Christoph Hein

Unterm Staub der Zeit

Roman
Cover: Unterm Staub der Zeit
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518431122
Gebunden, 220 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Der vierzehnjährige Daniel kommt 1958 aus seiner ostdeutschen Heimatstadt, wo ihm als Pfarrerssohn das Abitur verwehrt wird, nach Berlin. Er zieht in ein Schülerheim in Grunewald, wo er auch das Gymnasium besucht, und lebt sich in der neuen Umgebung rasch ein. Mit seinen Zimmergenossen - die alle, wie er, aus der DDR stammen - drückt er nicht nur die Schulbank, sondern sie erkunden gemeinsam die Stadt: Als Zeitungsverkäuferziehen sie allabendlich durch die Kneipen, und wenn das Essen im Schülerheim allzu fade schmeckt, geht es auf eine Erbsensuppe in Aschingers "Stehbierhalle". Sie erleben den Erweckungsprediger Billy Graham, der die Massen im Tiergarten in Verzückung versetzt, und Bill Haley, der den Sportpalast zum Kochen bringt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.06.2023

An seiner eigenen Biografie entlang erzählt Christoph Hein vom Leben in der Zeit des kalten Krieges, erfahren wir von Rezensent Dirk Knipphals. Der Kritiker findet es wohltuend altmodisch, wie Hein von seiner eigenen Jugend zwischen West- und Ostberlin erzählt. Schulzeit und erste Jobs als Jugendlicher in Westberlin schildert Hein in vielen Details und lässt in Alltagsschilderungen das "Zeitkolorit" jener Ära aufblitzen, so Knipphals. Auch Zeithistorisches baut der Autor ein, lesen wir, ein Konzert von Bill Haley, einen Auftritt des "Erweckungspredigers" Billy Graham. Lediglich ein bisschen mehr psychologische Tiefe bei der Figurenzeichnung hätte sich der Kritiker gewünscht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.06.2023

Christoph Heins neuer Roman entwickelt sich genauso wie sein Protagonist, findet Rezensent Wolfgang Schneider. Hein erzählt in dieser autobiografisch geprägten Erzählung von seiner Jugend in West-Berlin Ende der fünfziger Jahre, lesen wir: Aus der Ich-Perspektive schildert Protagonist Daniel ziemlich detailliert seinen Schulalltag. Die Ansiedlung der Handlung in der politisch aufgeladenen Atmosphäre kurz vor dem Mauerbau hat für den Rezensenten durchaus seinen Reiz. Die Geschichte nimmt allerdings nur langsam Fahrt auf, so der Kritiker, erst als Daniel der Pubertät entwächst und beginnt, sich in der Theaterszene herumzutreiben, wird es für ihn richtig interessant. Durchaus zu schätzen weiß Schneider aber Heins differenzierten Blick auf den Ost-West-Konflikt, der hier seinen Anfang nahm und der heute noch Debatten zwischen Ost- und Westdeutschland prägt: Heins Deutung des Mauerbaus als " Gemeinschaftsleistung von Ost und West" werden wohl eher Ostdeutsche als Westdeutsche ausgewogen finden, denkt sich der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 20.05.2023

Seinem Ruf als "Chronist der DDR" wird Christoph Hein für Rezensent Jörg Magenau mit seinem Buch nicht gerecht; eher begegnet er hier einem pedantischen "Chronist seiner selbst": Hein erzähle hier autobiografisch, auch wenn sein Protagonist Daniel heißt, von seiner Schulzeit als Ostdeutscher an einem Westberliner Internat. Was als noch wenig beleuchtetes Kapitel der deutschen Geschichte interessant sein könnte, dieses "seltsame west-östliche Paralleluniversum", wird bei Hein zur unhistorischen, mäßig verbundenen Ansammlung von Anekdoten aus dem Internatsalltag, die man schon auswendig kennt, wie Magenau festhält. Vorgetragen würden diese in "onkelhaftem", "harmlosen" Tonfall und in einer "peniblen", "umständlichen" Weise, die den Kritiker langweilt. Einige ansprechende Passagen zu den ersten Liebesnächten des Protagonisten mit einer Schauspielerin können dieses "verstaubte" Buch für den Kritiker nicht retten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.04.2023

Rezensent Ulrich Seidler hustet Staub beim Lesen von Christoph Heins Geschichte eines Bürgersöhnchens aus der DDR. Das liegt weniger an den anekdotisch geschilderten Erlebnissen des jungen Mannes in den 1950ern als vielmehr an dessen arroganter, humorfreier Haltung allem und jedem gegenüber, meint Seidler. Um es anders zu sagen: Das Bürschchen geht Seidler ziemlich auf die Nerven, weil Hein ihm keine Selbstreflexion gönnt. Aber auch, weil seine gestelzte Prosa leblos und bemüht wirkt, wie Seidler findet.