Joschka Fischer

Die Rückkehr der Geschichte

Die Welt nach dem 11. September und die Erneuerung des Westens.
Cover: Die Rückkehr der Geschichte
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2005
ISBN 9783462030358
Gebunden, 303 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Entlang der Krisenherde der heutigen Weltpolitik, des Nahostkonfliktes wie des Irak-Kriegs, der Kriege auf dem Balkan, aber auch der Weltklimapolitik entwirft Joschka Fischer alternative Zukunftsszenarien und fragt nach den Faktoren, die zu einer an internationalem Recht, Frieden und Gerechtigkeit orientierten Weltordnung führen oder diese verhindern. Dabei diskutiert Joschka Fischer insbesondere das Verhältnis zwischen Europa und den USA und die theoretischen Positionen des amerikanischen Neokonservatismus von Samuel P. Huntington bis zu Robert Kagan.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.07.2005

Kein gutes Haar lässt Rezensent Majid Sattar an Joschka Fischers Buch "Die Rückkehr der Geschichte". Einen Traktat für eine künftige Weltordnung kann er darin nicht erkennen. Zwar spreche Fischer für eine neue Weltordnung, liefere für diese aber nicht einmal eine Skizze. Sattar hält dem Außenminister vor, mit seinen Analysen an der Oberfläche zu bleiben. Am Ende komme er über ein "Amerika hat die Wahl: mit uns oder ohne uns" nicht hinaus. Die Lektüre des Buches empfindet der Rezensent als "mühsam", bemängelt das Fehlen einer klaren Gliederung und moniert zahlreiche Redundanzen. Seines Erachtens bestehen Fischers Ausführungen "zu großen Teilen" aus "absätzefüllenden Zitaten" vornehmlich amerikanischer Politikwissenschaftler und Historiker, die er gern mit "zu Recht weist XY darauf hin" einleite. Hämisch urteilt Sattar: "Staunend scheint der Autodidakt Fischer auf die klugen Gedanken zu schauen, die das ihm unvertraute Phänomen Universität hervorgebracht hat."
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.07.2005

Wolfgang Schäuble ist ganz und gar nicht überzeugt von Joschka Fischers außenpolitischer Schrift "Die Rückkehr der Geschichte". So falsch findet er es zwar nicht, was Fischer über das transatlantische Verhältnis, die UNO, die Globalisierung und den internationalen Terrorismus schreibt. Aber meist sind ihm die "theoretisierenden Betrachtungen" des Außenministers viel zu unoriginell und "riskant unpräzise". Was er Fischer aber am stärksten ankreidet ist, dass er die reale rot-grüne Außenpolitik völlig außen vor gelassen habe. Und mit keinem Wort erwähne er die europäischen Hauptthemen: die neue, von Kanzler Gerhard Schröder forcierte Achse "Berlin-Moskau", die wachsende Vertrauenskrise. Auch nach einer Erklärung zu Deutschlands Wunsch nach einem Sitz im UN-Sicherheitsrat hat Schäuble vergeblich gesucht, so dass er dieser Arbeit keinerlei Schlüssigkeit zubilligen mag, höchstens - wegen der vielen zusammengesuchten Zitate - Fleiß.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.06.2005

Als Übung in Apokalyptik hat Michael Naumann Joschkas Fischers "Rückkehr der Geschichte" empfunden, als eine "Bloßlegung" der Sorgen des, so Naumann, intelligentesten Außenministers, den die Bundesrepublik je hatte, von Willy Brandt einmal abgesehen. Die Welt treibt ihrem Ende entgegen - das hat Naumann als grundlegende Erkenntnis des Buches mit nach Hause genommen. Platz für Hoffnung gibt es eigentlich nicht - sieht man einmal von einer Kooperation der USA, eines geeinten Europas und der Vereinten Nationen und einer Trockenlegung des "islamistischen Terrorismus" ab. Trotz des Titels handelt es sich bei Fischers Text nicht um eine geschichtsphilosophische Studie. Der Rezensent hat gelegentlich die "analytische Tiefe und den stilistischen Witz eines Henry Kissinger" vermisst. Alles in allem aber "das ernsthafteste Werk", das ein deutscher Außenpolitiker bislang vorgelegt hat, gespeist von "unermüdlichem Lesefleiß".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.06.2005

