Jens Rehn

Nichts in Sicht

Roman
Cover: Nichts in Sicht
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783895611476
Gebunden, 164 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Ein deutscher U-Boot-Matrose und ein amerikanischer Pilot treiben in einem Schlauchboot im Atlantik; der Amerikaner - schwer verwundet - stirbt am dritten Tag, der Deutsche verdurstet eine Woche später qualvoll: "Die See zeigt sich unbewegt und ohne Anteilnahme, wer auf ihr herumtreibt." Ohne Sentimentalität oder Pathos beschreibt Jens Rehn Menschen in der extremsten Situation: dem Tod ausgeliefert, ohne jede Hoffnung, nichts in Sicht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.03.2004

Christoph Bartmann zeigt sich beeindruckt von Jens Rehns Roman, der nach fünfzig Jahren neu aufgelegt wurde. Die Geschichte eines deutschen Matrosen und eines amerikanischen Piloten, die auf einem Schlauchboot im Atlantik dem Tod entgegenfahren, sei nach wie vor packend, was allein schon an der Thematik liege. Zudem beeindruckt Bartmann der kalte und sachliche Stil des ehemaligen Offiziers Rehn, selbst wenn dieser gegen Ende des Romans von "mächtigem Pathos" überlagert werde, das sich mit dem Bewusstseinsschwund des Protagonisten einstelle. Das Fazit des Rezensenten: "ganz bestimmt ein bemerkenswertes Dokument".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.02.2004

Hermann Kurzke kann mit Jens Rehns Weltsicht sichtlich nichts anfangen. "Nichts in Sicht" ist für ihn ein Roman, der "die ganze Hilflosigkeit der 50er Jahre" widerspiegelt, keine Ursachenanalyse zuwege bringt und stattdessen "gläubig" dem Nihilismus huldigt. Man reduziere nur kräftig, spottet Kurzke, dann bekommt man einen existentialistischen Roman wie diesen: zwei monadenhafte Existenzen ohne Namen und Lebensgeschichte, die im Schlauchboot auf dem Ozean treiben und "das Spiel 'der Mensch in der Grenzsituation' aufführen". Dass die beiden Männer (auch das passe zusammen, ätzt Kurzke: Männer und Existentialismus) nicht über Hitler und den Krieg nachdenken, die sie nämlich in jene missliche Lage gebracht haben, sondern allgemein über das Sein und das Nichts, wundert Kurzke kaum noch. Ein "Gefängnis der Paradoxie", konstatiert er, aus dem Rehn, selbst im Krieg U-Boot-Kommandant und später Literaturredakteur beim RIAS, nicht herausfände. Kurzke stört aber vor allem Rehns fromme Haltung gegenüber dem Nihilismus: wenn schon Gottesverzweiflung und -anklage, dann auch bitte bis zum bitteren Ende, fordert er. Und nicht wie bei Rehn mit tröstlichem Subtext.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.12.2003

Seltsam, dass diesen Schriftsteller heute keiner mehr kennt, obwohl namhafte Kritiker wie Martin Walser, Marcel Reich-Ranicki und sogar Gottfried Benn 1954 bei Erscheinen seines Romans "Nichts in Sicht" sehr positiv darüber geschrieben hatten, wundert sich Ursula März. Bei näherer Betrachtung erschließt sich ihr die Frage, warum dieser Roman trotz seiner Thematik keine Aufnahme in den Kanon der Nachkriegszeit gefunden hat: stilistisch schließe Jens Rehn (der insgesamt nur drei Romane und einen Erzählband veröffentlicht hat) eher an Beckett und Camus als an deutsche Nachkriegsautoren wie Böll oder Borchert an. Die minimalistische Szenerie und das reduzierte Personal erinnern März an Beckett, die existenzielle Fragestellung an Camus. Und wie bei letzterem brennt auch bei Rehn gnadenlos die Sonne auf das kleine Boot herunter, das mit zwei verwundeten Soldaten im Ozean dem Tod entgegentreibt. Die Sonne steht als unbarmherzige Zeugin für die Passivität Gottes, analysiert März. Ihrer Meinung nach wurzelt Rehns Roman im philosophischen Gottesdiskurs der Moderne, wie ihn sonst kein anderer deutscher Roman zu der Zeit aufgenommen hat. März hält den Roman für einen bedeutsames Buch, das verdientermaßen nun einen dritten publizistischen Anlauf nimmt. Wohl kaum gebe es etwas aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, sinniert März, das "weniger vom Krieg und mehr vom Sterben" gehandelt hätte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.11.2003

Mit "Nichts in Sicht" traf Jens Rehn Ton und Befindlichkeit seiner Generation, charakterisiert Iris Denneler diesen neu aufgelegten Roman aus den 50er Jahren, der seiner Zeit von Gottfried Benn begeistert begrüßt wurde. Benns Parole hieß "kalt halten", weiß Denneler, eine Schreibanweisung, der auch der 1918 geborene Rehn folgte. "Nichts in Sicht" ist insofern ein Kriegsroman, als er von zwei in einem Schlauchboot auf dem Atlantik treibenden Soldaten berichtet, die eben noch Kriegsgegner waren, doch jetzt gemeinsam dem Tod entgegenfahren. Von aufgeregten Kriegshandlungen keine Spur, berichtet Denneler, Rehn habe seine Auseinandersetzung mit den Folgen des Krieges als existenzielle Parabel angelegt. Das traurige Ende sei von vornherein klar, fast protokollarisch berichte Rehn ganz ohne Pathos und tragische Klimax von den letzten Tagen auf See, wo "Nichts in Sicht" ist und kommt.