Haruki Murakami

Hard-boiled Wonderland und Das Ende der Welt

Roman
Cover: Hard-boiled Wonderland und Das Ende der Welt
DuMont Verlag, Köln 2006
ISBN 9783832179052
Gebunden, 503 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Japanischen von Annelie Ortmanns. "Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt" erzählt im Wechsel der Kapitel und der Zeiten von zwei parallelen und wundersamen Reisen. In einem futuristisch brutalen Tokyo der fernen Gegenwart tobt ein Datenkrieg zwischen dem "System" der Kalkulatoren und einer Datenmafia, der "Fabrik" der Semioten. Ein genialer und greiser Professor hat durch ein sicheres Codierverfahren im Unterbewusstsein allen Datendiebstahl unmöglich gemacht. Der Held und Ich-Erzähler in "Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt" überlebt die Bearbeitung seines Gehirns, aber nach einem Überfall auf das unterirdische Geheimlabor des Professors ist der implantierte "Psychokern" wie eine Bombe im Hirn nicht mehr beherrschbar.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.09.2006

Haruki Murakamis Trick, das Alltägliche mit dem Bizarren zu kombinieren, funktioniert nicht in all seinen Büchern, meint Marion Löhndorf. Hier aber sei der "Idealfall" eingetreten. Eine exquisite Mischung aus "sanfter Melancholie" und "bunten Phantasmagorien" entdeckt Löhndorf in der doppelsträngigen Geschichte um Gedankenmanipulation in einem Tokio der nahen Zukunft und einer futuristischen Welt ohne Erinnerung; Murakami in Höchstform also. In der Hauptfigur und ihren detailliert geschilderten wie "temperamentvoll kommentierten" Vorlieben für Jazz und italienisches Essen meint die Rezensentin dann auch den japanischen Erfolgsautor fast unverhüllt zu erkennen. Und wie sie von ihm zur Überprüfung ihrer eigenen Glücksdefinition angeregt wird, hat sie offenbar ebenfalls wohlwollend aufgenommen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.05.2006

Schriftsteller Burkhard Spinnen verwendet den Großteil seiner Rezension darauf, sein persönliches "Missbehagen" an Haruki Murakamis Text zu schildern. Die Betonung, dass dies natürlich nur eine Einzelmeinung sei und der Kotau vor dem "großen Kollegen" in den letzten Zeilen vermag die negative Gesamttendenz nicht abzuschwächen und soll das vermutlich auch gar nicht. Für Spinnen ist die Geschichte um Gehirnmanipulationen und Bandenkriege in der Zukunft ein Konstrukt aus zwei Romanen, die wie zwei Kartenstapel ineinandergeschoben sind. Der eine ist eine Mischung aus Mystery- und Jump-and-run-Spiel für den Computer, der andere ein "klassischer" Fantasy-Roman. Nun mag Spinnen beide Genres nach eigenem Bekunden nicht so sehr: "Für mich ist das keine Literatur." Andererseits gesteht er Murakami zu, mit diesem vor 20 Jahren geschriebenen Buch das "Original" geschaffen zu haben, das mittlerweile alle anderen kopieren. Und Murakami gehe über die Genregrenzen hinaus, schaffe ein "intelligentes Sozialporträt" seines Protagonisten und erfinde nebenbei den "urbanen Single". Das alles würdigt Spinnen, um dann noch einmal sein großes Aber in eine Spinnen'sche Metapher zu gießen. Bei der Lektüre fühle er sich wie einer, "der sich mit einer Glasmurmel zudecken soll".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.04.2006

In das "Herzstück der Romanwelt" des Haruki Murakami glaubt Hubert Winkels geschaut zu haben - mit all ihren irrlichternden und gleichwohl "coolen" Helden und den "unheimlichen Sehnsuchtsschächten, in die sie immer wieder fallen". Um es kurz zu machen: Winkels hält diesen Roman für Murakamis "vielleicht bestes Buch". Natürlich ließe sich die Geschichte des Helden, der zwischen die Mühlsteine und Quellcodes zweier Systeme gerät, als klassische SF-Variation lesen, so Winkels. Aber Murakami wäre nicht der "kluge Erzähler", als den man ihn kennt, wenn er nicht eine zutiefst beunruhigende mythologische Ebene einziehen würde: Eine kunstvolle zweiteilige Romanstruktur läßt den Protagonisten zwischen zwei Welten oszillieren: einer verlockenden mit ihrer "aufgeblähten Fleischlichkeit" und einer Gegenwelt ohne Begehrlichkeiten und Erinnerungen und folglich ohne Willen. Als was dieser Roman zu lesen ist, als Antiutopie, als Einblick in die Ödwelt eines urbanen Konsumjunkies, dem man die "lustigen Wohlfühlgehäuse wegrasiert" hat - diese Entscheidung überlässt Winkels dem Leser. Für den "metaphysischen Analphabeten" freilich öffnet dieser Roman zumindest einen Einblick in die schillende "gnostische Tiefenstruktur" des japanischen Erzählers.

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