Karen Duve

Taxi

Roman
Cover: Taxi
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783821809533
Gebunden, 313 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Eine ziellose Jugend, eine spießige Familie, eine frustrierende Ausbildung - da kommt die Annonce "Taxifahrerin gesucht" schon fast wie die Rettung schlechthin daher. Auch wenn Alex Herwig leider ein Gedächtnis wie ein Sieb hat. Trotzdem büffelt sie Straßennamen und Wegstrecken - und hat das Glück auf einen extrem gnädigen Prüfer zu treffen. Bald sitzt sie zum ersten Mal im Wagen und schwitzt Blut und Wasser, weil sie die Straße nicht kennt, nach der ihr erster Fahrgast fragt. Und Alex wird - halb wider Willen - von einer Kollegen-Clique aufgesogen, die aus abgebrochenen Studenten, gescheiterten Künstlern, misanthropischen Gar-nicht-Akademikern und frauenfeindlichen Verklemmten besteht - bis sie Marco trifft, einen extrem kleingewachsenen, aber umso bestimmter agierenden jungen Mann ... Karen Duve erzählt von einer jungen Frau, der das Leben nichts schenkt, die einen Beruf hat, in dem sie andauernd Leute trifft, denen das Leben erst recht nichts schenkt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.07.2008

Großes Leseglück gibt Rezensent Samuel Moser nach der Lektüre von Karen Duves Taxiroman zu Protokoll, der ihm manchmal wie eine moderne Odyssee erschien und mit vielen kleinen Geschichten und biografischen Fetzen entrückte. Das Wunderbare an diesem Buch ist für Moser, dass es weder eine sozialkritische Reportagensammlung noch ein Buch über das Leben einer Taxifahrerin, sondern ein Buch über das Lesen ist. Karen Duves Heldin fahre Taxi, um Geschichten zu sammeln, die sich später auch erzählen ließen. Einsteigen, Aussteigen, dazwischen blicke man flüchtig auf eine Episode, ein Stück Leben, eine Geschichte. Auch das Leben der Erzählerin funktioniere nach diesem Muster. Wenn sie aus dem Taxi steige, verschwinde sie. Taxitür zu. Buch zu.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.05.2008

Gisa Funck entdeckt in diesem Roman vieles von dem wieder, was sie aus früheren Texten Karen Duves bereits kennt: Das negative Heldinnen-Schema, der "unsentimental-lakonische" Duve-Sound, die Beobachtungsgabe und die Fähigkeit der Autorin zu pointierter Beschreibung. Wenn Duve also ihren mit eigenen Erfahrungen aus Taxifahrerinnenzeiten gefüllten Zettelkasten plündert, um die auf den Kopf gestellte education sentimentale an ihrer Heldin zu vollziehen, überfällt die Rezensentin auch schon mal die Müdigkeit, "abgrundtief bittere, treffsichere" Sätze allerdings holen sie immer wieder schnell zurück zum Text.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.05.2008

Ganz eingenommen ist Rezensent Jürgen Verdofsky von Karen Duves viertem Roman "Taxi". Er sieht ihr Erzählen "so nah an der biografischen Selbstgewissheit wie nie zuvor". Duve, lange selbst Taxifahrerin, erzählt die Geschichte von Alexandra, die in den achtziger Jahren im nächtlichen Hamburg Taxi fährt. Fasziniert folgt Verdofsky ihren Fahrten im Fluss des Großstadtbetriebes, den banalen und bedrohlichen Situationen, mit schweigenden Fahrgästen oder solchen unter Rede- und Bekenntniszwang. Das dominierende Gefühl ist für ihn dabei weniger der Schrecken als das der Leere, die für Alexandra auch durch die Clique der Taxifahrer nicht kompensiert werden kann. Verdofsky bescheinigt der Autorin, mit "Filmtempo" und "Expression" zu erzählen, mit "Sprachwitz" und "Lakonie". Für ihn ein "seltenes" Buch: "Schonungslos und wahrhaftig, doch eine unerschütterliche Ironie unterläuft jede Vereinfachung".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.05.2008

Rezensent Dirk Knipphals gibt sich in seiner eingehenden Kritik viel Mühe, dem neuen Roman von Karen Duve Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, doch seine Bilanz fällt negativ aus. Die Autorin, die er als Meisterin von Schlechte-Laune-Beschreibungen würdigt, schildert in ihrem Roman das irgendwie ins Leere laufende Leben ihrer Ich-Erzählerin, die sich als Taxi-Fahrerin im Hamburg der 80er Jahre über Wasser hält. Keine Frage, in der Schilderung von anekdotischen Begegnungen mit den verschiedensten Fahrgästen glänzt die Autorin, und sie hat in diesem Roman durchaus viele im Gedächtnis haften bleibende Episoden versammelt, lobt der Rezensent ausdrücklich. Was ihm fehlt, ist der Bogen, der die geglückten Episoden zu einem großen Ganzen spannt. In der Konzentration auf die glücklose Heldin wirkt der Roman auf Knipphals zudem reichlich narzisstisch. Die anderen, im Lauf des Buches auftretenden Figuren bleiben für Knipphals dagegen ziemlich blutleer; insbesondere die weiblichen nerven ihn durch ihre Negativität und "Entscheidungsschwäche". Den Schluss schließlich, bei dem die Hauptfigur mit einem Affen als letztem Fahrgast einen Unfall mit Totalschaden baut, findet Knipphals völlig "misslungen". Ach, was hätte aus diesem Taxi-Roman alles werden können, klagt der Rezensent, der der Autorin am Ende sogar "Arbeitsverweigerung" vorwirft, weil sie zwar viel angerissen, aber nichts so recht durchgearbeitet habe.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.05.2008

Beeindruckt hat Rezensent Burkhard Müller Karen Duves neuen Roman beiseite gelegt. Nicht nur wegen seines hohen Glaubwürdigkeitspotenzials sondern auch, weil er dieses dreihundert-Seiten-Werk trotz seines klischeegefährdeten Themas auch ästhetisch bedeutend findet. Mit großer Ausführlichkeit widmet er sich den Motiven und Handlungssträngen des Buchs, stellt die Protagonisten des Romans, den taxifahrenden Philosophen Rüdiger und seine Freundin, die taxifahrende Ich-Erzählerin vor. Es ist vor allem die geschilderte existenzielle Trostlosigkeit, die dem Rezensenten immer wieder ans Herz greift. Aber auch sein Gehirn wird bezüglich der verhandelten Fragen des Lebens auf das Schönste aktiviert. Zwar empfindet Müller nach hundert Seiten eine gewisse Ermüdung ob der Wiederkehr des ewiggleichen monotonen Taxi-Alltags samt seiner Fahrgäste, Anekdoten und Betrachtungen. Doch er ahnt, dass hier die geschilderte Wahrheit all der unerfüllten Leben nun auch formal in ihrer ganzen quälenden Wahrheit zu Tage tritt. Weshalb er vor der herben Schnörkellosigkeit des Stils, mit dem Duve hier die Grautöne des Lebens in unendlicher Feinabstufung präsentiert, erst recht tief seinen Hut zieht und am Ende sogar eine Anspielung auf Büchners Erzählung "Lenz" nicht scheut, um den Rang dieses Romans zu betonen.
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