9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

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1210 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 121

9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.03.2023 - Internet

Michael Hanfeld hat sich für die FAZ eine Studie des Institute for Strategic Dialogue (ISD) und der Organisation CASM Technology über Twitter angesehen, die einen starken Anstieg antisemitischer Inhalte seit Elon Musks übernahme feststellt: Sie "zeigt in Einzelheiten, was geschieht, wenn eine digitale Plattform die Beobachtung hetzerischer Inhalte schleifen lässt: So habe sich die Zahl neuer antisemitischer Konten nach Musks Machtübernahme mehr als verdreifacht. Zwar scheine der Anteil antisemitischer Inhalte, die Twitter entfernte, seit Musks Antritt gestiegen zu sein. Doch habe dies 'nicht mit dem Anstieg der antisemitischen Inhalte insgesamt Schritt gehalten'." Eine Anfrage der Antisemitismusbeauftragten von Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, beantwortete die Presseabteilung von Twitter mit einem "Kackhäufchen-Emoji".
Stichwörter: Twitter, Antisemitismus

9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.03.2023 - Internet

"Künstliche Intelligenz muss ein Werkzeug bleiben, über das der Mensch die Kontrolle behält" - das ist die wesentliche Botschaft, die Andrian Kreye in der SZ aus dem 287seitigen Papier des Deutschen Ethikrats zu den Herausforderungen der KI mitgenommen hat. Probleme dürfte es künftig nicht nur bei Urheberrechtsfragen, sondern ganz allgemein bei Fragen der Verantwortung geben, meint Kreye: "Weil man nach den Kriterien des Ethikrats davon ausgehen müsste, dass eine KI immer nur ein Werkzeug ist und somit alle Dinge, die ein Mensch damit schafft, auch das Werk dieses Menschen sind, egal wie einfach die Maschine den schöpferischen Akt gemacht hat. Was dann sofort die Frage nach sich zieht - wenn die Maschine die Rechte für so ein Werk hat, beziehungsweise diese Rechte einfach ausgehebelt werden, wer trägt dann die Verantwortung? Kehrt man zum KI-Bericht des Ethikrats zurück, stellt sich dann die Frage, wird KI in der Medizin eingesetzt, trägt sie dann auch einen Teil der Verantwortung für die Behandlung? Kann man einen Computer auf Kunstfehler verklagen?"

"Wir sind zu dem Schluss gekommen: Im engen Sinne können Maschinen nicht handeln und dementsprechend auch keine Verantwortung übernehmen", betont die Philosophin Judith Simon, Mitglied des Ethikrats, entsprechend im FR-Gespräch mit Lisa Berins, in dem sie auch Vermutungen darüber anstellt, welche Jobs durch KI wegfallen könnten: "Der Journalismus wird sicher unter Druck geraten, da KI gerade standardisierte Texte schneller und somit billiger als menschliche Redakteurinnen und Redakteure verfassen kann. In allen Bereichen, in denen eine gewisse Standardisierung eine Rolle spielt, in denen nach bestimmten Schemata gearbeitet wird, ist KI ein Gamechanger: bei Vertragsprüfungen etwa - aber auch in der Kulturproduktion. Krimis, TV-Serien - die laufen nach bestimmten Mustern ab. Und KI ist nun mal ziemlich gut darin, Muster mit leichten Variationen zu reproduzieren."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 20.03.2023 - Internet

Künstliche Intelligenz ist oft natürlicher als wir glauben. Hinter den schicken Oberflächen stecken Millionen Menschen, die ausgebeutet werden, sagt die kritische Tech-Forscherin Milagros Miceli im Gespräch mit Chris Köver von Netzpolitik: "Smarte Kameras sind ein gutes Beispiel dafür. Einige dieser Systeme werden als KI-gesteuert verkauft, aber die Technologie ist noch nicht so weit. Wenn man hinter den Vorhang schaut, handelt es sich nur um eine Gruppe von Menschen, die rund um die Uhr Kameras überwachen. Diese Menschen sind unterbezahlt und arbeiten in der Regel unter furchtbaren Bedingungen, etwa in Afrika oder Süd- und Mittelamerika. Mein Forscherkollege Antonio Casilli hat gerade einen solchen Fall aus Madagaskar vorgestellt: 35 Menschen leben in einem Haus mit nur einer Toilette. Diese Menschen stecken in Wahrheit hinter einem vermeintlich intelligenten Kamerasystem."
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9punkt - Die Debattenrundschau vom 16.03.2023 - Internet

