Kenzaburo Oe

Tagame Berlin-Tokyo

Roman
Cover: Tagame Berlin-Tokyo
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783100552129
Gebunden, 320 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Japanischen von Nora Bierich. Es beginnt mit dem Selbstmord von Goro, einem berühmten Filmregisseur, Schwager und langjähriger Freund von Kogito. Und mit dem Selbstmord beginnt Kogitos langes Gespräch mit dem Toten. Das Gespräch stützt sich auf Kassetten, die Goro kurz vor seinem Tod für Kogito besprochen hat. Um Abstand zu den Ereignissen zu bekommen, nimmt Kogito die Samuel Fischer Gastprofessur in Berlin an. In Berlin setzt er das Gespräch mit seinem Schwager und Freund fort, Erinnerungen an gemeinsam Erlebnisse verbinden sich mit Fragen zum Selbstmord, zur Literatur, Journalismus, zur japanischen Mafia, der Yakuza, zum Film und Sex.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.02.2006

In seinem vor fünf Jahren im Original erschienenen Roman, der jetzt auf Deutsch vorliegt, setzt Kenzaburo Oe seinem Freund, dem 1997 aus dem Leben geschiedenen Filmemacher Juzo Itami, ein "literarisches Denkmal", stellt Claudia Siefen fest. Darin wird von den beiden Freunden Goro, einem berühmten Schriftsteller, und Kogito, einem ebenso bekannten Filmemacher, erzählt, die seit ihren Jugendjahren befreundet waren, so die Rezensentin. Nach dem Selbstmord des Freundes zieht sich Goro mit von Kogito besprochenen Tonbändern zurück und "stellt entsetzt fest", wie sehr ihn dieser "akustische Arm ins Jenseits berührt", so die Rezensentin zusammenfassend. Wer in diesem autobiografisch gefärbten Roman allerdings hofft, Aufschlüsse über Oes Privatleben zu erlangen, wird enttäuscht werden, denn wie so oft in seinen Büchern gibt der japanische Autor gleichzeitig "alles" und "nichts" von sich preist, betont Siefen. Was das eigentlich Fesselnde an diesem in seinen vielen "Rückblenden" und "poetologischen Reflexionen" durchaus "sperrig" konstruierten Roman darstellt, ist der spezielle Tonfall, lobt die Rezensentin eingenommen. Er entwickelt einen Sog, der die Leser "nicht mehr los lässt" und so hat man am Ende das Gefühl, wenn auch nicht der Privatperson, so doch dem Schriftsteller Oe in seiner "Auseinandersetzung mit dem Schreiben" und seiner "eigenen Geschichte" "näher gekommen zu sein", so Siefen angetan.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.01.2006

Barbara von Becker zeigt sich von diesem Roman von Kenzaburo Oe, der in Japan vor fünf Jahren erschienen ist und nun auf Deutsch vorliegt, sehr beeindruckt. Der Schriftsteller Kogito, dessen Freund, der Filmemacher Goro, sich das Leben genommen hat, setzt sich mittels fünfzig von dem Freund besprochenen Kassetten mit dem Verlust auseinander. Die Figur Goros sei ein "so gut wie unverschlüsseltes" Porträt von Oes Freund Itami Juzo, der 1997 von einem Hochhaus in den Tod sprang, erklärt Becker. Der Roman sei ein "zutiefst persönlicher und schonungsloser Text", der Autografisches mit den Themen Oes verknüpft und stelle nicht zuletzt ein Dokument "nachgetragener Freundesliebe" dar, meint Becker berührt. In der komplizierten Konstruktion von Rückblenden, poetologischen Reflexionen, "kritischen Resümees" und den Erinnerungen an den Freund empfinde der Leser die "mühsame Arbeit der Annäherung" Oes nach, wobei die Struktur und Erzählweise des Romans die dünne "Trennungslinie zwischen Roman und Autobiografie" kennzeichnet, erklärt die Rezensentin. So handele das Buch nicht nur von Freundschaft und "Selbstvergewisserung", sondern sei letztlich auch eine Auseinandersetzung mit dem "Schreiben" als Instrument der "schmerzhaften Ergründung des eigenen Lebens".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.12.2005

