Anne Siemens

Für die RAF war er das System, für mich der Vater

Die andere Geschichte des deutschen Terrorismus
Cover: Für die RAF war er das System, für mich der Vater
Piper Verlag, München 2007
ISBN 9783492050241
Gebunden, 287 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Wer sich die ganze Dimension der Geschichte der RAF verdeutlichen will, muss die Perspektive der Opfer berücksichtigen. Diese andere Geschichte des deutschen Terrorismus zeigt uns die ganze Wahrheit in einem dunklen Kapitel der Bundesrepublik. Vor dreißig Jahren fand der Terror der RAF seinen Höhepunkt in den Ermordungen von Hanns-Martin Schleyer, Jürgen Ponto und der Entführung der "Landshut": Ereignisse, die die Deutschen bis heute prägen. Anne Siemens erzählt diese dramatische Geschichte neu, aus der Sicht der Opfer. Dadurch, dass sich die Angehörigen, viele zum ersten Mal, in bewegenden Interviews öffnen, wird deutlich, was der Terror der RAF wirklich bedeutet hat. Bislang gab es nur eine Tätergeschichte; die bekannten wie die unbekannten Opfer des Terrors blieben weitgehend ungehört. Sie sprechen nun in dem Buch von Anne Siemens, erzählen, wie ihre Väter und ihre Männer lebten, warum sie sterben mussten und wie sich das Leben ihrer Familien dadurch veränderte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.08.2007

Rezensent Jochen Staadt begrüßt Anne Siemens' Buch über die Opfer des RAF-Terrors, wirft es seines Erachtens doch die Fragen auf, die sich das "betroffenheitsselige Linksmilieu" bis heute nicht gestellt habe. Zentral scheint ihm die Frage, wie die Familien der von der RAF Ermordeten mit ihren traumatischen Erlebnissen fertig wurden. Dazu habe die Autorin Angehörige von RAF-Opfern befragt, darunter etwa die Töchter des durch einen Kopfschuss ermordeten Diplomaten Heinz Hillegaart, den Sohn Martin Schleyers oder die Tochter von Jürgen Ponto. Die Lektüre des Buchs empfand Staadt als "belastend". Aber er hält das Buch für überaus wichtig, denn es setzt in seinen Augen einen notwendigen Kontrapunkt zur Dominanz des medialen und wissenschaftlichen Interesses an Verbrechern und leistet damit auch einen "längst überfälligen Beitrag zur Würdigung der Leidtragenden des RAF-Terrors".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.04.2007

Joachim Güntner macht sich im Rahmen zweier Bücher zur RAF Gedanken über die heutige Stellung von Tätern und Opfern. Anne Siemens hat in ihrem Buch "Für die RAF war er das System, für mich der Vater" Gespräche mit Opfern und Angehörigen geführt und markiert damit auch ein verändertes öffentliches Interesse an den Opfern, wie der Rezensent meint. Sie erschienen heute "entpolitisiert", würden als Privatpersonen und nicht mehr lediglich als Inhaber politischer Ämter gesehen, erklärt der Rezensent. Deutlich allerdings werde bei der Lektüre, dass nicht nur das öffentliche Augenmerk, sondern auch das der Opfer stets auf die Täter fixiert bleibe, so Güntner beklommen. Offenbar berührt hat ihn dabei die "Großmut", mit der die Brüder des von der RAF ermordeten Gerold von Braunmühl die Revision des RAF-Mitglieds Peter-Jürgen Book gegen eine als ungerecht empfundene Verurteilung finanziell unterstützen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.04.2007

