Annette Pehnt

Die schmutzige Frau

Roman
Cover: Die schmutzige Frau
Piper Verlag, München 2023
ISBN 9783492071079
Gebunden, 176 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Ein Roman über eine Ehe und ihre existenziellen Konsequenzen. Ein Mann kauft seiner Frau ein großzügiges Apartment über der Stadt. Dort soll sie sich Zeit für sich nehmen und ihren Neigungen nachgehen. Aber die Sache hat einen Haken: Die Frau kann die Wohnung nicht mehr verlassen. "Hier oben brauche ich niemanden, keinen Liebhaber, keinen Ausblick und Meinenmann schon gar nicht", sagt sie trotzig. Nun ist sie hoch über der Stadt sich selbst, ihren Wünschen und Fantasien ausgeliefert, während ihr Mann seine ganz eigenen Interessen verfolgt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.04.2023

Rezensentin Nina Apin findet toll, wie ambivalent Annette Pehnt in ihrem Roman von weiblicher "Selbstverzwergung" erzählt. Es geht um eine Frau und Schriftstellerin, die durch eine als "Meinmann" bezeichnete Figur in einer für sie eingerichteten Schreibwohnung scheinbar festgehalten wird und das auch zulässt - so scheint es zumindest anfangs. Wie Pehnt dann aber Stück für Stück erkennen lässt, dass hier eine toxische Beziehung zwischen einem zwar dominanten Mann, aber einer sich auch durch erfahrene "weibliche Zurichtungen" selbst entwertenden Frau am Werk ist, und wie dabei langsam Gründe erahnbar werden, warum sie sich weder drinnen noch nach draußen wohlfühlt, erzähle Pehnt wunderbar subtil und "geschickt", lobt Apin: Pehnt lässt beispielsweise Satzzeichen weg, um die Haltlosigkeit der Protagonistin zu verdeutlichen, lobt Apin. Letztlich werde über die Binnengeschichten, die die Protagonisten verfasst, auch eindrucksvoll die Geschichte einer langsamen, mühevoll sich im Schreibprozess durchdrückenden Emanzipation erzählt, wie die begeisterte Kritikerin festhält.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.02.2023

Einen Zwei-Ebenen-Roman hat Annette Pehnt vorgelegt, über den Rezensent Tilman Spreckelsen einiges zu berichten weiß: Die Erzählerin lässt ihn zunächst an Virginia Woolf denken, denn auch sie hat nicht nur ein Zimmer, sondern gleich eine Wohnung für sich, in der sie als Schriftstellerin arbeiten kann; diese Produkte ihrer Arbeit sind als Erzählungen kursiv in den Text eingefügt. Das große Aber: Der nur als "Meinmann" bezeichnete Ehemann sorgt dafür, dass aus dem Rückzugsort ein Käfig wird, über den er die Kontrolle hat, gibt der Rezensent zu verstehen. Für ihn stellt sich die Frage, warum sie das mitmacht, eine Frage, die er auch dann nicht abschließend beantworten kann, wenn die Ebene der Erzählungen auf die der Verse trifft, die das Leben der Erzählerin behandeln, ein Zusammentreffen, das Spreckelsen durchaus reizvoll findet, auch wenn ihm einzelne Elemente etwas konstruiert vorkommen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.01.2023

Der neue Roman von Annette Pehnt ist auch ein kluges Buch über das Schreiben, lobt Rezensentin Judith von Sternburg. Dass Pehnt ihre Leser mit einer Außenseiterin, deren Mann, den gemeinsamen Kindern und der neuen Wohnung wieder nicht schont, imponiert der Rezensentin. Besonders, weil die Geschichte ausschließlich aus der Perspektive der immer souverän alles in Versen niederschreibenden Ich-Erzählerin viele Fragen aufwirft: Was schildert sie wahrheitsgetreu, was verarbeitet sie literarisch und wie weit können die Leser der Frau trauen? Ein "klassisches Vexierspiel", findet von Sternburg, und folgt Pehnt mit Bewunderung bis zum bitteren, unerträglichen Ende. 

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.01.2023

Rezensent Hilmar Klute ist begeistert davon, wie Annette Pehnt ihrer Leserschaft wieder einmal gekonnt den Boden der Realität unter den Füßen wegzieht. "Nichts ist das, was es zu sein vorgibt" in dieser Geschichte um eine Frau, die von ihrem strengen, namenlosen "Meinmann" eine Penthousewohnung bekommt, um sich auf ihr Schreiben konzentrieren zu können: kleine Geschichten von einer schmutzigen Frau mit fettigen Haaren, die selbst wiederum auch schreibt. Rahmen- und Binnenhandlung schaffen dabei alles andere als klare Verhältnisse, so Klute - wer hier wirklich was schreibe oder ob es sich beim Mann der Protagonistin wirklich um ihren Ehemann handelt (einmal tauche er kommentarlos mit einer anderen Frau auf), werde zunehmend schleierhaft; das findet der Kritiker genial umgesetzt. Bemerkenswert ist für ihn außerdem die latent bedrohliche Aura, die von allen Männern im Roman ausgehe - selbst ihrem Sohn begegne die unzuverlässige Erzählerin misstrauisch - sowie die "schmerzhaft schönen" Beschreibungen eines Fremdheitsgefühls zwischen Eltern und Kind. Für den Kritiker ein "allegorisches Meisterstück".
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 28.01.2023

Rezensentin Wiebke Porombka liest Annette Pehnts Roman zum einen als Auseinandersetzung mit toxischen Beziehungsdynamiken, zum anderen als Reflexion auf das autofiktionale Schreiben. Denn in der Geschichte geht es um eine Frau und Mutter, die sich zum Schreiben einen eigenen Raum wünscht, der ihr daraufhin von ihrem Mann "geschenkt" wird, sich im Folgenden aber eher als ein fremdbestimmtes Gefängnis entpuppt. Spannend findet die Kritikerin, wie hier das Gefälle zwischen (seiner) Dominanz und (ihrer) Unsicherheit verhandelt wird - formal widergespiegelt durch die Form des Romans: in strengen Versen verfasst, mit Zeilenumbrüchen statt Satzzeichen eine gewisse Offenheit suggerierend, analysiert Porombka. Die autofiktionale Problematik werde dann durch eine Binnenhandlung aufgemacht: kleine, von der Protagonistin verfasste Geschichten, deren Hauptfigur, eine "schmutzige Frau", immer wieder mit ihrer Schöpferin korrespondiert und am Schluss sogar ganz mit ihr zusammenfällt. Das liest die Kritikerin schließlich als eine "emphatische" Haltung gegenüber der Autofiktion, weil die sukzessive Annäherung hier einen "Ausweg" aus starren Mustern verspreche.