Alfred Kerr

Berlin wird Berlin

Briefe aus der Reichshauptstadt 1897-1922
Cover: Berlin wird Berlin
Wallstein Verlag, Göttingen 2021
ISBN 9783835338623
Gebunden, 2984 Seiten, 128,00 EUR

Klappentext

Vier Bände mit Schutzumschlag im Schuber. Herausgegeben von Deborah Vietor-Engländer. Ein Lehrbuch für Journalisten: Alfred Kerrs Plauderbriefe aus Berlin.Über 25 Jahre schrieb Alfred Kerr aus Berlin ins ferne Königsberg (heute Kaliningrad / Russland) Plauderbriefe für die Sonntagsausgabe der "Königsberger Allgemeinen Zeitung": Er beschreibt Aufbruch und Endstimmung im Ersten Weltkrieg, den Wandel von der Reichshauptstadt der Kaiserzeit durch die Revolution zur Hauptstadt der Republik: Berlin wird Berlin. Diese Texte waren jahrzehntelang verschollen. Kerr, der Starkritiker, der schon im Februar 1933 ins Exil floh, wurde nach seinem Tod 1948 zwar nicht vergessen, aber sein Ruhm überdauerte nur als Theaterkritiker. 1997, als die "Berliner Briefe", Wochenberichte für die Breslauer Zeitung, wiederentdeckt wurden, sprach Kerrs Sohn Michael von einer "Wiederauferstehung" seines Vaters. Der Fund der Briefe in Breslau führte schließlich zum Fund der Berichte nach Königsberg über die Jahre im Kaiserreich, die hier erstmals veröffentlicht werden.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.11.2021

Rezensent Jens Bisky ist hingerissen von den "Plauderbriefen", die Alfred Kerr wöchentlich für die Leser der Königsberger Allgemeinen Zeitung aus Berlin verfasste. Witzig und charmant erzähle Kerr von allem, was modern ist in Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Kinos, Autos, Kaufhäuser, Verbrechen. Ganz nebenbei zeichnet er dabei auch ein Bild des Westberliner Bürgertums jener Zeit. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird Kerr etwas unangenehm patriotisch, so Bisky, aber das weicht mit der Zeit einer neuen Nachdenklichkeit. Auch seine Fortschrittsbegeisterung nimmt ab. Alles in allem eine "einzigartige Chronik", schwärmt der bewegte Rezensent, der auch gelernt hat, dass man dem Zeitgeist am besten mit Ironie begegnet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.10.2021

Angetan lauscht Rezensent Lothar Müller den "Plauderbriefen" von Alfred Kerr, die Kerr-Biografin Deborah Vietor-Engländer in jahrelanger Recherchearbeit zusammentrug und nun in vier Bänden herausgegeben hat. Schon Kerrs vor mehr als zwei Jahrzehnten herausgegebene "Berliner Briefe" waren eine "Sensation", erinnert der Kritiker - und die "Plauderbriefe" die Kerr über 25 Jahre bis ins Jahr 1922 veröffentlichte, stehen dem in nichts nach, ergänzt Müller. Er begleitet hier Kerrs "Plauder-Ich" durch das Wilhelminische Berlin, die Vorkriegs- und Kriegsjahre, liest Berliner Kriminalgeschichte, Meldungen aus dem Verkehrswesen oder über das Wetter - Tolstois Tod, die Russische Revolution oder der Mord an einem New Yorker Spielhöllenbesitzer werden ebenfalls thematisiert. Nicht ohne Interesse folgt der Rezensent auch den Ausführungen über die kolonialen Ausstellungen in Berlin, die Kerr ganz "ohne Anstoß" schildert. Müller lernt hier nicht nur den "Prosaplauderer" Kerr kennen, sondern bewundert einmal mehr den "Universalfeuilletonisten".
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 05.07.2021

Rezensent Volkmar Mühleis lernt das Berlin der Jahrhundertwende bis 1922 kennen mit Alfred Kerrs wöchentlichen Berichten für die "Königsberger Allgemeine Zeitung". Von Deborah Vietor-Engländer, wie Mühleis findet, beispielhaft gehoben und ediert, bergen die gesammelten Texte für den Rezensenten einen Schatz, der sowohl die bewegte Geschichte Berlins während des Jahrhundertwechsels abbildet als auch gesellschaftliche Entwicklungen, vor allem auf dem Theater und in der Literatur, aber auch in Mode, Technik, Sport, Freizeit auf unterhaltsame und kritische Weise zeigt. Wer als Leser da nicht neugierig wird, ist selber schuld, findet Mühleis. Dass Kerr die eigene Kriegsbegeisterung in manchen Texten nicht verhehlen kann, gehört für Mühleis auch zu diesem facettenreichen Zeitpanorama dazu.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.06.2021

Rezensent Andreas Kilb empfiehlt Alfred Kerrs Kolumnen als Schatz. Die 3.000 Seiten der Sammlung haben für ihn im Gestus etwas von Proust, der Stil ist gleichwohl ein ganz anderer, warnt Kilb. Bestimmend für dieses "Epos der Zeitgenossenschaft" ist der Plauderton, so Kilb, und der passt gut zu dem Potpourri von Kerrs Themen vom Börsenkrach und der Eisenbahn über Museumseröffnungen und Mumien bis zum Wetter und zum Zirkus. Kerrs Kunst erkennt der Rezensent darin, das Unbedeutende zum Ereignis hochzuschreiben, elegant, ironisch, mal bissig, mal behaglich. Wenn sich mit dem Ersten Weltkrieg der Tonfall ändert und zeitgeschichtlich, ja patriotisch wird, stellt Kilb das mit Bedauern fest.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 29.05.2021

Rezensent Tilman Krause saugt die Atmosphäre von Berlin ein, genauer von West-Berlin, mit Alfred Kerrs "sensationellen" Feuilletons. Dass die Musik bei Kerr mitnichten in den Ost-Bezirken spielt, sondern in Halensee, am Hohenzollerndamm oder in der Kantstraße, gibt Krause zu denken. Aber wie die Musik da spielt! Kerr klammert Politik zwar aus, meint Krause, doch seine "soziale Neugier" lässt ihn hinreißend schnoddrig und gebildet zugleich von Hundekongressen, Trabrennen, Sezessionistenschauen, aus dem neuesten italienischen Restaurant oder vom alten Fontane berichten. Kerr ist immer mittenmang und vermittelt den Zauber von Berlin um 1900 wie kein zweiter, versichert der Rezensent.