Christian Baron

Ein Mann seiner Klasse

Cover: Ein Mann seiner Klasse
Claassen Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783546100007
Gebunden, 288 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

"Mochte mein Vater auch manchmal unser letztes Geld in irgendeiner Spelunke versoffen, mochte er auch mehrmals meine Mutter blutig geprügelt haben: Ich wollte immer, dass er bleibt. Aber anders." Kaiserslautern in den neunziger Jahren: Christian Baron erzählt die Geschichte seiner Kindheit, seines prügelnden Vaters und seiner depressiven Mutter. Er beschreibt, was es bedeutet, in diesem reichen Land in Armut aufzuwachsen. Wie es sich anfühlt, als kleiner Junge männliche Gewalt zu erfahren. Was es heißt, als Jugendlicher zum Klassenflüchtling zu werden. Was von all den Erinnerungen bleibt. Und wie es ihm gelang, seinen eigenen Weg zu finden. "Ein Mann seiner Klasse" erklärt nichts und offenbart doch so vieles von dem, was in unserer Gesellschaft im Argen liegt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.02.2020

Rezensent Paul Jandl hätte es dem Autor Christian Baron und der deutschen Gesellschaft gewünscht, dass dieses Buch ein Roman wäre. Ist es aber nicht. "Ein Mann seiner Klasse" ist Barons Bericht über die Welt seiner Kindheit. Der Vater trinkt und prügelt, die Mutter stirbt früh, die Kinder leiden, bis sie von einer Tante erlöst werden. Jandl ahnt, dass sich nicht alles Elend aus der Armut erklärt, sondern auch aus dem Alkoholismus des Vaters, aber er liest dennoch beklommen, wie sich hier Schiffbrüchige durchs Leben strampeln. Von den Behörden wurde den Kindern kaum geholfen, bemerkt Jandl, dafür von den Tanten. Gern hätte man gewusst, wie es sich mit dem Rest der Gesellschaft verhält.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.02.2020

Rezensent Felix Stephan liest Christian Barons Mix aus Collage, Bericht, Reportage und Autobiografie mit Spannung. Barons Erinnerungen an sein subproletarisches Herkunftsmilieu in Kaiserslautern-Ost, an den daueralkoholisierten, prügelnden Vater und die eigene Flucht aus den Verhältnissen zu Studium und Beruf erinnert Stephan zwar an Didier Eribons "Rückkehr nach Reims", die Unterschiede treten für ihn aber auch klar zutage, etwa, wenn Baron eher "linkisch" und "bemüht" und weiterhin aus der Binnenperspektive erzählt und um Verständnis für den Vater wirbt. Während sich Eribon oder auch Edouard Louis auch sprachlich von ihrem Herkunftsmilieu distanzieren, lässt Baron seinen Erzähler den "Soziolekt" seiner Schicht sprechen - nicht zuletzt um darzulegen, dass man seine Klasse nicht hinter sich lassen kann, glaubt der Rezensent nicht ohne eine gewisse Überheblichkeit.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.02.2020

Rezensentin Doris Akrap ist unzufrieden mit Christian Barons Roman, in dem der Journalist zu erklären versucht, wie sein Vater, ein Möbelpacker, zum Prügler wurde. Dafür, dass Baron alles auf die Klassenherkunft zurückführt, liefert er ihr "viel zu wenig" Material über diese Gesellschaft und über die konkrete Vergangenheit des Vaters. Zwar findet sie in dem Roman viele interessante Beobachtungen und literarische Bilder, aber leider lasse der Autor sie alle "versanden", bedauert Akrap. Für die größte Schwäche hält sie den Ich-Erzähler, den sie sich selbstreflexiver und differenzierter gewünscht hätte. Schließlich gibt es häusliche Gewalt oder Trostlosigkeit auch in Familien mit "Opern- und Zeit-Abonnement", schließt sie.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.01.2020

Rezensent Ijoma Mangold verortet Christian Barons autobiografischen Roman im Kontext der Bücher von Didier Eribon. Berührend findet er die Schilderung einer kaputten Familie aus Kaiserslautern, die unter Armut und dem Alkoholismus des Vaters leidet, weil sie den Schmerz der Kinder transportiert, die den Vater nicht so lieben konnten, sie es wollten. Doch so reizvoll der Stoff für Mangold, so problematisch findet er die Klassifizierung des Vaters und den Versuch des Autors, einen "übergeordneten systemischen Zusammenhang" für das Unglück der Familie verantwortlich zu machen. Darüber hinaus erscheint dem Rezensenten die ausgestellte Sprachlosigkeit des geschilderten Milieus als ästhetische Entscheidung zwar nachvollziehbar, beim Leser jedoch bleibt laut Mangold der Wunsch zu erfahren, was in den Köpfen der Figuren vorgeht.