Alai

Roter Mohn

Roman
Cover: Roter Mohn
Unionsverlag, Zürich 2004
ISBN 9783293003279
Gebunden, 448 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Chinesischen von Karin Hasselblatt. Jeder weiß, dass der zweite Sohn des Fürsten Maichi ein Idiot ist. Als Thronfolger wird er nie zum Zug kommen. Umso unvoreingenommener beobachtet er seine Umgebung - die Festung des Fürsten im äußersten Osten Tibets, die rücksichtslose und grausame Feudalherrschaft, die in kleinliche Streitereien verwickelten Lamas, die Intrigen um schöne Frauen und die Fehden mit benachbarten Herrschern, die wechselnden Allianzen mit den Chinesen. In das entlegene Hochland dringt die Moderne lediglich als fernes Echo. Als ein Sondergesandter der chinesischen Regierung Fürst Maichi Mohn anbauen lässt, wird dieser unermesslich reich. Die betörende rote Mohnblüte und der Duft der reifenden Kapseln bringen Unruhe in das archaische Leben. Einzig der Idiot erkennt, dass sich mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts das Ende einer Ära abzeichnet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.07.2004

Dorothee Dauber ist von dem Roman des tibetischen Autors Alai, den er in chinesischer Sprache verfasst hat und der ihm in China großen Erfolg beschert hat, richtig begeistert. Die Handlung spielt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und schildert die tibetanische Fürstenwelt, in der der von China motivierte Anbau von Mohn alles verändert, erklärt die Rezensentin. Sie preist das Buch als "fesselnd und schillernd" und sieht sich durch die zwischen extremer Grausamkeit und geradezu "lyrischen" Beschreibungen von Landschaft und schönen Frauen in eine "archaische Welt" hineingezogen, die sie sehr faszinierend findet. Das, was auch in China die Leser in den Bann gezogen hat, ist die "fremde Perspektive auf China" und die Schilderungen aus einem bislang ganz "unbekannten kriegerischen Tibet", meint Dauber. Insbesondere die Einblicke in die tibetanische Gesellschaft mit ihren "komplizierten hierarchischen Regeln" haben die Rezensentin beeindruckt und sie lobt den Roman als "spannende" und dabei "künstlerisch meisterhaft" geschriebene Geschichte.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.04.2004

Martin Zähringer preist den 1959 in Tibet geborenen Autor Alai, dem die Erfahrungen mit der kulturellen Großmacht China und eine genaue Kenntnis der literarischen Moderne einen neuen, anderen Blick auf seine Heimat eröffnet haben. Bleibe Alais literarisches Konzept auch der buddhistisch-religiösen kulturellen Tradition verbunden, so propagiere er doch keine "authentische tibetische Kultur". Für seinen Roman "Roter Mohn" erhielt der Autor den wichtigsten chinesischen Literaturpreis. In diesem "modernen Epos vom späten Ende des tibetischen Feudalismus" zeichne Alai mit höchster Genauigkeit den Untergang des alten Tibet durch ausufernde Dekadenz nach. Seine "Beobachtungsschärfe und Darstellungslust" rühmt der Rezensent. Geschildert werden die Ereignisse kurz vor der chinesischen Okkupation in der Mitte des 20. Jahrhunderts aus der Sicht eines "Idioten", des zweiten Sohns eines tibetischen Fürsten, der an "Absencen" leidet. Seine Mutter ist Chinesin. "Ein sagenhaftes Buch", befindet Zähringer, das mit liebgewordenen Mythen über Tibet aufräume.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.02.2004

Ludger Lütkehaus möchte diesen Roman des tibetischen Autors Alai am liebsten mit einem Fanfarenstoß feiern: er preist in hingerissen als "literarische Überraschung", als nichts weniger als den "großen Wurf" und als bahnbrechend für die tibetische Literatur. Dieses Buch zeichnet endlich einmal ein anderes Tibet als das "spirituelle, politisch korrekte Klischee", freut sich der Rezensent. Es spielt im östlichen Tibet, in das in der Zeit von der Abdankung des letzten chinesischen Kaisers und dem Sieg der Volksrepublik die "Moderne einbricht", erklärt der Rezensent. Dargestellt ist der Niedergang des ansässigen Fürstenhauses und der Aufstieg der Hauses Maichi, so Lütkehaus weiter. Besonders begeistert ihn die Hauptfigur, ein Ich-Erzähler, der allen als "Idiot" gilt und der, wie Lütkehaus enthusiastisch betont, von derart "anarchischer Individualität ist, dass er den Lesern unvergesslich sein wird. Dabei erinnere dieser Held weniger an Dostojewskis "Erlöser"-Idiot oder an Sartres "Idioten der Familie" als an einen wesentlich entspannteren "Living Buddha", so der Rezensent eingenommen. Auch die anderen Protagonisten des Romans preist er als "hoch originell" und gänzlich "unverwechselbar. Den "hinreißenden Sprachwitz" des Autors sieht er in der Übersetzung von Karin Hasselblatt "glänzend" eingefangen. Schließlich freut sich Lütkehaus nachdrücklich, dass er sich als Leser so "ungern" vom Helden verabschiedet habe. Denn dies sei doch das "Schönste", was man von einem Roman sagen kann.
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