Etwas enttäuscht zeigt sich Rezensent Louis Gerber über Joschka Fischers neues Buch "Die Rückkehr der Geschichte". Zwar findet er die Ausführungen des deutschen Außenminister zur Lage der Welt "weitgehend korrekt". Doch werde, was Fischer schreibe, auch von niemanden bestritten, es sei "weder falsch noch neu". Die ersten hundert Seiten findet Gerber gar "erstaunlich deskriptiv und oberflächlich". An der Oberfläche bleibt Fischer nach Gerbers Einschätzung auch sonst des öfteren. Zum Kampf gegen den Terror etwa habe er keine "detaillierte alternative Strategien" zu bieten, die zentrale Frage nach der möglichen Überdehnung der amerikanischen Kräfte im 21. Jahrhundert spreche er zwar an, "ohne jedoch tiefer zu loten". Zudem hält ihm Gerber vor, einer Analyse der rot-grünen Politik auszuweichen. "Der Mann der Tat, der Politiker Fischer", so Gerber, "wird kaum greifbar". "Substanziellere Passagen" findet Gerber, wenn es den möglichen Beitritt der Türkei zur EU geht, für den sich Fischer nach "sorgfältigem Abwägen von Pro und Contra" ausspricht. Gerber hebt hervor, dass sich Fischer jeder antiamerikanischen Äußerung enthält und Guantanamo, Abu Ghraib sowie die Folterdiskussion nicht analysiert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.06.2005

In einer Reihe mit den "Erinnerungen und Bekenntnissen" großer Außenpolitiker von Talleyrand über Bismarck bis Kissinger sieht Rezensent Claus Leggewie Joschka Fischers "Die Rückkehr der Geschichte", wobei er festhält, dass sich der grüne Außenminister in diese Ahnenreihe "in aller Bescheidenheit" eingeschrieben hat. Leggewies Urteil fällt also überwiegend positiv aus. Er würdigt Fischers Analyse der Weltpolitik als "kompakt" und "streckenweise brillant". Etwas überrascht hat ihn allerdings, dass Fischer in seiner Darstellung "erstaunlich akademisch" bleibt und eigene Anteile am weltpolitischen Geschehen nie direkt hervorhebt. Leggewie vermutet, dass Fischer seinen eigenen Anteil deutlicher herausgestellt hätte, hätte er gewusst, dass das Buch zu Beginn eines Wahlkampfs erscheinen würde. Fischers Analysen kann Leggewie größtenteils zustimmen, ebenso seinen Konsequenzen und Forderungen, etwa die nach einer umfassenden Lösung des Nahostkonflikts, die das Existenzrecht Israels und einen Palästinenserstaat voraussetzt, ebenso wie das Plädoyer für eine tief greifende Erneuerung des UN-Systems. Insgesamt erscheint Leggewie Fischers außenpolitische Analyse als "erstaunlich wenig grün". Auch findet er kaum etwas zur Umwelt- und Klimapolitik und nichts über Nichtregierungsorganisationen. Obwohl ihm das Fazit "blass" und "wenig konkret" vorkommt, ist der Ausklang der Rezension mehr als versöhnlich: "Einen Besseren als Fischer findet man so leicht nicht."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.06.2005

Kaum wurde das Buch auf der Pressekonferenz präsentiert, erscheinen auch schon die ersten Kritiken: Insgesamt wohlwollend bespricht Niels Werber das Buch des amtierenden deutschen Außenministers, den er als politischen Denker in die Tradition des Dezisionismus stellt. Fischer habe ein "Faible für Zeus' Blitze der Entscheidung", wie Werber es recht blümerant formuliert. Blitzartig schlug die Geschichte am 11. September zu: seither, referiert der Rezensent, sei weniger die Rückkehr der Geschichte als die Rückkehr des Politischen zu vermelden. Wobei Fischer damit selbstredend das Außenpolitische meine. In den Bereichen von Wirtschafts- oder Sozialpolitik wird demnach nicht etwa entschieden, sondern verwaltet. In der Außenpolitik steht für Fischer Europa und nicht Deutschland im Vordergrund, das nicht nur über eine militärisch-geografische Ordnung verfügt, sondern auch eine gemeinsame Werteordnung besitzt. Europa und die USA müssten nun laut Fischer dafür sorgen, dass eine verbindliche Neue Ordnung weltweit wirksam werden könne. Wie man aber nun die Werteordnung des Westens dem Rest der Welt auch einleuchtend erklärt, kläre Fischer nicht, bemängelt Werber. "Das klingt sehr nach Frankfurt", merkt er dazu an und bezweifelt des Weiteren, ob ein aufgerüstetes Europa je "mächtig und willens" sein wird, auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards und universeller Werte zu pochen.