Die Figuren in Kenzaburo Oes Roman sind allesamt realen Vorbildern nachempfunden, schreibt Rezensent Ulrich Baron, und doch nimmt diese starke Betonung der Wirklichkeit der Literatur nicht wie in anderen Werken oft der Fall den Raum. Das liegt wohl daran, dass Oe das Unfassbare im Leben zum Thema seiner Geschichte macht, mutmaßt der Rezensent. Im Buch stürzt sich ein Filmregisseur in den Tod, vorher jedoch bespricht er Tonbänder, die der Protagonist nun abhört und kommentiert. Allein dadurch schon gelinge es dem Autor, die Grenze zwischen Leben und Tod zu verwischen, Vergangenheit und Gegenwart zu verbinden. Hier fühlt sich der Kritiker an Samuel Becketts "Das letzte Band" erinnert. Beeindruckender noch findet er die undramatische Art, mit der Oe die Schrecken der Nachkriegszeit schildert, die "Beiläufigkeit", mit der er sich Themen wie Missbrauch und Demütigung nähert. Ein "sehr subtiles, persönliches Buch", lobt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.09.2005

Marion Löhndorf ist von diesem Roman des japanischen Autors Kenzaburo Oe sehr beeindruckt, weist aber darauf hin, dass sich die Leser auf eine "labyrinthische" und deshalb anstrengende Lektüre gefasst machen müssen. In dem Buch geht es um den Selbstmord des Schauspielers und Filmregisseurs Goro, über dessen Gründe sein Freund Kogito nachgrübelt. Viele Themen werden angeschnitten und es braucht lange, bis man die Zusammenhänge der zahlreichen Details versteht, betont die Rezensentin. Dabei sei "Tagame" unschwer als "kaum verhüllter Schlüsselroman" zu erkennen, mit Goro ist der Filmemacher Juzo Itami beschrieben, bei Kogito handelt es sich um Oe selbst, weiß Löhndorf. Durch die Genauigkeit der vielen Details wird der Geschichte die "Authentizität eines dokumentarischen Werks" verliehen, findet sie, und wenn durch die zahllosen "Querverweise", das Springen zwischen verschiedenen Zeitebenen und das Verknüpfen von Politik, Film, Kunst und Biografie ein äußerst "komplexes" Gebilde entsteht, so macht die "Unmittelbarkeit und Dringlichkeit des Schreibens" die Mühsal der Lektüre wieder wett, so Löhndorf überzeugt. Am Ende allerdings sind bei allem Streben, der "Wahrheit" näher zu kommen, nicht alle Fragen geklärt und die "größten Rätsel" bleiben ungelöst, stellt die Rezensentin abschließend fest.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.09.2005

Kenzaburo Oe rekonstruiert das Leben und den Freitod seines Freundes und berühmten Filmregisseurs Juzo Itami, erläutert Rezensent Stefen Gnam, und entwickele dabei seine bisherigen Themen und Ausdrucksmittel weiter. In diesem Spätwerk, so Gnam, versuche Oe eine "ambitionierte Synthese der Künste, Kulturen und Kulturtechniken". Ein gewisser Kogito, referiert der Rezensent die Story, erhält im Roman von seinem Freund Goro kurz vor dessen Tod fünfzig mit Lebenserinnerungen besprochene Kassetten. Aufgrund der Erinnerungen und Beichten seines Freundes fährt Kogito nach Berlin auf der Suche nach der Geschichte seines Freundes und den wahren Ursachen seines Selbstmordes. "Psychoanalytisch grundiert" nennt der Rezensent diese Rekonstruktion, die das Leben Goros vor dem Horizont der japanischen Nachkriegsgeschichte zu verstehen sucht. Mit der Geschichte Goros gelinge Kenzaburo Oe zugleich eine Chronik "kollektiver Bewusstseinsveränderungen". Tagame, so der Rezensent, sei Oes "leisestes und vielleicht auch persönlichstes Werk". Aufgrund seiner komplexen Struktur sei es zwar "sperrig" zu lesen, die Kernfragen verliere der Autor aber nie aus dem Auge.
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