Die deutsche
Corona-
App ist weitgehend nutzlos, weil zu wenige Bürger sie installiert haben und sie aus - vorbildlichen - Datenschutzgründen zu wenige Daten erhebt. Dabei könnte sie in der Pandemie
wirklich helfen, Infektionswege zu erkennen,
meint der Schriftsteller
Thomas Brussig und plädiert im
Tagesspiegel für
eine Entfesselung der Corona-App: "Was wäre, wenn ich beim Einsteigen in den Bus nicht nur mein Ticket zeigen müsste, sondern auch die App. Sitze ich im Café und die Kellnerin bringt die Karten, bittet sie im typischen Dienstleister-Singsang 'Darf ich dann gleich auch die App sehen?' Auch beim Eintritt in Arztpraxen, öffentliche Gebäude oder an anderen Nadelöhren, bei denen Empfangspersonen beteiligt sind, kann das Vorhandensein der App und der Unbedenklichkeitsstatus kontrolliert werden. Wer seinen
Unbedenklichkeitsstatus nicht nachweisen kann (sei es aus Vergesslichkeit, Nachlässigkeit oder Kooperationsverweigerung) wird abgewiesen. Wer hingegen positiv getestet wird, muss dies auch der App mitteilen - oder das Testergebnis wird gleich via App mitgeteilt und zeitgleich mit dem Kontaktnetz synchronisiert. Dank App blieben die Neuinfektionen faktisch in Quarantäne, denn mit Status Rot gibt's nirgends Zutritt. Momentan entzieht sich das Verhalten derjenigen, denen
Quarantäne verordnet wurde, jeglicher Kontrolle."
In der
SZ sieht Andrian Kreye zwar die Gefahren, die mit einer besser funktionierenden App verknüpft sind, aber: "
Nur mit großen Datenmengen kann künstliche Intelligenz wichtige Analysen liefern. Der Datenschutz soll auch nicht abgeschafft werden. Wird er aber sinnvoll für die Seuchenbekämpfung ausgesetzt, wäre das nicht nur ein Schritt zur Rettung aller anderen Bürgerrechte. Es wäre die Gelegenheit, ihn für das pandemische Zeitalter und neue digitale Anwendungen zu aktualisieren. Bevor
die Digitalkonzerne Tatsachen schaffen, hinter denen Gesellschaft und Gesetzgeber hinterherhinken. ... Erlaubt man der Exekutive, den Datenschutz für den Kampf gegen Corona auszusetzen, muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass diese Erlaubnis
nur für kurze Zeit gilt und die Methoden genau beobachtet und von der Justiz auf Linie gebracht werden. Gleichzeitig muss Datenschutz für alle gelten. Auch für die privaten Unternehmen."
"Der Europäische Rat der EU-Staats- und Regierungschefs hält an seinen Plänen fest,
Polizei und Geheimdiensten künftig Zugriff auf jede verschlüsselte Kommunikation von Messengerdiensten möglich zu machen. Das zeigen die aktuellen, im Vergleich zur bisher bekannten Version leicht veränderten Entwürfe der entsprechenden Dokumente des EU-Rates",
berichtete Kai Biermann schon vor einigen Tagen auf
Zeit online. Vor allem will man in der EU die
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Verschlüsselung unmöglich machen und die digitale Kommunikation
auch den Geheimdiensten zugänglich machen. "Angesichts dessen sagte beispielsweise der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber: 'Die Nachrichtendienste sollten keine solchen zusätzlichen, massiven Eingriffsmöglichkeiten in die Privatsphäre erhalten. Polizei- und Strafverfolgungsbehörden können verschlüsselte Messenger-Kommunikation bereits mitschneiden. Das
Ausmaß der staatlichen Überwachung übersteigt mittlerweile das für eine Demokratie erträgliche Maß.' Fachleute forderten im Bundestag daher gar ein
Recht auf Verschlüsselung, weil das Vertrauen in sichere Kommunikation so wichtig für eine Demokratie sei. Doch das sehen die 'zuständigen Behörden' anders. Der nun diskutierte EU-Entwurf zielt darauf ab, den sogenannten
full take wieder zu ermöglichen, den
vollständigen Zugriff auf jedwede Kommunikation zu jeder Zeit."
Zugleich arbeitet die Bundesregierung an einem
neuen BND-
Gesetz, das eine
Ausweitung der Massenüberwachung vorsieht,
berichtet Andre Meister auf
netzpolitik: "In Deutschland kann der BND Kommunikations-Anbieter verpflichten, mit dem Geheimdienst zusammenzuarbeiten. So müssen zum Beispiel Deutsche Telekom und der Internet-Knoten DE-CIX
riesige Datenmengen an den BND leiten. In anderen Ländern kann der deutsche Geheimdienst Anbieter nicht zur Zusammenarbeit verpflichten, freiwillig tun das aber nur wenige. Also überwacht der Geheimdienst Kommunikations-Anbieter auch gegen deren Willen. In Zukunft soll der BND solche Anbieter
einfach hacken und die Daten heimlich ausleiten. ... Als Edward Snowden nachwies, dass die Geheimdienste von USA und Großbritannien genau das tun, war das noch ein Skandal. Heute legalisiert die Bundesregierung so etwas einfach."
Die
Schufa hätte auch gern mehr Daten von Ihnen: Ihre
Kontoauszüge am liebsten,
berichtet Serafin Dinges auf
netzpolitik.