Aharon Appelfeld

Zeit der Wunder

Roman
Cover: Zeit der Wunder
dtv, München 2002
ISBN 9783423129961
Taschenbuch, 240 Seiten, 9,50 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ute Spengler. Österreich 1938. Der zwölfjährige Bruno kehrt mit seiner Mutter aus den Sommerferien in seine Heimatstadt zurück. Da stoppt der Zug auf freier Strecke, und eine klare Lautsprecherstimme schallt durch den Raum: Alle Ausländer sowie Nichtchristen haben sich sofort registrieren zu lassen. Anzeichen des heraufziehenden Unheils sind überall. Nur Brunos Vater, ein gefeierter jüdisch-österreichischer Schriftsteller, sucht unermüdlich nach Erklärungen für das Unerklärliche. Alle Demütigungen schiebt er auf die Ostjuden. Als die früher so stille Kleinstadt sich immer deutlicher gegen sie wendet und sich die verleumderischen Angriffe auf sein Werk und seine Person verstärken, übernimmt er sogar grundlegend antisemitische Positionen und verlässt Frau und Sohn....

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.01.2003

Nicht als "plötzliches Glück", sondern als blanke "Fassungslosigkeit" sei das "Wunder" in Aharon Appelfelds Titel zu verstehen, erklärt der Rezensent Paul Jandl. Dieser 1978 erstmals erschienene Roman, der aus der Perspektive eines "genau beobachtenden Kindes" die "subtilen Veränderungen" in einem zunehmend antisemitischen, fiktiv-konkreten Österreich schildere, mache das "Jüdische" zum Thema und zur Frage. Voller Bewunderung beschreibt Jandl, wie Appelfeld das spätere Trauma als "unruhigen Schlaf" beginnen lasse, "in den Albträume einfallen", und die Ereignisse in eine "Nacht" zu tauchen, die auch symbolisch als "Umnachtung" zu verstehen sei. Überhaupt sei Appelfelds "durch strenge Symbolik disziplinierter" Roman ein Meisterwerk der bedeutsamen Verknüpfung. Auch "Kafka-ähnliche Motive" habe Appelfeld "virtuos" eingearbeitet und einen Text geschaffen, "der die Evokationen des Ausgeliefertseins zum eindringlichen Bild verdichtet". Bemerkenswert findet Jandl, dass Appelfeld die Frage nach der "prinzipielle Identität der Juden" stellt, ohne auf das Täter-Opfer-Schema zurückzugreifen, sondern "mit aller Wucht des Paradoxen". All das mache "Zeit der Wunder" zu einer "zeitlosen Vision vom Untergang der europäischen Zivilisation".