John Maynard Keynes

Freund und Feind

Erinnerungen
Cover: Freund und Feind
Berenberg Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783937834009
Gebunden, 128 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Joachim Kalka. Mit einer Einleitung von Dorothea Hauser. Aus der Zeit, als John M. Keynes Mitglied der britischen Delegation in Versailles war, stammt diese Erinnerung an Carl Melchior, jüdischer Bankier aus Hamburg, Keynes Verhandlungspartner auf Seiten der besiegten Deutschen, ein Feind, der zum Freund wurde. Dies ist eine einzigartige Nahaufnahme der Monate nach Ende des Ersten Weltkriegs, die schicksalhaft für Europa wurden. Für seinen Biografen Robert Skidelski ist dieser Text, zusammen mit der hier erstmals auf deutsch veröffentlichten Erinnerung an Bloomsbury "das persönlichste und beste, was Keynes je geschrieben hat".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.07.2005

Mit den beiden Texten, die in einem Band des Berenberg Verlags vorliegen, hat sich John Maynard Keynes Karen Horns grenzenlose Bewunderung erschrieben. Man kann von den wirtschaftspolitischen Konsequenzen des Keynesianismus halten, was man will, meint Horn, aber "der Mann war ein Genie". Sowohl die Erinnerungen an das geistige Umfeld der Studienzeit in Cambridge als auch "Dr. Melchior" legten von Keynes schriftstellerischer Begabung ein "hinreißendes Zeugnis" ab. "Dr. Melchior" ist nach Horn nichts weniger als eine "Preziose der Zeitgeschichte". Keynes schildert darin seine Beobachtungen während der Gespräche zum Versailler Friedensvertrag nach dem Ersten Weltkrieg. Die "urkomischen, beißenden, snobistischen" Porträts, mit denen Keynes die Persönlichkeiten skiziiert, die er dort trifft, reißen Horn zu Begeisterungsstürmen hin. "Ein Hochgenuss."
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.12.2004

Detlev Claussen hat aus der Lektüre dieses "lesenswerten, schön gemachten" Buches mehrere Einsichten gewonnen. Zum einen erkennt er in Keynes' "altklugem Ton" die "unerschütterliche Selbstsicherheit" der Elite, in der Intellektualität und Macht nicht getrennt sind, "wie man es aus Deutschland gewohnt ist", sondern ungebrochen nebeneinander stehen. Den Rezensenten "ergreift" außerdem ein Erstaunen darüber, dass der Antisemitismus weder deutschlandspezifisch noch ein "spontanes Produkt von ungebildeten und verelendeten Unterschichten" ist. "Atemberaubend" findet er die Gleichzeitigkeit von "Klugheit und Borniertheit auf engstem Raum", die er vor allem beim zweiten Text bemerkt, in dem der fünfzigjährige Keynes seine früheren Überzeugungen reflektiert und kommentiert. Viel gelernt also beim Lesen dieses "kleinen, aber feinen Bandes".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.10.2004