Die Chinesen haben ein Problem mit der KI: das I darin darf nicht zu sehr hervortreten. Trotzdem wären sie gern Weltmeister auf dem Gebiet und entwickeln mit "Ernie" gerade eine Konkurrenz zu Chat-GPT, berichtet Kai Strittmatter in der SZ: Doch eine Furcht treibt "Zensoren und in ihrem Gefolge auch die Entwickler in China: Was, wenn die neuen Bots auch in China so außer Rand und Band geraten, wie sie das in den USA bisweilen tun? Was, wenn einer aus Versehen den Dalai Lama mag, Taiwan zu einem eigenen Staat macht oder das Leid der Uiguren beklagt? Die Erinnerung ist noch frisch an zwei chinesische Urahnen von Ernie und ChatGPT: Im Auftrag des Tencent-Konzernes beantworteten die Bots BabyQ und Xiaobing 2017 Nutzerfragen. Auf den Zuruf 'Lang lebe die KP' antwortete BabyQ mit einer Schimpftirade über das 'korrupte und unfähige' System, und Xiaobing fand, befragt nach Xi Jinpings Parole vom 'Chinesischen Traum', das sei wohl eher 'ein Albtraum'. Man hörte nie wieder etwas von den beiden."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 02.03.2023 - Internet

"Künstliche Intelligenz wird wahrscheinlich vieles eliminieren, was im 20. Jahrhundert noch die Grundlagen für das Funktionieren der Gesellschaft waren: Die meisten Formen der Industrialisierung. Das Urheberrecht. Marken", sagt KI-Entwickler Mark Rolson, der im SZ-Gespräch mit Andrian Kreye auch einen Blick in die nächste Zukunft wird: Bald "wird es nämlich keine Apps mehr geben, sondern eine künstliche Intelligenz, die all die Wünsche erfüllt, für die man derzeit auf dem Smartphone noch nach einer App sucht. Man wird mittels eines Sprachbefehls einfach formulieren, was man gerade braucht."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 25.02.2023 - Internet

Slavoj Zizek macht sich in der Berliner Zeitung große Sorgen über die Künstliche Intelligenz, wie sie sich etwa in dem Textroboter ChatGPT manifstiert: "Kurz gesagt, das Problem entsteht, wenn der Mensch, der mit einem Chatbot Nachrichten austauscht, schmutzige Sprache verwendet oder heftige rassistische und sexistische Bemerkungen macht, und der Chatbot, der so programmiert ist, dass er auf dem gleichen Niveau wie die an ihn gerichteten Fragen antwortet, im gleichen Tonfall antwortet. Die offensichtliche Antwort ist eine Art von Regulierung, die klare Grenzen setzt, das heißt Zensur - aber wer wird bestimmen, wie weit diese Zensur gehen soll?"

9punkt - Die Debattenrundschau vom 13.02.2023 - Internet

Im Interview mit der taz sieht der Medienforscher Wolfgang Schulz keinen Anlass für Weltuntergangsphantasien, bloß weil KI jetzt Text kann. Könnte ja auch was Gutes dabei rauskommen, meint er. "Grundsätzlich hat eine neue Technologie immer ein großes Potenzial für den Markt. Denn kleine Unternehmen bekommen eine Chance, die großen mit ihren teilweise monopolartigen Strukturen in Bedrängnis zu bringen. Es ist also eine Chance auf Wettbewerb, und das ist gut für die Gesellschaft und die Wirtschaft. ... Aus meiner Sicht muss man zwei zentrale Punkte festhalten, wenn man sich auf den Vergleich Mensch-Maschine überhaupt einlassen und ihr Verhältnis klären will. Das eine ist die Körpergebundenheit menschlicher Intelligenz, also dass sie immer auch mit unserem Fühlen, Leiden, mit unserer Körperlichkeit verbunden ist. Und das Zweite: Wir sind soziale Wesen und vieles von dem, was wir machen, hat mit Erfahrungen zu tun, die wir mit anderen Menschen gemacht haben. Was daraus an Handlungen resultiert, kann ein technisches System vielleicht versuchen vorherzusagen. Aber ihnen fehlt diese Erfahrung. Ich habe im Augenblick wenig Anhaltspunkte für Weltuntergangsdystopien. Ich glaube aber auch grundsätzlich eher an positive Effekte neuer Technologien."

Auch Mark Siemons möchte ChatGPT - so heißt die Software, die Texte erstellen kann - in der FAS nicht verteufeln. Chancen sieht er auch in neuen Fragen, die sich Menschen stellen können. Etwa im Sinne des amerikanischen Dichters Wallace Stevens, der einst notierte: "'A poem should stimulate the sense of living and of being alive.' ... Erst wenn Informationen wieder auf Materie, auf körperlich vermittelte Erfahrung, zurückgeführt werden, besteht die Chance, sie aus den Fängen der Verwertungsmaschinerie herauszulösen. So kann das Selbstverständlichste etwas geradezu Rebellisches bekommen, einfach weil es durch die zur Gewohnheit gewordene Fixierung auf die Möglichkeiten der Apparate fast aus dem Blickfeld geraten ist."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.02.2023 - Internet

Laila Oudray erklärt in der taz, was "Algospeak" ist, eine Umgehung bestimmter Begriffe um die zensorischen Algorithmen bei Tiktok oder auch Instagram auszutricksen: Also sagt man nicht mehr "white", sondern "YT". Besonders ausgegrenzt würden auf Tiktok (und auf Instagram auch?) Themen wie Homosexualität oder Rassismus."Was, wenn man über diese Themen posten möchte, ohne Reichweite zu verlieren? Man spricht eben anders. Mit Rechtschreibfehlern, Emojis und Sonderzeichen versuchen User*innen den tyrannisch herrschenden Algorithmus zu umgehen. Die Journalistin Taylor Lorenz von der Washington Post hat dem Phänomen eine eigene Bezeichnung gegeben: 'Algospeak'." Oudray findet das Thema gar nicht lustig und fordert Beauftragte: "Die Politik ist gefragt. Hier geht es nämlich nicht um eine kleine Plattform, wo sich irgendwelche Teenies tummeln, sondern um ein mächtiges Instrument, das schon jetzt die politische Debatte prägt."

