf die spezifische Funktionsweise des Gehirns verweist und so alle Schwachstellen des Romans gegen mögliche Einwände immunisiert. Zudem fällt Bleutge auf, dass der Autor in seinem Roman häufig auf seine eigenen Erzählungen zurückgreift, sich aber kaum mehr Mühe macht, als sich selbst nach dem "Copy-and-Paste-Prinzip" zu zitieren.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 14.10.2011

"Tolles Buch", findet Jens Balzer, so ganz ohne "weibisches Burn-out-Gejammer". Denn in Thomas Melles Debüt sind zwar alle total krank, die Leute, die Stadt, der Kapitalismus, aber eher im metaphysischen Sinne als im luschig-körperlichen, wenn wir den Rezensenten richtig verstehen. Maskuliner Held dieser Geschichte ist ein verkrachter Akademiker, der als Tankstellenverkaufsoptimierer geendet ist und seinen Frust mit harten Beats im Berghain und im Bett betäubt, bis er mit Internet-Guerilla-Aktionen das Kapitalismusübel an seiner Wurzel zu packen versucht. Großartig findet Balzer auch die "dunkelfunkelnde" Sprache und die Dialektik, die bewusst offen lasse, ob jetzt das System den Menschen krank macht oder der Mensch das System.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.10.2011

Nein, sagt Moritz Baßler, dem Coverbild zum Trotz sei dies kein weiterer Sex-und-Drogenroman aus dem Berliner Drogen- und Partymilieu, jedenfalls nicht nur: Vielmehr blühe darin der Wille auf, vieles neu, vieles anders und mit vielen Zitaten garniert zu machen, im übrigen ohne daran zu scheitern, wie Baßler rasch anmerkt. "Welthaltig erzählt, pointiert, gesättigt mit Gegenwart? sei das alles, auch wenn sich bald herausstellt, dass hier eine Parodie auf entfremdetes Leben gezeichnet werde, die ihre Protagonisten schnurstracks ins grell überzeichnete Elend führe. Für Baßler bekräftigt sich in diesem "feiernswerten Erstlingsroman? mit seinen ins Surreale spielenden Schnörkeln eine Tendenz der jüngeren Popliteratur, "die literarische Fantasie zur absurden Praxis? zu machen. Baßlers schlussendlich enthusiastisches Fazit: "Eine echte Perspektive für die deutsche Literatur!?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.09.2011

Nicole Henneberg vergleicht den Furor und die Trauer in Thomas Melles Roman mit denen von Ginsbergs "Howl". So abenteuerlich wie menschlich erscheint ihr die Geschichte um drei hoffnungsvolle, aber chancenlose junge Männer im Berliner "Paradies der Selbstverwirklicher" (chancenlos im Kampf mit der eisigen Gegenwart). Was der Autor hier vor dem Hintergrund der Berliner Nachtwelt und der Tagwelt eines Ölkonzerns mit psychologischer, soziologischer und moralischer Kompetenz auch an politischer Sprengkraft freisetzt, lässt Henneberg staunen. Die Wirklichkeitsnähe macht sie beklommen, die liebevolle, melodische Sprache des Autors sowie das Ende des Romans, das sie uns nicht verraten möchte, lassen sie allerdings hoffen.
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