Einen "Grund zum Feiern" sieht Rezensent Harold James im Erscheinen dieses "elegant ausgestatteten" und "vorzüglich übersetzten" Bands, der die beiden wichtigsten nicht-ökonomischen Essays des britischen Wirtschaftswissenschaftlers John Maynard Keynes enthält. James erkennt darin nicht nur einen Schlüssel zu Keynes Denken, sondern auch zu einer Geisteshaltung, die das Denken des 20. Jahrhunderts in seinen besseren Ausformungen stark geprägt habe. "Dieses Buch", befindet er, "atmet den Geist der Aufklärung in ihrer gequälten, für das 20. Jahrhundert typischen Form". Den erste Aufsatz, "Dr. Melchior. Ein besiegter Feind" , charakterisiert James als Reflexion über Keynes' Begegnung mit Carl Melchior während der Friedensverhandlungen von 1919 in Paris, Trier und Spa. Sehr anschaulich schildere Keynes die bedrückenden, irritierenden Bedingungen, unter denen in einer Atmosphäre von gegenseitigem Misstrauen, Hass und Kleinlichkeit Frieden geschlossen werden sollte. Hier gebe Keynes im Grunde eine einfache Lektion in praktischer Moral: Seines Erachtens könne man nur auf der Grundlage des freundschaftlichen Umgangs aufgeklärter Männer zu einer vernünftigen Lösung gelangen. "Höhepunkt" des Essays sind für James dann auch die Passagen, in denen sich zeigt, wie Keynes und Melchior miteinander zu sprechen vermögen, wie einstige Feinde durch Vernunft und gegenseitige Sympathie zu Freunden werden können. Im Aufsatz "Meine frühen Überzeugungen" hingegen äußere Keynes Zweifel, ob die aufgeklärte, liberale Vision des Cambridge vor 1914 wirklich genüge. Er hatte erkannt, so James, "dass die liberale Vision in stabilen Institutionen verankert werden musste. Die Freundschaft guter Menschen reichte nicht aus, die Welt zu reformieren."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.10.2004

Bei den vorliegenden zwei Texten, erklärt Rezensent Malcolm Dunn, handelt es sich um die schriftliche Fassung zweier Vorträge, die Maynard Keynes vor einem kleinen Kreis intimer Freunde, der sogenannten Bloomsbury Group hielt. In ihnen offenbare sich Keynes auf sehr persönliche Art, eine Art jedoch, die dem Rezensenten nicht so recht schmecken will, trotz des "ökonomischen Talents" des Autors. Im ersten Text schildere Keynes, Mitglied der englischen Delegation bei den Friedensverhandlungen 1919 in Versailles, seine Begegnung mit Dr. Melchior, einem Mitglied der deutschen Delegation. Man erfahre hier nicht nur Details über die Skrupellosigkeit, mit der die Siegermächte versuchten, von Deutschland alles irgend mögliche einzufordern, sondern auch welchen Anteil Keynes an den Verhandlungen hatte - den nämlich, dass er die deutsche Delegation davon überzeugte, "dies sei das Beste, was sich für Deutschland heraushandeln ließe". Irritierend findet der Rezensent zuweilen, dass Keynes über sämtliche Delegationsmitglieder - ob Freund oder Feind - abfällige Bemerkungen fallen lässt und ständig alles besser weiß als die anderen, die bestenfalls als "Dilettanten" gelten könnten. Im zweiten Memoirentext revidiere ein mittlerweile gereifter Keynes einige seiner "frühen Überzeugungen", ohne jedoch, glaubt man dem Rezensenten, an Selbstgefälligkeit eingebüßt zu haben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.09.2004

"Literarisches Meisterwerk", "glänzend geschrieben" - Henning Ritter hat in dem Nationalökonomen John Maynard Keynes einen vorzüglichen Schriftsteller entdeckt. Ausgezeichnet findet der Rezensent auch die Übersetzung dieser beiden unter dem Sammeltitel "Freund und Feind" nun endlich auf Deutsch vorliegenden Erinnerungstexte. Keynes beschreibt eine untergegangene Welt, eine Welt zwischen Cambridge und Bloomsbury, zwischen dem Vertrag von Versailles und G. E. Moores "Principia Ethica", geistreich bis zur Überheblichkeit, idealistisch bis zur Narretei. In dem Text "Meine frühen Überzeugungen" blickt der berühmte Wissenschaftler kopfschüttelnd auf die realitätsfremden Überzeugungen seiner Jugend zurück; in "Ein besiegter Feind" wendet er sich, gleichfalls kopfschüttelnd, dem lächerlichen Gebaren der Delegierten während der Versailler Friedensverhandlungen zu. Der Titel des letzteren Textes, so Ritter, bezieht sich auf eine mit dieser satirisch-scharfsichtigen Abrechnung dezent verwobene Liebesgeschichte, in der ein jüdischer Bankier aus Hamburg, einer der besiegten Feinde, die zweite Hauptrolle spielte.
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