Soazig Aaron

Klaras Nein

Tagebuch-Erzählung
Cover: Klaras Nein
Friedenauer Presse, Berlin 2003
ISBN 9783932109324
Gebunden, 188 Seiten, 19,50 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Grete Osterwald. Mit einem Vorwort von Jorge Semprun. Klara hat 29 Monate im Konzentrationslager Auschwitz verbracht, bevor sie im Pariser Hotel Lutetia von ihrer Schwägerin Angelika aufgegriffen wird. In einer Irrfahrt hatte sie halb Europa durchquert, und nach Dresden, Linz, Prag und Krakau schließlich für drei Wochen in ihrer in Trümmern liegenden Geburtsstadt Berlin Station gemacht. Ende Juli 1945 - Klara ist unter den letzten heimgekehrten Überlebenden, bis zur Unkenntlichkeit abgemagert - beginnt Angelika ein Tagebuch, um festzuhalten, wie sie die Freundin, eine aus Frankreich deportierte Deutsche, nach ihrer Rückkehr erlebt. Sie notiert, was diese sagt, was ihr auffällt, und es ist das Unsagbare, das Unaussprechliche, das sich durch Klaras Stimme, in Bruchstücken und unter größter Anstrengung, nach und nach mitteilt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2004

Jürg Altwegg hat dieses Buch merklich erschüttert, weil es die "Realität der Entfremdung und der absoluten Entmenschlichung", die Juden in deutschen KZs erleben mussten, mit einer solchen Intensität nachzeichnet, dass es die besten autobiografischen Texte über Auschwitz erreicht - und vielleicht sogar überholt. Die Überlebenden: sie waren, schreibt Altwegg, auch danach noch gefangen. "Ihre Phantasie und ihre Freiheit waren gestorben - weit über 1945 hinaus." Die Freiheit der Fiktion, sie war ihnen unerreichbar, anders als Soazig Aaron, die 1949 geboren wurde. Ihr Roman erzählt von einer Überlebende, die nach Paris heimkehrt, doch viel zu spät. Sie will ihre Tochter nicht sehen, verhält sich eigenartig. Ein Geheimnis schwebt über der Geschichte, die Aaron ausgeklügelt inszeniert, "sprachlich hochstehend", "mit jedem Satz" den Freiheiten gerecht werdend, die sich sie nimmt. Auch und vor allem, so Altwegg, gegenüber der "Ästhetik der Erinnerungsliteratur". Mit diesem Buch beginne ein "neues Kapitel der Auschwitzliteratur".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.02.2004

Die Rezensentin Ruth Spietschka gefällt dieses Buch sehr gut, auch wenn sie angesichts der Präsentationsform als Tagebuch zunächst "ein weiteres Kapitel in der endlosen Geschichte der Erinnerungsliteratur" über den Holocaust erwartet. Doch dem ist nicht so. Das Buch ist Fiktion und es geht darin auch weniger um die Zeit ins Auschwitz als darum "was diese Ereignisse aus den Überlebenden gemacht haben". Die Authentizitätsdebatten zum Thema will die Rezensentin hier deshalb gar nicht aufgreifen, sie ist einfach nur beeindruckt von dieser fiktionalen Abhandlung, die "Überzeugungskraft durch literarische Verdichtung gewinnt, ohne je platt zu werden oder in Kitsch abzurutschen". Im Mittelpunkt des Romans steht ihrer Meinung nach die Frage, wie man das Geschehene überhaupt nur kommunizieren kann.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.02.2004

