Frank Witzel

Direkt danach und kurz davor

Roman
Cover: Direkt danach und kurz davor
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2017
ISBN 9783957574770
Gebunden, 552 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Deutschland in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Es herrscht Krieg im Frieden, aller Umerziehung zum Trotz. Körperteilopferungen werden ausgestellt und das Waisenhaus brennt. Flugzeuge stürzen ab, Züge entgleisen, die Pläne zur Weltmechanik sind unauffindbar. Kinder gründen eine neue Religion und ersticken unter Lawinen. Der begabte Zögling Fählmann verlässt das Waisenhaus nicht mehr. Der Kretin hängt unter der Decke und beobachtet seine Eltern. Siebert steht am Fenster. Er wartet auf Marga. Doch Marga scheint verschwunden. Ihr Körper nicht mehr auffindbar. Ein Chor unterschiedlicher Stimmen fragt in diesem unheimlichen Buch von Frank Witzel unermüdlich nach dem, was wirklich geschah. Die Stimmen versuchen, Geschichte durch Geschichten zu erfassen. Sie tasten nach Gründen und werfen mit jeder Frage neue Fragen auf. Gewissheit wird zur Illusion, das Imaginierte zum letzten Zufluchtsort. So steigt der Leser immer tiefer in die Bodenlosigkeit von Geschichte und sieht hinab in das Grauen des Menschenmöglichen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.12.2017

"Avantgardistisch, aberwitzig", schlicht brillant findet Rezensentin Katharina Teutsch den neuen Roman von Frank Witzel, der ihr vom Schweigen der Nachkriegszeit erzählt. Alexander Mitscherlich, vor allem aber Victor Klemperers "Lingua Tertii Imperii" vernimmt die Kritikerin, wenn Witzel Alltags- und Wissenschaftssprache, Literatur, deutsche Märchen, Mythen und "Kahlschlagprosa" gegeneinander schneidet und analysiert, um der Frage nachzugehen, wie es zur "dunklen Epoche" kommen konnte. Zwischen fingierten Lexikoneinträgen, Klappentexten erfundener Nachkriegsromane, Listen von Eugeniker-Arzthelferinnen, "theologischen Bonmots", Perspektiven, Registern und Szenen springend, verliert die Rezensentin zwar bisweilen den Überblick - atemlos und staunend stellt sie aber fest: Witzel hate die Literatur der Nachkriegszeit von ihrem "ewigen Unsagbarkeitstrauma" befreit.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.10.2017

Lothar Müller geht's zu theoretisch zu in Frank Witzel neuem Roman. Auch wenn er den Erfindungsreichtum des Autors bewundert, der hier gern Listen und begriffliche Exerzitien führt, der Funke springt nicht über, meint Müller. Wenn Witzel die Nachkriegszeit und ihr unheimliches Grundgefühl ins Zentrum seines Texes stellt, weiß Müller vor lauter Konjunktiv und Konzept nicht mehr, ob er sich noch in einem Roman befindet oder eher in einem Lexikon des Volksaberglaubens. Der Literatur derart den Realismus auszutreiben, wäre ja vielleicht nicht nötig gewesen, meint der Rezensent bei allem Respekt vor diesem "opulenten Gestöber des Unheimlichen".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.08.2017

Rezensent Tilman Spreckelsen kommt nicht gut klar mit Frank Witzels Methode, bei seiner tief in die Historie ausgreifenden Erzählung über eine namenlose Stadt und der Vielzahl der berichtenden Stimmen die Verlässlichkeit zu vernachlässigen. Was wahr, was ausgedacht, was Behauptung, was Widerlegung ist, vermag der Rezensent am Ende nicht mehr zu sagen - und mag es auch nicht. Mehr als Atmosphäre ergibt das nicht, meint Spreckelsen, kein annähernd vollständiges Bild, kein konturiertes Personal. Gegend, Personen und die Zeit der Nachkriegs-BRD scheinen dem Rezensenten beim Lesen immerhin vorzuschweben. Dass Witzel das Erzählen darüber hinaus auch noch kommentierend problematisiert, wäre aber wirklich nicht nötig gewesen, findet Spreckelsen.
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