Der SZ liegen zwei Millionen interne Dokumente vor, die von der Hackergruppe Belarusian Cyber Partisans geleakt wurden. Darin ersichtlich ist, wie die russische Aufsichtsbehörde Roskomnadsor (RKN) alle Informationskanäle in und nach Russland zu kontrollieren versucht: "Die Zensurbehörde RKN soll das russische Internet sauber halten, frei von Verstößen gegen die Gesetze und Regeln des Landes. Dazu gehören pornografische Inhalte mit Minderjährigen und Gewaltdarstellungen. Wegen solcher Inhalte ermitteln auch deutsche Staatsanwaltschaften und Polizeien, doch damit enden die Gemeinsamkeiten. Denn im russischen Internet ist es auch verboten, Bilder von nicht-heterosexuellen Beziehungen zu veröffentlichen oder den Angriffskrieg gegen die Ukraine als solchen zu bezeichnen. Artikel, Videos und andere Beiträge, die vom offiziellen Narrativ des Kremls abweichen, soll RKN schnellstmöglich zensieren. (…) RKN-Mitarbeiter gehen die Listen verdächtiger Posts durch, um die Stimmung in der Bevölkerung zu beobachten, frühzeitig auf regionale Protestaufrufe aufmerksam zu werden und Unruhestifter zu identifizieren. Verstößt ein Post oder Kommentar gegen russische Gesetze, stellt die Behörde Löschanfragen an Youtube, Facebook oder Odnoklassniki." Um das System zu perfektionieren, wird an "hauseigenen KI-Systemen" gearbeitet.

Künstliche Intelligenzen wie Chat-GTP basieren auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen und führen dadurch mitunter in "Sackgassen", schreibt Andrian Kreye ebenfalls in der SZ: "Der australische Ökonom und Schachgroßmeister David Smerdon führte das vergangene Woche mit einer einfachen Frage an Chat-GPT vor: 'Welches ist die meistzitierte wirtschaftswissenschaftliche Arbeit aller Zeiten?' Die Antwort kam prompt: ',A theory of economic history' von Douglass North und Robert Thomas, die 1969 im Journal of Economic History veröffentlicht wurde.' Die beiden Autoren gibt es, die zitierte Arbeit aber nicht, deswegen konnte sie 1969 auch nicht in der englischen Fachschrift erscheinen. Hakt man in solchen Fällen bei Chat-GPT nach, beharrt die KI erst auf ihrem Fehler. Dann gibt es Ausreden. Ist man zu hartnäckig, meldet sich der Chatroboter mit einer Fehlermeldung ab."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 28.01.2023 - Internet

Jakob Schirrmacher führt in der Welt durch das Gestrüpp geplanter EU-Netzregulierungen und fürchtet Internetzensur. Die gute Absicht kann Ungeheuer gebären, meint er mit Blick auf das deutsche NetzDG: "Anzumerken ist, dass das NetzDG mittlerweile als Zensurinstrument von vielen autokratischen Staaten übernommen wurde. Eine vorangegangene Studie von 'Justitia', ein dänisch juristischer Thinktank, zum NetzDG, zeigt auf, dass mindestens 13 Staaten viele der im NetzDG definierten Regeln der Internet-Regulation übernommen haben. Darunter Venezuela, Russland, Indien, Kenia, die Philippinen und Malaysia. Autoritäre Systeme benutzen die Gesetze für ihre eigene Agenda, um beispielsweise 'Fake News', 'Anti-Regierungs-Propaganda' und 'Hatespeech' zu löschen."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.01.2023 - Internet

Die Zeit der Witze über dier AI-Software Chat GPT ist vorbei, konstatiert Andrian Kreye in der SZ: "Die ganze digitalisierte Welt spielte mit dem Ding herum. Doch nun setzt Panik ein. Vor ein paar Tagen bestand Chat GPT die Zulassungsprüfung für amerikanische Ärzte, dann die für Anwälte und schließlich auch noch die Diplomprüfung für den Masters of Business Administration an der Ivy-League-Wirtschaftsuniversität Wharton School. Immerhin mit der Note Zwei minus." Inzwischen wurde schon eine App namens GPT Zero programmiert, die nachweisen kann, ob ein Text mit Künstlicher Intelligenz geschrieben wurde: "Mehr als 6.000 Dozenten und Professoren von Universitäten wie Harvard, Princeton und Yale haben sich schon auf die Warteliste eingetragen. Die Testversion ist dauerüberlastet."