Ernst Günther Schenck

Dr. Morell

Hitlers Leibarzt und sein Pharmaimperium
Cover: Dr. Morell
S. Bublies Verlag, Koblenz 2000
ISBN 9783926584526
Gebunden, 559 Seiten, 28,63 EUR

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.01.2001

In einer Sammelrezension bespricht Udo Schumacher drei Bücher, die sich mit Ärzten im Nationalsozialismus befassen.
1.) Michael H. Kater: "Ärzte als Hitlers Helfer" (Europa Verlag)
An diesem Buch gefällt des Rezensenten besonders, dass sich der Autor weniger mit einzelnen Personen beschäftigt, sondern vielmehr die "sozioökonomischen Bedingungen" von Medizinern im Dritten Reich unter die Lupe nimmt, also auch die medizinischen Fakultäten untersucht sowie u. a. die Vorurteile deutscher Ärzte gegenüber ihren jüdischen Kollegen. Bedauerlich findet Schumacher es lediglich, dass das Buch bereits 1989 verfasst wurde und daher neue Erkenntnisse zu kurz kommen. So habe Kater eine "Kontinuität zwischen Medizin(historik)ern in der NS-Zeit und der Jetztzeit" diagnostiziert, doch gerade in den vergangenen zehn Jahren hat sich darüber eine intensive Debatte entwickelt, so der Rezensent. Dass Kater sich in seinem Buch auch ausführlich mit dem Kostenfaktor von Kranken beschäftigt, der in der NS-Zeit ein wichtiger Aspekt für die Vernichtung `unwerten Lebens` darstellte, gehört für Schumacher zu den Stärken des Buchs. Denn gerade die Kosten und Effizienz von Medizin spiele in der Gegenwart wieder eine wichtige Rolle im Gesundheitssystem, insofern biete das Buch einen "guten Einstieg in die historische Dimension solcher Diskussionen".
2.) Hans-Hennig Scharsach: "Die Ärzte der Nazis" (Orac Verlag)
Auch hier lobt der Rezensent Scharsachs Beschäftigung mit dem Medizinsystem der NS-Zeit als einem System, das auf Effizienz und Kostenersparnis ausgerichtet war. Und auch hier liegt für Schumacher der Wert des Buchs vor allem darin, die gegenwärtige Debatte über Einsparungen im Gesundheitssystem in ihrem historischen Kontext zu begreifen. Ansonsten sieht der Rezensent hier "nahezu alle Aspekte der Medizin der NS-Zeit behandelt": Die Rassegedanken, Themen wie Euthanasie und auch die Menschenversuche in Konzentrationslagern - auch wenn diese Informationen bereits in früheren Publikationen zu finden waren. Interessant findet er den Fall des österreichischen Arztes Heinrich Gross, der während des Krieges an Gehirnen getöteter Kinder geforscht hatte und dennoch bis in die Gegenwart als Gerichtsgutachter tätig war. Ein Verfahren gegen Gross wurde erst im Jahre 1999 eingeleitet. Für Schumacher ein Indiz, dass die Vertuschung solcher Gräuel inzwischen gesellschaftlich nicht mehr geduldet wird.
3.) Ernst Günther Schenck: "Dr. Morell" (Verlag S. Bublies)
"Wenig empfehlenswert" findet er dagegen dieses Buch, und zwar nicht nur, weil man über Hitlers Leibarzt Dr. Theo Morell eigentlich nur sehr wenig erfahre, sondern weil der Autor selbst eine heikle Rolle in der NS-Zeit gespielt hat. So erfährt der Leser, dass Schenck während des Dritten Reiches Mitglied der SA, der NSDAP, des NS-Ärztebundes sowie der Waffen-SS war und selbst Ernährungsexperimente an KZ-Insassen durchgeführt hat. Was den Inhalt des Buchs betrifft, so bleibt nach Schumacher unklar, ob Schenck und Morell sich persönlich gekannt haben. Auch die Rolle Morells als Hitlers Leibarzt bleibe im Dunklen. Ausgewertet wurden nämlich vor allem "Morell-Papiere", die in Washington aufbewahrt wurden. Zu den Informationen, die dieses Buch bietet, gehören nach Schumacher vor allem unverfängliche Tätigkeiten Morell, wie beispielsweise sein Versuch, Penicillin in Deutschland einzuführen oder seine Anstrengungen, ein elektronenmikroskopischen Labor einzurichten.
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