Alice Schmidt

Alice Schmidt: Tagebuch aus dem Jahr 1955

Cover: Alice Schmidt: Tagebuch aus dem Jahr 1955
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783518802304
Gebunden, 334 Seiten, 38,00 EUR

Klappentext

Im Jahr 1955 stand Arno Schmidt ohne Verleger da, wurde wegen Gotteslästerung und Pornografie angezeigt und musste sich von einem Saarburger Amtsrichter befragen lassen. Seinen eben geschriebenen Roman "Das steinerne Herz" wollte er eigentlich nicht mehr veröffentlichen. Die spärlichen Einnahmen erschrieb Schmidt sich mit Zeitungsartikeln, bis endlich die erste Rundfunksendung angenommen wurde. Nachdem Auswanderungs- und vielerlei Umzugspläne gescheitert waren, fanden sich Arno und Alice Schmidt am Ende des Jahres in Darmstadt wieder. Hier vertieften sich die Bekanntschaften mit dem Maler Eberhard Schlotter und mit Schriftstellerkollegen. Inspiriert von der ihm wenig sympathischen Atmosphäre der Darmstädter "Künstlerkolonie", schrieb Arno Schmidt das Capriccio Tina oder über die Unsterblichkeit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.04.2009

"Das ist doch toll mit dem Arno!" - und mit der Alice, ergänzt Sven Hanuschek Alice Schmidts Tagebucheintrag. Die Freude über die Fortsetzung der Tagebuchedition ist Hanuschek in jeder Zeile anzumerken. Arno Schmidts Arbeitsalltag in so unmittelbarer Mitteilung birgt für den Rezensenten jede Menge Situationskomik und -dramatik. Sogar Beziehungskonflikte und Schmidts Granteleien entpuppen sich für Hanuschek als Innigkeiten. Darüber hinaus erfährt er über Schmidts Umgang mit Kollegen wie Walser oder Andersch - dokumentiert in Alices Mitschrift von Beschimpfungen und Komplimenten. Und wer die Bürgerlichkeit von Schmidts Figuren beharrlich biografisch missversteht, rät Hanuschek, der soll dieses Buch lesen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.02.2009

Für den Rezensenten Helmut Böttiger bieten die Tagebücher Alice Schmidts aus dem Jahr 1955 einen wertvollen Einblick nicht nur in das Leben und Schaffen ihres Mannes Arno Schmidt, sondern auch in den Literaturbetrieb der fünfziger Jahre. Herausragend sei dieses Jahr gewesen: Zum einen, weil Schmidt begann, als Schriftsteller Fuß zu fassen, zum anderen aufgrund seiner Anklage wegen Gotteslästerung und Pornografie. Interessiert und mit einem Schmunzeln kommentiert Böttiger die Tatsache, dass Alice Schmidt eine große, fast schon extreme Leidenschaft für Katzen hegte. "Purzel" und all die anderen Katzen bildeten für sie einen Gegenpol zu ihrem Mann, so Böttiger. Ihnen verdanke man im Grunde das literarische Schaffen Schmidts. Die strikte Trennung von Leben und Kunst - dies beinhaltet den Lebensentwurf des Ehepaars, so der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.12.2008

Als interessant und weit über die Befriedigung eines philologischen Interesses zu Arno Schmidt hinausgehend bewertet Rezensent Henrik Feindt dieses Tagebuch aus dem Jahr 1955 von Schmidts Ehefrau Alice, inzwischen der zweite publizierte Band. Zwar beschreibe Alice Schmidt darin die Monate nach der ?legendären Strafanzeige? gegen ihren Mann wegen Gotteslästerung. Doch aus Sicht des Rezensenten handelt es sich nicht allein um ein bedeutendes Zeitzeugnis sondern darüber hinaus auch das ?Zeugnis der gesellschaftlich marginalisierten Existenz eines von schriftstellerischer Arbeit nur dürftig lebenden Ehepaars? und einer ?unverbrüchlichen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft?.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.10.2008

In Alice Schmidts "Tagebuch aus dem Jahr 1955" kann man nicht nur einen intimen Blick in die Produktionsbedingungen des Schriftstellers Arno Schmidt werfen, es beleuchtet auch die Zeitungslandschaft der Zeit, konstatiert Jan Süselbeck nicht ohne Neid. Denn die Ehefrau des in den 50ern noch kaum bekannten Autors hält nicht nur die mitunter verzweifelte finanzielle Lage fest, in der die beiden Schlesienflüchtlinge stecken, sie dokumentiert auch Schmidts Hinwendung zu "Brotarbeiten", kleinen Arbeiten, die er an Zeitungen schickt und deren Form sein Schreiben insgesamt beeinflussen, erklärt der Rezensent. Dabei fällt ihm vor allem das "erstaunliche Niveau" der Lokalzeitungen dieser Zeit auf, die dergleichen abzudrucken bereit waren. Gleichzeitig aber macht nicht zuletzt die von Alice Schmidt festgehaltene Sorge um den Vorwurf der "Pornografie und Gotteslästerung" klar, wie prüde und restriktiv die Ära Adenauer und - in der ängstlichen Reaktion auf den erwarteten Prozess - wie "autoritätshörig" auch ein Autor wie Arno Schmidt war, stellt Süselbeck klar.