Elke Nicolini begrüßt Anne Siemens' Buch über die Opfer der RAF, das ihr angesichts der vielen Bücher über die Täter "überfällig" schien. Die Berichte von Angehörigen von RAF-Opfern, die Siemens in ihrem Buch erzählen lässt, würdigt sie als "ergreifende Zeugnisse". Deutlich wird für Nicolini, was es für die Familien bedeutete, Ehemann oder Vater in der Gewalt der RAF zu wissen oder dessen Ermordung zu verkraften. Sie unterstreicht, dass aus diesen Berichten nicht der Wunsch nach Rache spricht. Beeindruckt hat sie, wie klug und gelassen die Angehörigen über ihre Gefühle sprechen, ohne ihren Schmerz zu verbergen. Lobend äußert sie sich auch über die Einleitung der Autorin, in der die Geschichte der RAF in gebotener Kürze, aber präzise und mit allen relevanten Informationen geschildert wird.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.03.2007

Rudolf Walther begrüßt Anne Siemens' Buch über die Opfer der RAF, auch wenn er es inhaltlich ziemlich durchwachsen findet. Wichtig sei es dennoch, weil hier zum erstem Mal die Opfer der Terroristen in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt würden. Wie der Rezensent berichtet, sprach die Autorin mit Ehefrauen, Söhnen und Töchtern, aber auch mit Kollegen von neun RAF-Opfern, um ein möglichst lebendiges Bild von den Menschen, denen sie nahe standen, entstehen zu lassen. Das Ergebnis ist für Walther nicht immer befriedigend. Er hätte sich gewünscht, die Interviewten hätten mehr von sich und den Opfern und weniger vom politische Klima der 70er Jahre erzählt. Dennoch scheint ihm vieles aufschlussreich und nachvollziehbar, etwa Corinna Pontos Ärger darüber, dass die Öffentlichkeit ihren ermordeten Vater auf ein abstraktes Gewaltopfer reduziert hat, oder Clais Baron von Mirbachs Unbehagen über die unkritischen Reaktion der Medien auf den Auftritt des Terroristen Karl-Heinz Dellwo im schwedischen Spielfilm "Stockholm '75". Die Ausführungen über die RAF im Vorwort haben Walther jedoch nicht überzeugt, er hält der Autorin vor, wenig über die Geschichte der RAF zu wissen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.02.2007

Rezensent Christoph Akbrecht-Heider hat dieses Buch offenbar mit großem Interesse gelesen. Die heute über 40-jährigen Kinder der Opfer der RAF-Morde sprechen über ihre Väter - wo doch sonst die Geschichte der RAF, wie der Rezensent bemerkt, immer aus der Täterperspektive erzählt wird und auch deren Mythen oft übernommen werden. Dementsprechend bemerkt Akbrecht-Heider ein großes Bemühen bei den Interviewpartnern, zu zeigen, dass "der Vater eben nicht eine Säule des 'Schweinestaats' war", sondern oft sogar "liberal". Die Interviewerin und Autorin Anne Siemens halte sich mit Zwischenfragen zurück, sie lenkt nach Meinung des Rezensenten das Gespräch nur, wo es aus "dramaturgischen Gründen" nötig ist.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.02.2007

Lehrreich und beeindruckend findet Rezensent Thomas E. Schmidt diesen Band, der sich mit Opfern und Hinterbliebenen von RAF-Anschlägen befasst. Autorin Anne Siemens habe Ehefrauen und Kinder befragt und gebe den RAF-Opfern auf diesem Weg eine eigene Geschichte zurück, die bisher vom Zerrbild der RAF und ihrem Kampf gegen das "System" verdrängt worden sei. Dem Rezensenten zeigte sich in den Gesprächen, dass keines der Opfer diesem "Zerrbild der Systemfunktionäre" entsprochen habe. Im übrigen vermittelt ihm das Buch, auch das dem Terror folgende "staatspolitische Schauspiel" habe zur Anonymisierung der Opfer beigetragen. Insgesamt unterstreichen daher die "behutsam durch Fakten ergänzten" Gesprächsporträts dieses Bandes für ihn noch einmal den Befund, dass sich die Geschichte der RAF nicht in die "große triumphale Erzählung der Bundesrepublik" einfügen lässt.