Christoph König (Hg.)

Internationales Germanistenlexikon 1800 - 1950

3 Bände
Cover: Internationales Germanistenlexikon 1800 - 1950
Walter de Gruyter Verlag, Berlin 2003
ISBN 9783110154856
Gebunden, 2256 Seiten, 348,00 EUR

Klappentext

Die Germanistik kann als Fach auf eine über 150-jährige Geschichte zurückblicken. Als Wissenschaft von der deutschen Sprache und Literatur bildete sie sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts heraus, und mit ihren Anfängen verbinden sich so berühmte Namen wie Jacob Grimm, Karl Lachmann und Wilhelm Wackernagel. Durch ihre Verbindung zu den anderen Philologien und Kulturwissenschaften war sie von Anfang an selbst ein Teil der Geistesgeschichte. Leben und Werk ihrer Vertreter sind daher nicht nur ein Spiegel der Wissenschafts-, sondern auch der Literatur- und Sozialgeschichte. Das Internationale Germanistenlexikon, das unter Beteiligung zahlreicher Fachgelehrter aus dem In- und Ausland am Deutschen Literaturarchiv in Marbach entwickelt wurde, bietet umfassende Informationen zu 1500 weltweit bedeutenden Germanisten zwischen 1800 und 1950. Es stellt ein grundlegendes Nachschlagewerk für Fachhistoriker und Sprach- und Literaturwissenschaftler dar und versammelt erstmals alle bio-bibliographischen Daten in systematischer Übersicht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.12.2003

Die erste Reaktion auf das Germanistenlexikon war Personalisierung und Skandalisierung: die in den Beiträgen aufgedeckte NSDAP-Mitgliedschaft von Walter Jens und Peter Wapnewski bestimmte die bisherigen Kritiken. Und daran ist das Werk, so Jochen Hörisch, nicht ganz unschuldig. Angesichts der mühsam überwundenen biografistischen Positionen in der Wissenschaft selbst, müsse der Rückfall in die Kategorien des Biografischen doch ein wenig verwundern. Interessanter als die Fragen nach persönlicher Verstrickung und privaten Liebschaften (auch darüber wird man gelegentlich informiert) sind aber doch, meint Hörisch, die nach den Werken und erst recht die nach den institutionellen Zusammenhängen. Denen wiederum sei in der CD-Rom-Version durch kluge Abfragen sehr viel eher auf die Spur zu kommen als in der konventionellen Lexikon-Form. Bei aller Kritik an der Biografie-Zentriertheit des Unternehmens und auch an kleineren Unstimmigkeiten will der Rezensent freilich den Fleiß der Beiträger so wenig leugnen wie die Tatsache, dass man, und sei es auf Umwegen, doch an hoch interessante Informationen gelangt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.12.2003

Frank-Rutger Hausmann lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass es sich bei dem Germanistenlexikon um ein "vorzüglich redigiertes Standardwerk" handelt, sogar eines, "über das in dieser Ausführlichkeit und Genauigkeit keine andere Disziplin verfügt" - ein Mammutwerk, das beim Leser "ehrfurchtsvolles Staunen" auslöse. Der einzigartige "Längsschnitt durch einhundertfünfzig Jahre Fachgeschichte" sei anhand eines festen Schemas vorgenommen worden: gleich lange Einträge für jeden der Aufgenommenen, egal welcher Sparte der nationalen und unternationalen Germanistik er oder sie angehörte, diese wiederum aufgeteilt in vorgestanzte Kategorien zur Erfassung von wissenschaftlichen Leistungen, bibliografischen Angaben und biografischem Hintergrund. Ein Wunderwerk an Kompaktheit und Objektivität? Nicht bei genauerem Hinsehen, wendet Hausmann ein. Denn während die Sparte "Lebensumstände" zwar jede NSDAP- Mitgliedschaft erfasse und damit die Karriere des Genannten in ein bestimmtes, immer gleiches Licht rücke, bleibe die faschistische Gesinnung anderer Wissenschaftler, die nicht Parteimitglieder waren, oft unerwähnt - hier behindere die starre Kategorik der Einträge die Ausgewogenheit und Objektivität, die sie doch sicherstellen sollte. Im Großen und Ganzen sei das aber, im Verhältnis zur Gesamtleistung des Herausgebers und seinen Hundertschaften von Mitarbeitern, nicht mehr als ein bedauernswerter "Schönheitsfehler".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.12.2003

Als "ideales Instrument der Wissenschaftsgeschichte" würdigt Rezensent Lothar Müller das von Christoph König herausgegebene "Internationale Germanistenlexikon 1800-1950", das schon vor Erscheinen für Furore sorgte, weil es prominente Gelehrte wie Walter Jens, Peter Wapnewski und Walter Höllerer als Mitglieder der NSDAP benennt. Müller sieht dann auch "Reiz und Reichtum" dieses Lexikons darin, dass es zugleich ein Dokument der Zeitgeschichte und eine Datensammlung zur Wissenschaftsgeschichte ist. Genauer: der "Wissenschaftlergeschichte", wie Müller präzisiert. So gibt das Lexikon Auskunft darüber, wer wann bei wem worüber promoviert hat, wer wann wo seinen ersten Lehrstuhl erhielt, wem er nachfolgte und wem er vorausging, wer mit wem welche Zeitschrift herausgab und in welchem Sammelband publizierte und so weiter. Müller merkt an, dass es "ausdrücklich nicht" als repräsentativer Querschnitt der zwischen 1800 und 1950 hervorgetretenen Germanisten insgesamt konzipiert sei: von den 12.000 Kandidaten, wurden schließlich gut 1500 aufgenommen. Begrüßenswert findet Müller dabei das "erklärte Anliegen des Lexikons", die Rehabilitierung der Außenseiter. Neben einem chronologische Verzeichnis der Dissertationsthemen ist dem Lexikon eine Liste beigefügt, die den Germanisten Forschungsschwerpunkte zuordnet, freut sich Müller. Mittels der CD-Rom könne der Leser zudem nach Begriffen wie "Allegorie", "Symbol" oder "Struktur" beziehungsweise nach einzelnen Werktiteln suchen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.12.2003

Der rezensierende Germanist Karl Otto Conrady nutzt seine Besprechung des Internationalen Germanistenlexikons zu einer persönlichen, die eigene Biografie nachzeichnenden Stellungnahme, war er doch selbst, wie er schreibt, "weiß bekordelter Pimpfenführer". Conrady hat durchaus Verständnis für die aktuellen Diskussionen um die NS-Verstrickungen einiger Germanisten. Und dennoch, den heftigen, teils hitzigen Debatten, angefacht durch das von Christoph König durchaus "kompetent" herausgegebene dreibändige Lexikon, das rund 1500 Lebensdaten von Germanisten aus den Jahren 1800-1950 umfasst, möchte Conrady mittels "sachlicher Auskünfte" und der Nennung "prinzipieller Aspekte" ein wenig entgegenarbeiten. So betont der Autor, dass den "damals jungen Germanisten, über die jetzt räsoniert wird", der Weg in die NSdAP gewissermaßen vorgezeichnet war, was ihnen auch zu einer relativ zügig erteilten Amnestie durch die Siegermächte verhalf. Dennoch hebt Conrady eindrücklich hervor, dass sich niemand "ohne jegliches Wissen und Wollen" in der Partei wiederfand. Eine bloße Parteimitgliedschaft gebe aber noch keinerlei Aufschluss über ein konkretes parteipolitisches Handeln. So sieht er die Betroffenen nicht als "Akteure völkischer Propaganda", sondern als "Objekte in historischen Konstellationen", die aufgrund ihrer "aus republikanischer Überzeugung vollbrachten imponierenden Leistungen in den vielen Jahrzehnten danach" in Erinnerung bleiben werden.