Florjan Lipus

Schotter

Cover: Schotter
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2019
ISBN 9783990272299
Gebunden, 144 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Slowenischen von Johann Strutz. Der Schotter, den Florjan Lipuš hier beschwört, bedeckt die ansonsten leere Fläche zwischen den Baracken eines Frauenkonzentrationslagers. Es könnte das KZ Ravensbrück sein, wo seine Mutter ermordet wurde, nachdem sie als Partisanen verkleidete Gestapo-Männer bewirtet hatte. Es könnte aber auch jedes andere sein, wo die aussortierten, ausgemergelten Frauen Stunde um Stunde ihres schwindenden Lebens Appell stehen. Jahre später stehen hier die "Gedächtnisgeher", "Ausflügler " nachfolgender Generationen auf der Suche nach etwas, von dem es kaum noch Spuren gibt, in der Hoffnung, dass sich ihnen etwas offenbart. Die unbekannte Großmutter etwa: Sollen die Enkelkinder, die ihr die schön gewachsenen Körper verdanken, sie duzen oder siezen? Doch die Großmutter erscheint ihnen nicht, alles, was sie finden, ist Schotter. Und im Dorf, in das sie zurückkehren, begegnet man ihnen mit Misstrauen und Schweigen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 06.07.2019

Rezensentin Dorothea Dieckmann ist tief beeindruckt von diesem Roman, der das Verhältnis vieler Slowenen zu den deutschen Besatzern im Zweiten Weltkrieg beschreibt: Unterwürfigkeit und Anpassung, wozu für Lipus, dessen Mutter im KZ Ravensbrück ermordet wurde, die Aufgabe der slowenischen Sprache zugunsten der deutschen zählt. Eine kleine Gruppe aus einem Dorf - wohl in Kärnten mutmaßt die Rezensentin - besucht das nahe gelegene KZ, sucht nach Spuren der ermordeten Angehörigen, versucht sich einzufühlen. Das muss misslingen, als "Verlierer" kehren sie ins Dorf zurück, so Dieckmann, wo sie wie Aussätzige behandelt werden und sich mehr als je zuvor um Anpassung bemühen. Ein zutiefst pessimistischer Roman, urteilt Dieckmann, für den Lipus eine Sprache fand, "die das Paradox aushält, vom Unsagbaren zu sprechen".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.04.2019

Rezensent Jörg Plath gefällt die Prosa des 1937 in Kärnten geborenen Florjan Lipus am besten in ihren nicht verallgemeinernden Momenten, wenn die Lagerwelt, in der die Angehörigen des Autors, Angehörige der slowenischen Minderheit in Österreich, umkamen, plastisch erfasst und so den Wunsch des Autors nach Erinnerung eindrucksvoll umsetzt. Dann erkennt Plath im Buch eine bewegende Lebensbilanz, in der das Politische zwar als Verlierer, die Poesie aber als Gewinner erscheint, weil der Text erinnernd vom Verlust der Erinnerung berichtet. Die Übersetzung von Johann Strutz nennt Plath eigenwillig.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 06.04.2019

Der Kärtner Slowene Florjan Lipus folgt auch mit diesem Roman seinem Lebensthema: dem Mord an den Juden im Nationalsozialismus, erklärt Rezensent Jörg Plath. Hier ist es eine Gruppe von Dorfbewohnern, die ins KZ Ravensbrück fährt, wohin viele Verwandte deportiert waren, um die Erinnerung wach zu halten. Das gelingt am Ende doch nicht wirklich, so Plath, denn die Nachkommen der Täter und Opfer leben ja weiterhin zusammen und bilden irgendwann wieder eine neue "Ganzheit des Dorfes". Für Lipus ist das eine Tragödie, erklärt Plath. Doch dem slowenisch schreibenden Schriftsteller gelingt es in den Augen des Rezensenten mit seinen Büchern sehr gut, "die abweichende partikulare Erinnerung" zu bewahren.