Dipesh Chakrabarty

Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter

Cover: Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518587799
Gebunden, 443 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Christine Pries. In seinem Buch taucht Chakrabarty tief ein in Geschichte und Philosophie und stellt kühne Überlegungen darüber an, wie das menschliche Denken und Leben zukünftig zu gestalten ist. Insbesondere erklärt er, dass wir zu einem besseren Verständnis sowohl unserer Herkunft als auch unserer Zukunft nur dann gelangen, wenn wir in der Lage sind, uns selbst aus zwei Perspektiven gleichzeitig zu betrachten: einer globalen und einer planetarischen, wobei letztere den Menschen absichtlich dezentriert. Erst auf diese Weise wird es möglich, in geologischen Zeiträumen zu denken sowie ein angemessenes Bild von der menschlichen Handlungsfähigkeit zu gewinnen. Angesichts der drohenden Naturkatastrophen ist es dafür höchste Zeit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.06.2022

Rezensent Jürgen Osterhammel erkennt die Folgerichtigkeit des neuen Buches von Dipesh Chakrabarty. Aufbauend auf seinen postkolonialen Thesen zum Neudenken Europas vollführt der "schreibende Umweltaktivist" laut Osterhammel eine posthumanistische Wende. Dass einige Kapitel des Buches schon vor Jahren publiziert und nun eher ungelenk mit Neuem zusammengefügt wurden, führt laut Osterhammel zwar zu einigen Wiederholungen, gut lesbar scheinen ihm Chakrabartys Ausführungen über Astrophysik, Geologie, Klimaforschung und Earth System Science aber dennoch. Arendt, Schmitt, Kant und die Globalgeschichte haben abgedankt, lernt der Rezensent, und der Mensch ist moralisch gesehen nicht mehr als das Virus, lost in Raum und Zeit.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 31.05.2022

Rezensent Jens Balzer lernt in Dipesh Chakrabartys "Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter", die Rolle des Menschen auf der Erde besser zu verstehen. Der 1948 in Indien geborene und in den USA tätige Historiker stellt darin die These auf, dass der Klimawandel nicht aufzuhalten sein und fordert die LeserInnen dazu auf, ihre Perspektive auf die Rolle des Menschen auf der Erde radikal zu ändern - von einer humanistischen zu einer planetarischen, erklärt Balzer. Immerhin sei der Mensch nur Nebendarsteller auf dieser Welt. Was man jedoch wirklich umsetzen kann und soll, dazu findet der Rezensent leider keine Antworten, was ihn ratlos aber dennoch heiter-depressiv inspiriert zurücklässt. Das bewegt Balzer auf sonderbare, aber doch berührende Weise, resümiert er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.05.2022

Rezensent Claus Leggewie bewundert den indischen Historiker und Theoretiker Dipesh Chakrabarty, der sich angesichts der Klimakrise wieder für eine "Re-Kategorisierung" der Menschheit stark macht, die durch Postkolonialismus und andere Diskurse der Pluralität und Differenz gesprengt worden sei. Einige entscheidende Fragen sieht Leggewie von Chakrabarty auf den Tisch gelegt, wenn er die Handlungs- und Wirkungsmacht nicht-menschlicher Entitäten diskutiert oder das planetarische Denken gegen ein globales setzt, um den Menschen aus dem Zentrum zu rücken. Nicht alles in diesen Ausführungen dürfte dem Laien verständlich sei, vielfach bezieht sich Chakrabarty auf Spezialdiskurse oder revidiert frühere Positionen. Dennoch empfiehlt Leggewie das Buch nachdrücklich.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.05.2022

Rezensent Stefan Mair resümiert zunächst recht sachlich die Gedanken des indischen Philosophen Dipesh Chakrabarty, der angesichts der Klimakrise ein neues Denken einfordert. Nicht nur solle sich der Mensch Chakrabarty zufolge in anderen Zeiträumen verorten, sondern auch als Träger einer geologischen Macht, die, wenn sie so weitermacht wie bisher, zum sechsten großen Massensterben in der Geschichte des Planeten führen wird, wie Mair darlegt. Wenn Chakrabarty allerdings fordert, die "humanistische Verblendung" zu überwinden und auch andere Arten in unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit miteinzubeziehen, steigt der Rezensent aus. Er fürchtet, dass aus einem solchen Posthumanismus möglicherweise politische Entscheidungen erwachsen, die völlig unmenschlich sein können: Harte Emissions-, Geburten- und Mobilitätskontrollen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.04.2022

Rezensent Bernhard Malkmus, der selbst zu ökologischen Themen geforscht hat, schätzt Dipesh Chakrabartys differenzierten Blick auf das Verhältnis des Menschen zum Planeten im Anthropozän und in der "geohistorischen Zeitenwende", die der indische Postkolonialismus-Theoretiker diagnostiziert. So sei der Mensch unmittelbar mit dem Planeten, den er aktiv verändert, verwoben und müsse sich dieser biosphärischen und kreatürlichen Verschränkung unbedingt bewusst werden, fasst Malkmus Chakrabartys Grundgedanken zusammen. Damit fühle der Theoretiker auch der westeuropäischen Denktraditionen auf den Zahn, und zwar äußerst versiert, wie Malkmus findet - die marxistische Kritik etwa sei für ein Verständnis des Kapitalismus in Bezug auf den Planeten zwar unabdingbar, vernachlässige aber die Angewiesenheit des Menschen auf die Biosphäre. Auch vom Utilitarismus und Humanismus nehme Chakrabarty Abstand. Eine selten "feinsinnige" Reflexion über die Folgen des "fossilen Wahns", die dem Kritiker tiefe Einblicke bietet.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.04.2022

Rezensentin Elisabeth von Thadden begrüßt sehr, dass der philosophische Weltstar Dipesh Chakrabarty endlich auch auf Deutsch zu lesen ist. Bahnbrechend findet sie, wie der in Chicago lehrende indische Historiker den Klimawandel endlich auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften verankert. Dafür führt er eine dreifache Geschichtsschreibung ein, die den Menschen in der Moderne denkt: als biologische Spezies und als Teil des planetaren Weltsystems. Wie Chakrabarty dabei intellektuell Kontinente zusammenführt und Berge versetzt, kann die Rezensentin nur mit Bewunderung quittieren. Auch wenn sie manchmal darüber stolpert, wie umstandslos Chakrabarty Hegel und Bruno Latour, Carl Schmitt und Hannah Arendt zusammenbringt, erscheint ihr der Mensch vor dem planetaren Horizont nicht nur in seiner Kläglichkeit. Chakrabarty pocht auch auf die Freiheit und Individualität des Einzelnen, betont Thadden und stellt fest: "Dieses Denken ist schön."