Schade, dass das "ambivalente Flimmern" des Originaltitels "Le non de Klara" nicht ins Deutsche zu bringen sei, bedauert Angelika Overath. "Non" (Nein) und "nom" (Name) klängen auf Französisch gleich und ermöglichten somit ein Wortspiel, das im Deutschen nicht zu retten sei, erklärt Overath. Überhaupt verweigert der Text alles Eindeutige, stellt die Rezensentin fest. Die Tagebuchschreiberin Lika versucht ihre Freundin Klara in die Kontinuität einer Biografie einzubinden, mit ihr ein Stück Normalität nach der Rückkehr aus Auschwitz zu erkunden und zurückzugewinnen. Doch der Text täuscht, weil sich die Tagebuchschreiberin täuscht, schreibt Overath fasziniert von dieser Suche nach Wahrheit, die nicht auf einer authentischen Geschichte beruht, sondern "Fragmente der Wirklichkeit nach Auschwitz" erfindet. Das Faktische sei ja bekannt, begründet Overath ihre Begeisterung, aber sei Auschwitz darum vorstellbar? Mit größtmöglicher Sensibilität erkunde Aaron psychische Vorgänge und nur so könnten bestimmte Erfahrungen im kollektiven Gedächtnis überdauern.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.12.2003

Diese Erzählung in Tagebuch-Form spielt in den Monaten Juli bis September 1945 und im Mittelpunkt steht die deutsche Jüdin Klara, die aus Auschwitz zurückgekehrt ist, hart und von "merkwürdiger Gleichgültigkeit" nicht nur ihrer Umwelt, sondern vor allem ihrer kleinen Tochter gegenüber, mit der sie nichts mehr zu tun haben will. Gänzlich überzeugend ist das nicht geschildert, meint die Rezensentin Ruth Klüger, jedenfalls "vom psychologischen Standpunkt". Wahr sei es dennoch, als Aussage über einen Menschen, "der sich in einem ethischen Niemandsland aufgehalten hat", für den die Welt nicht mehr dieselbe sein kann wie für die anderen. Das Buch ist ein Wagnis, aber, so Klüger, ein gelungenes. Nicht weil die nach dem Krieg geborene Autorin abschließende Antworten findet, sondern im Gegenteil: weil sie auf jeden "Schlussstrich" verzichtet. Genau das mache den Band zum "intensiven und intellektuell herausfordernden Beispiel".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.10.2003

Dieses Buch ist ein wirkliches "Wagnis", schreibt die Rezensentin Franziska Augstein, denn - ja, es handelt von der aus Auschwitz nach Paris zurückgekehrten Klara, doch nein, Soazig Aaron war nicht im Lager, und dies ist trotzdem ein Roman (dazu noch ihr erster), der von Auschwitz als "Erfahrung" handelt. Doch ergänze sie diese Erfahrung um eine wichtige Facette: um die Perspektive "derjenigen, die leben mit den Überlebenden". Aarons Buch, erklärt die Rezensentin, ist eigentlich das Tagebuch von Klaras Freundin Lika, die mit Klaras kategorischem "Nein", ihrer "Unnahbarkeit" und ihrer "seelenruhigen Arroganz" fertig werden muss und will. Klaras Nein, ihr "Schweigen", gehe so tief, dass es alle, die ihr begegnen, gefangen nehme und lähme. Erst langsam bahne sich die Sprache einen Weg, doch nicht in die Heilung, sondern nur in ein "Sich-Öffnen". Dass dies innerhalb weniger Wochen geschieht, mag dem Leser etwas unwahrscheinlich vorkommen und ihn "misstrauisch" machen, meint die Rezensentin, doch der Schlüssel dazu finde sich in Klaras kleiner Tochter, die bei Freunden aufgewachsen sei. Ohne das "Sich-Öffnen" könne Klara nicht verständlich machen, warum sie ihre Tochter nicht sehen will, und warum sie will, dass man ihr sagt, ihre Mutter sei in Auschwitz umgekommen. Warum ein so starker Text, in dem jeder Satz stimmt, und den Grete Osterwald gekonnt ins Deutsche übersetzt hat, vom Suhrkamp Verlag abgelehnt wurde, kann die Rezensentin beim besten Willen nicht nachvollziehen.
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