Boris Pahor

Nekropolis

Erzählung
Cover: Nekropolis
Berlin Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783827004086
Gebunden, 279 Seiten, 18,41 EUR

Klappentext

Aus dem Slowenischen von Mirella Urdih-Merku. Wie das Unfassbare darstellen? "Selbstverständlich könnte jemand die Augen mit jenem besonders starren Blick abbilden, der vom Hunger hervorgerufen wird; er könnte aber weder die Unrast der Mundhöhle, noch die unwillkürlichen Regungen der Speiseröhre aufleben lassen." Fotografischer Realismus ist nicht imstande, diese unsichtbaren, ja unvorstellbaren Erfahrungen mitzuteilen. Vielmehr bedarf es der literarischen Kunst eines Erzählers, der sich ganz in die Tiefe des Erlebten versinken lässt, zugleich aber die Distanz des Entronnenen mitbedenkt. Nekropolis erzählt beides zugleich: die Irrfahrt eines slowenischen Widerstandskämpfers durch die deutschen Konzentrationslager und die Erinnerungsversuche des Überlebenden, der in den frühen sechziger Jahren die Lager-Gedenkstätten auf Reisen besucht - von Dachau und Natzweiler bis Bergen-Belsen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.08.2001

Nach Ursula März handelt es sich hierbei um ein "kompliziertes, Lesezeit herausforderndes Werk", das sie jedoch zu den Meisterwerken der Literatur zählt. Diese Art der "poetischen Gedächtniskunst" erinnert sie sogar an Bücher von Marcel Proust oder Michel Leiris, sowohl was die Ästhetik betrifft wie aber auch das literarische Niveau. März betont, dass Pahor hier nicht chronologisch seine Erlebnisse schildert, sondern eher in der Form eines Tagtraums, bei dem verschiedene Themen ineinander fließen und bei dem vor allem natürlich das Wissen um ein Ende des Grauens in den Hintergrund tritt. In stilistischer Hinsicht ist der Rezensentin vor allem Pahors kunstvoller Umgang mit Metaphern aufgefallen sowie die bisweilen dokumentarische Herangehensweise, die sie an Filmdokumente erinnert. Doch so präzise das Filmische auch sein mag: Nach März sind bei Pahor durchaus Zweifel spürbar, ob es einen "Zusammenhang von Abbildungsdirektheit und Erinnerungswahrheit" gibt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.08.2001

Weder pathetisch noch sachlich, sondern beklemmend und dicht schildert der Slowene Boris Pahor in "Nekropolis", was er lange nicht zu erzählen in der Lage war: er hat seine Erinnerungen an das Lagerleben in den KZs Natzweiler, Struthof Mitte, Dachau, Harzungen und Bergen-Belsen zu Papier gebracht, berichtet Jörg Plath. Wie eine Filmkamera habe der Autor, Publizist und Herausgeber der Zeitschrift "Zaliv" die Ereignisse wahrgenommen, eine Metapher, die für den Rezensenten den Stil Pahors gut trifft. Sein Bericht beschränke sich darauf, was er selbst erlebt hat, rasche Schwenks und abrupte Schnitte wiesen jedem im Lager seinen Platz zu, meint Plath, der nur über die Übersetzung etwas verärgert ist, in der von den Slowenen als "Volkgemeinschaft" die Rede sei. Einen nationalsozialistischen Begriff im Bericht eines Überlebenden zu verwenden, findet Plath mehr als unpassend.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.07.2001

Die Chronik vom Leben im Konzentrationslager, die der Slowene Boris Pahor ursprünglich 1967 veröffentlichte und die erst jetzt ihren Weg ins Deutsche gefunden hat, kann man mit den Worten von Martin Ebel nicht anders als "trostlos" bezeichnen, da sie gerade die Unmöglichkeit, darüber zu berichten und davon mitzuteilen, zum Thema und auch zum Gestaltungsprinzip habe. Pahors Bericht brauche den Vergleich mit den Büchern von Primo Levi, Roussell oder Blaha "nicht zu scheuen", schreibt Ebel, der sich von dem hoffnungslosen, aber kunstvollen Unterfangen der literarischen Vermittlung des Holocaust und der darin enthaltenen Selbstwiderlegung tief beeindruckt zeigt. Um so mehr erstaunt ihn die dem Bericht zugleich innewohnende Lebenskraft, die bei aller Hoffnungslosigkeit auch von der Erfahrung der Menschlichkeit und Solidarität zeuge. Und die sich offenbar eher vermitteln lässt als die Erfahrung der Unmenschlichkeit.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.05.2001

Verena Auffermann nimmt das Buch zum "Anlass, das Leben zu lieben". Der Autor, der fünfzehn Monate in fünf Konzentrationslagern überlebte, hat die Rezensentin überzeugt, dass es ein "Fehler, vielleicht sogar ein Vergehen gegenüber unserer Vorstellungswelt" wäre, diesen "Ausschnitt aus dem Bösen im 20. Jahrhundert" zu ignorieren. Besonders beeindruckt zeigt sich Auffermann von der "klinischen Kühle und Genauigkeit", mit der Pahor seinen Gegenstand abbildet. Dass er es vorzieht, furchtlos und direkt zu berichten, anstatt sich in Schuldzuweisungen zu versuchen, macht den Autor in ihren Augen zu einem echten Chronisten.
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