Felicitas Hoppe

Johanna

Roman
Cover: Johanna
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783100324504
Gebunden, 172 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Wie geht man mit einer Figur um, die jeder zu kennen glaubt, und über die auch in der Kunst längst alles gesagt scheint? In einer Zeit, in der zwar viel erzählt aber nichts gehört wird, bleibt Johanna eine Provokation. Dies ist ein Buch, das davon handelt, wie man Geschichte macht, wenn man erzählt. Auf den Gang der Geschichte antwortet diese "Johanna" mit der Passion der Literatur, auf die Passion der Johanna mit einem Gespräch über unsere eigene Angst. Felicitas Hoppe verzichtet auf die Rekonstruktion der Biografie. Stattdessen erzählt sie einen Traum von der Wirklichkeit. Denn was sind Bücher gegen die Welt?

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.10.2006

Die Rezensentin Wiebke Porombka zeigt an drei historischen Romanen (Bernd Schroeders "Hau", Felicitas Hoppes "Johanna" und T. Coopers "Lipshitz"), was der historische Roman der Gegenwartsliteratur beizubringen hat: die Reflexion über das Verhältnis von Fakt und Fiktion und den Willen zur bedingungslosen, poetischen Aneignung des Geschehenen. Auf Hoppe trifft dies für die Rezensentin uneingeschränkt zu. In ihrer Geschichte um die als Ich-Erzählerin auftretende Geschichtsstudentin, die im Rahmen ihrer Promotion die Figur der Johanna von Orleans erforscht, setze sie gekonnt den leidenschaftlichen und zermürbenden Prozess der Aneignung und Fortschreibung historischen Stoffes in Szene. Die Erzählerin komme in akademischer Hinsicht zu Fall, als sie sich weigert, die Geschichten der Geschichte lediglich "nachzubeten", sondern sich ihnen in poetischer, empathisch aneignender Weise nähert. Mit diesem vor "Sprachlust" sprühenden Roman, so das lobende Fazit der Rezensentin, stellt Hoppe einen Poesiebegriff in den Raum, der die "dichterische Aneignungsenergie und Gestaltungskraft" in den Vordergrund stellt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.10.2006

Nicht ganz einfach, aber doch faszinierend, fand Rezensent Jochen Jung dieses "wundersame", "seltsame und verquere" Buch zu lesen und ist den verschlungenen erzählerischen Wegen von Felicitas Hoppe gern gefolgt. Es gehe, oberflächlich betrachtet, um Jeanne d?Arc. Doch werde deren Geschichte weniger erzählt als "evoziert", mit allen Details "herbeigerufen" und "beleuchtet". Dies allerdings nur auf einer Ebene des Romans. Die andere werde von der Ich-Erzählerin bestritten, die Jung zufolge eine Universitätsprüfung zum Thema abzulegen hat, was der Rezensent als Versuch versteht, "Wissenschaftsrede und Dichterwort" einander gegenüberzustellen, um in diesem "schelmischen Kunstwerk" am Ende das Dichterwort siegen zu lassen. In der in Hameln geborenen Dichterin erkennt der Rezensent schließlich eine Nachfahrin des Rattenfängers.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2006

Was ist das jetzt für eine "Johanna"? Tilmann Lahme schaut auf den Mythos der Franzosen und stellt fest: Felicitas Hoppes Roman hat mit der historischen Figur, mit ihrer politischen und nationalistischen Instrumentalisierung nichts am Hut. Auch gut, findet Lahme, und interessiert sich um so mehr für die Gründe der Autorin, sich mit dem Stoff zu befassen. Finden kann er sie nicht. Keine neue Deutung, nirgends. Oder geht es darum, der klassischen "religiösen Linie" einen hübschen modernen Sprachmantel zu verleihen? Es scheint fast so. Darum empfiehlt Lahme dem Leser auch, sich gut zu rüsten mit Johanna-Wissen. Und die Idee von einer schön chronologisch erzählten Geschichte soll er mal lieber vergessen, wenn er das Buch in die Hand nimmt. Allemal nützlicher findet Lahme einen Kurs in assoziativem Bockspringen. Auf dass die "sprachliche Brillanz" dieser "Hoppe-Welt" zum Genuss wird und nicht zur Mühe.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.10.2006

Nein, ein Roman ist das nicht, findet Rezensent Jörg Plath. Eher ein "poetisches Prosawunder", oder die "höchst disziplinierte Fieberfantasie einer Jungfrau über eine andere Jungfrau". Doch während Jungfrau Nummer 1 namenlos bleibe, habe man es bei Jungfrau Nummer 2 mit der berühmten Johanna d'Arc zu tun, über die Nummer 1 promoviere. Der gewogene Rezensent lässt offen, ob er die "mühelosen und himmelhohen Kapriolen" der Geschichte und ihre "klaftertiefen" Abstürze nicht doch recht nervtötend fand. Aber vielleicht ist es der "katholische Glutkern", den Plath in dieser "traumwandlerischen" Prosa deutlicher als je zu vor bei Felicitas Hoppe hervortreten sieht, der ihn besänftigt. Vielleicht auch die poetische Kraft der Autorin, das fantastische Poesiepotential ihres Textes, der, wie wir Plaths Beschreibung entnehmen können, an die wirklichkeitsverändernde Kraft der Literatur ebenso glaubt wie Johanna an den Sieg über die Engländer. Jedenfalls zieht er vor Hoppes "unverwechselbarem Satzrhythmus" und der "traumtänzerischen Sicherheit", mit der sie  den Leser durch die Geschichte führt, tief seinen Hut.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.10.2006

Poetischer Roman, artistisches Sprachspiel, wagemutig konstruierte Konfrontation literarischer Patterns - das alles und viel mehr scheint das neue Buch von Felicitas Hoppe zu sein. Treffend in seiner Offenheit ist wohl das Urteil von Angelika Overath, die Hoppes Johanna-Text bewundernd zur "literarischen Kühnheit selbst" erhebt. Für sie scheint es sich um eine ästhetisch-persönliche Grundsatzentscheidung zu handeln, welcher Art von Literatur man den Vorzug gibt, ihre Entscheidung steht eindeutig fest: ein Buch wie Hoppes "Johanna", das viel mehr über die Gabe des Geschichtenschreibens als über seine Geschichte selbst preis gebe und dabei mit unzähligen Anspielungen und Verweisen auf der Hochebene der Metasprache Silbenverschiebungen zelebriere, kann sich der Hochachtung der Rezensentin sicher sein.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.09.2006

Als "Traumspiel und literarische Himmelfahrt" feiert Rezensent Thomas Steinfeld Felicitas Hoppes neues Buch über die Jungfrau von Orleans. Tief habe sie sich dafür in die Literatur und die Protokolle der Inquisition "gebohrt", Stimmen und Material destilliert und zu einem literarischen und "bis ins äußerste Detail komponierten Ineinander und Gegeneinander von Stimmen, Zitaten, kleinen Exkursionen und Kommentaren" versponnen. Trotz seines Gegenstandes habe es der Leser nicht mit einem historischen Roman zu tun, schreibt Steinfeld auch. Vielmehr gehe es um die visionäre "Kraft des Noch-Nicht", um "Herz und Seele", Identität, die "Überwindung der Angst" und existenzielle Unsicherheit, um die Hoppe ihre literarischen Bögen schlüge. All dies erzeuge beim Lesen "einen gewaltigen Sog", dass Steinfeld am Ende fast ein wenig "benommen" von soviel Spiritualität, aber auch "klüger" geworden, das Buch schließlich beiseite legt.
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