Liao Yiwu

Wuhan

Dokumentarroman
Cover: Wuhan
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022
ISBN 9783103971057
Gebunden, 352 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Chinesischen von Hans-Peter Hoffmann und Brigitte Höhenrieder. "Wir müssen uns die Heimat mit der Seele zurück erkämpfen." Liao YiwuGleich nach dem Ausbruch des Corona-Virus reist der Bürgerjournalist Li in das Epizentrum der Katastrophe. "Weil er keine Angst vor Gespenstern hat", so die Stellenanzeige, findet er einen Job im Krematorium. Schnell begreift er, dass die offiziellen Opferzahlen nicht stimmen. Doch der kurze Augenblick, in dem er glaubt, die Wahrheit sagen zu dürfen, vergeht über Nacht: Er wird entdeckt, verfolgt und dokumentiert im Internet live, wie er brutal verhaftet wird.In diesem bestürzend aktuellen Dokumentarroman "Wuhan" führt uns Liao Yiwu in das Herz der ungelösten Fragen und erzählt die spannende Recherche der Hintergründe einer gewaltigen Vertuschung. Woher stammt das Virus und was geschah in Wuhan? Protokolle verschwinden, und neue Lügen zementieren die Geschichte vom heroischen Sieg der Partei - Propaganda, die die Menschen vergiftet wie das Virus.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.04.2022

Rezensent Fokke Joel liest gebannt die literarische Dokumentation Liao Yiwus, der den Beginn der Corona Pandemie in Wuhan nachzeichnet. Beginnend mit dem Bericht eines Journalisten, der der Vertuschung der vielen Corona-Toten durch den Staat auf die Schliche kommt, schreitet die Erzählung voran mit der Geschichte des fiktiven Historikers Ai Ding, der kurz nachdem Wuhan und weitere chinesische Großstädte zur Pandemiebekämpfung abgeriegelt wurden, versucht in die Stadt einzureisen und seine Erfahrungen und Beobachtungen schildert. Dem Rezensenten wird schnell klar, welch wichtige Rolle das Internet im autokratisch regierten Land spielt und allmählich ergibt sich ihm ein Eindruck von Chinas "Pandemiealltag", in dem Willkür, Korruption und Gewalt vorherrschen. Mit diesem Buch reihe der Autor sich in das Genre der dokumentarischen Literatur ein, wie Joel feststellt, und entwickelt ein "kunstvolles Patchwork" aus Dokumenten, Zitaten der chinesischen Literaturgeschichte und einer Erzählung, die so zwar nicht belegt ist, aber durchaus wahrhaftig erscheint, schließt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.03.2022

Rezensent Mark Siemons schätzt Liao Yiwus neuen Roman über einen Geschichtsdozenten auf hindernisreicher Heimreise nach Wuhan, wo das Virus wütet, für seine erzählerischen, humorvoll grotesken und zugleich zartfühlenden Passagen. Weniger gut gefällt Siemons, wenn der Autor News aus den sozialen Medien, Meinungen oder Ideen zum Besten gibt. Dann wirken die Figuren nur noch wie Informationsträger, und der "archaische" Ton wird hölzern, meint Siemons. Die Absurdität des städtischen Alltags zwischen Mao und Kapitalismus kann Yiwu allerdings vermitteln wie kein Zweiter, findet Siemons.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.02.2022

Der hier rezensierende Sinologe Tilman Spengler schätzt Liao Yiwus unnachgiebigen Blick auf die "dunklen Seiten" Chinas. Entsprechend gebannt liest der Kritiker auch dessen neuen Roman über die Pandemie in Wuhan, der ihn rasant zwischen Berlin und Wuhan hin- und herswitchen lässt: Virtuos nutzt Liao die Sprache der Internetkommunikation, um in Kurz- und Kürzesterzählungen über Gerüchte, Grausamkeiten und Regierungsanweisungen aufzuklären und sprachliche Schlupfwinkel jenseits der Zensur ausfindig zu machen, staunt Spengler. Dass die Sprache des Netzes dabei nicht immer vornehm ausfällt, ist in China nicht anders als hier, weiß der Kritiker. Nicht zuletzt verdankt er Liaos Dokumentarroman eindrückliche "Erinnerungstafeln" für Alltagshelden.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.01.2022

Neues, brisantes gar ist in Liao Yiwus Dokumentarroman über die Pandemie in Wuhan nicht zu erfahren, warnt Rezensent Thomas E. Schmidt vor. Und doch hält er das Buch für ein grandioses, bedeutsames Werk. Denn was der chinesische, im Berliner Exil lebende Autor und Friedenspreisträger hier an Blogeinträgen, Kommentaren oder Gedichten zu einem Roman verarbeitet, bietet dem Kritiker einen so präzisen wie "bestürzenden", auch "sarkastischen" Einblick in die Stimmung in China. Erzählt wird die Geschichte von Ai Ding, einem Alter Ego des Autors, der nach Berichten eines Freundes von Berlin aus nach China fliegt, um sich ein Bild des Wahnsinns in Wuhan zu machen. Ai trifft auf Hass gegen Minderheiten, auf Bürokraten und mutige Bürgerjournalistin, versucht dem Virus auf die Spur zu kommen, bereist aber auch symbolische chinesische Orte und reflektiert über chinesisches Kulturgut, resümiert Schmidt. Bisweilen erscheint ihm Liao Yiwus Held wie ein "Nachfahr des Mönches Tripitaka", der Roman selbst wie "wahrhafte Dichtung". Vor allem aber staunt der Kritiker über die Nüchternheit, mit der der Autor das "Unappetitliche" aber auch den Mut der einfachen Leute schildert. Ein großes Dokument der "inoffiziellen" chinesischen Geschichtsschreibung, meint er.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.01.2022

Rezensentin Katharina Borchardt kann ihn gut haben den "wüsten Witz" des chinesischen Autors Liao Yiwu, an dem er auch in "Wuhan" nicht spart, obwohl dieser Dokumentarroman den Anfängen der Corona-Pandemie nachspürt. Natürlich, gesteht Borchardt zu, kann auch der in Berlin lebende Yiwu nichts Neues über die Urspünge des Coronavirus in Wuhan - ob nun im Virologischen Institut oder auf dem Markt - sagen, aber wenn er seinen fiktiven Historiker Ai Ding auf die Reise von Berlin nach Wuhan schickt, kann er viel über das Leben in der abgeriegelten Stadt erzählen und auch über all die mutigen Bürgerjournalisten, die noch ihre eigene Verhaftung live streamten. Das bewegt und beeindruckt die Rezensentin so sehr wie sie derbe "Schimpfkanonaden" und Wissenschaftsjargon in diesem auch stilistisch hybriden Buch fordern.