Anke Stelling

Schäfchen im Trockenen

Roman
Cover: Schäfchen im Trockenen
Verbrecher Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783957323385
Gebunden, 300 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Resi hätte wissen können, dass ein Untermietverhältnis unter Freunden nicht die sicherste Wohnform darstellt, denn: Was ist Freundschaft? Die hört bekanntlich beim Geld auf. Die ist im Fall von Resis alter Clique mit den Jahren so brüchig geworden, dass Frank Lust bekommen hat, auszusortieren, alte Mietverträge inklusive. Resi hätte wissen können, dass spätestens mit der Familiengründung der erbfähige Teil der Clique abbiegt Richtung Eigenheim und Abschottung und sie als Aufsteigerkind zusehen muss, wie sie da mithält. Aber Resi wusste's nicht.
Noch in den Achtzigern hieß es, alle Menschen wären gleich und würden durch Tüchtigkeit und Einsicht demnächst auch gerecht zusammenleben. Das Scheitern der Eltern in dieser Hinsicht musste verschleiert werden, also gab's nur drei Geschichten aus dem Leben ihrer Mutter, steht nicht mehr als ein Satz in deren Tagebuch. Darüber ist Resi reichlich wütend. Und entschlossen, ihre Kinder aufzuklären, ob sie's wollen oder nicht. Sie erzählt von sich, von früher, von der Verheißung eines alternativen Lebens und der Ankunft im ehelichen und elterlichen Alltag. Und auch davon, wie es ist, Erzählerin zu sein, gegen innere Scham und äußere Anklage zur Protagonistin der eigenen Geschichte zu werden.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.03.2019

Rezensentin Iris Radisch macht ihrem Ärger Luft über die Vergabe des Leipziger Literaturpreises an Anke Stelling. Dass die Autorin mit einem Buch über die Abstiegsängste unter schwäbischen Eigenheimbewohnern im Prenzlauer Berg einen Blumentopf gewinnt, kann sie nicht verstehen, zumal der Text laut Radisch literarisch unbedarft und die Autorin auch noch stolz darauf ist. Populäre Gesinnungsästhetik trifft auf falsch verstandenes Klassenproblem, meint Radisch über den Roman. Mit Eribon und Co., schimpft sie weiter, hat das aber auch gar nichts zu tun, wenn Berliner Bobos die Angst vor dem Umzug nach Berlin-Ahrensfelde plagt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 31.01.2019

Ein durch und durch "desillusionierendes" Buch, warnt Rezensentin Julia Schröder. Allerdings ist es gerade die Ehrlichkeit und Rationalität, die Schröder an dem Roman schätzt. Stelling erzählt hier von den Folgen einer Wohnungskündigung, den damit zusammenhängenden Existenz- und Abstiegsängsten und von den Auseinandersetzungen im Freundeskreis, die diese missliche Situation überhaupt erst hervorgebracht haben. Vor allem aber schreibt Stelling über ihre jüngste und wie sie selbst findet viel zu späte Erkenntnis, erklärt Schröder: dass sie in ihrem Umfeld aus Wirtschaftswunderkindern immer eine Außenseiterin war, ohne es bemerkt zu haben, weil stets so getan wurde, als sei sie es nicht - bis vor kurzem. "Schäfchen im Trockenen" ist ein Ventil für ihre Enttäuschung, ihre Wut, ihre Selbstanklagen, zugleich aber auch ein herrlich düstere Satire mit wunderbar charakterisierenden Dialogen und eine poetische Selbsterkundung, so die angetane Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.11.2018

Anke Stellings neuer Roman ist "mit Wirklichkeit beschmutzt", stellt Rezensent Jens Bisky nach einer ebenso "atemlosen" wie "empörten" Lektüre fest - und meint das alles ganz und gar positiv. Denn so wütend, rasant und "böse" hat lange niemand mehr das Berliner Selbstverwirklichungsmilieu auseinandergenommen, fährt der Kritiker fort, der hier die Geschichte um die im Stuttgarter Mief der Achtziger aufgewachsene Resi liest, die inzwischen mit Künstler-Mann und vier Kindern in Berlin lebt, auf der Suche nach einer passenden Wohnung ist, vorab allerdings ihr Leben niederschreibt. Wie Stelling hier Selbstverwirklichungsillusionen urbaner Kreativer, "robuste Bürgerlichkeit" und Existenz- und Statussorgen aufeinanderprallen lässt, erinnert Bisky an den realistischen Roman des 19. Jahrhunderts. 
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2018

Müssen die Mütter vom Prenzlauer Berg jetzt nach Marzahn ziehen? Rezensentin Susanne Messmer freut sich, dass Anke Stelling auch in ihrem neuen Roman vom großen Mittelschichtsdrama "Baugruppe" erzählt. Im Unterschied zur Protagonistin Sandra aus dem Vorgänger "Bodentiefe Fenster" zieht die Heldin Resi aus "Schäfchen im Trockenen" allerdings nicht mit in die Eigenheim-Idylle. Als Schriftstellerin und Mutter von vier Kindern fehlt ihr das nötige Eigenkapital, aber auch für die Altbauwohnung wird es langsam knapp. Messmer findet diese Romanfigur am Anfang ziemlich toll, dann etwas nervig in ihrem schwankenden Willen, unabhängig zu sein und trotzdem dazuzugehören. Von der Autorin selbst erfährt Messmer, dass Resi sich nicht wie vermutet auf Arthur Schnitzlers Therese bezieht, sondern auf Michel Foucaults "Parrhesia", den Mut zur Wahrheit. Die Rezensentin sieht von Stelling mit "präziser Wut" sogar die Klassenfrage gestellt, die sie nicht nur finanziell begreife, sondern auch als Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen.