Elisabeth Beck-Gernsheim

Wir und die Anderen

Vom Blick der Deutschen auf Migranten und Minderheiten
Cover: Wir und die Anderen
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518416075
                         , 232 Seiten, 14,80 EUR

Klappentext

Das Buch handelt von den Bildern, die in Medien und Alltag über Migranten und ethnische Minderheiten kursieren: zum Beispiel die enge Traditionsbindung, die für Einwanderer charakteristisch sein soll; oder das traurige Los der unterdrückten Ausländerfrau; oder das Schicksal der zweiten Generation, verloren im Kulturkonflikt. Warum können sich solche unbegründeten Vorstellungen halten? Weil, so Elisabeth Beck-Gernsheim, die Einheimischen "die Anderen" aus dem mononationalen Blickwinkel der deutschen Mehrheitsgesellschaft betrachten. Die Erfahrungen der Migranten und Minderheiten dagegen sind transnational: sind aufgespannt zwischen mehreren Ländern, Kulturen und Zentren, sind geprägt vom Nebeneinander mehrerer Sprachen, Heimaten, Weltbilder.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.03.2005

Der Rezensent mit dem Kürzel "ces" empfindet die Thesen, die Elisabeth Beck-Gernsheim in ihrer Arbeit zur Wahrnehmung der in Deutschland lebenden Migranten durch die hiesige Gesellschaft und Medienlandschaft formuliert, teilweise zwar als kontrovers, aber nichtsdestotrotz als Bereicherung. Die Autorin hat nach Meinung des Rezensenten das offensichtliche Bestreben, einen anderen als den gewöhnlichen Ansatz zu verfolgen und bringt deshalb frischen Wind in die Diskussion. Auch wenn man das in manchen Aspekten für "einseitig" halten mag, sind in ihren Thesen hilfreiche Gedanken enthalten - zum Beispiel, dass man bei der Betrachtung der Medienberichterstattung über Migranten im Hinterkopf behalten sollte, dass sich in Medien und Wissenschaft gerne über "nahe liegende Phänomene" und Exotismen dem Thema genähert wird.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.07.2004

Elisabeth Beck-Gernsheim ist Professorin für Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Forschungsschwerpunkte: Arbeit und Beruf, Familie und Geschlechterverhältnisse; Migration und multikulturelle Gesellschaft; Technik und Technikfolgen. Als zwiespältige Angelegenheit sieht Rezensent Dorion Weickmann die Studie der Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim über Migranten-Bilder der Deutschen in Sozialwissenschaft und Medien in. Zwar gesteht Weickmann zu, dass die "kritische Sichtung" einige "Klischees" zu Tage fördere, denen Soziologen und Journalisten häufig "aufsitzen"; jedoch wirft er der Autorin vor, dass auch ihr Blick von "blinden Flecken" getrübt sei. Weickmann kritisiert, dass Beck Gernsheim bestimmte Realitäten als "Marginalie" abtue, wie zum Beispiel die "arrangierte Zwangsehe", die das "Damoklesschwert" über vielen türkischen Mädchen sei, oder auch die am Rande der Gesellschaft gewachsene "Jugend- und Parallelkultur" der Immigrantenkinder in deutschen Großstädten. Erst der zweite Teil des Buches findet Weickmanns Gefallen. Nach den "empirischen Kapriolen" des ersten Teils zeige sich Beck-Gernsheim hier als "scharfsinnige Analytikerin". Ihre Kritik an der in Ausländerstatistiken üblichen Polarisierung zwischen "Inländer" und "Ausländer" findet der Rezensent schlüssig, ihre Gegenvorschläge überzeugen ihn "auf ganzer Linie". Ebenso "einleuchtend" findet er die Kritik am Betrieb der Migrationsforschung. Auch der "zähe Auftakt" - so schließt Weickmann halbwegs zufrieden - könne die "Richtigkeit" dieser Einsichten nicht schmälern.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.06.2004

"Der Wahrnehmung der Anderen" als Gegenstand der empirischen Sozialforschung widmet sich Elisabeth Beck-Gernsheim in ihrer Studie, die der Rezensent Florian Coulmas mit gemischten Gefühlen gelesen hat. Beck-Gernsheim vertrete die "kritische These", dass sich die deutsche Soziologie bislang nicht von ihrem "normaldeutschen Blick" habe lösen können, dass sie die angelsächsische Reflektion über postkoloniale und transnationale Wirklichkeit, die Konzepte zur Erfassung von "beweglichen Lebensformen" vor dem Hintergrund verschiedener Migrationsvarianten erarbeitet hat, nicht rezipiert habe, und dass sie sich somit in eine Art "methodologischen Nationalismus" eingesperrt habe. Das geht Coulmas nun doch zu weit, und er ermahnt die Autorin ein wenig ungnädig, anderen nicht "Borniertheit und soziologische Naivität" vorzuwerfen, solange sie ihre eigene Position nicht entsprechend reflektiert. Die angelsächsische Soziologie sei schließlich nicht allmächtig, auch andere nationale Soziologien, die Beck-Gernsheim nicht rezipiere, hätten interessante Begrifflichkeiten entwickelt. Schließlich wirft Coulmas der Autorin vor, sich nicht "in die Niederungen der Feldforschung" begeben zu haben; sonst wäre ihr sicher aufgefallen, dass die Migration, die sie mit den Begriffen "Bruch" und "Einschnitt" romantisiert, für manche "etwas Normales, Untraumatisches" sei.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.06.2004

Sehr aufschlussreich findet Rezensentin Andrea Rinnert dieses Buch, in dem die Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim kritisiert, dass häufig nur die Probleme der Migration wahrgenommen werden, nicht aber ihr Gelingen. Ohne die Probleme der Integration zu verkennen, so Rinnert, zeige die Autorin dagegen, dass in der Öffentlichkeit oft nur eine "Folklore des Halbwissens" über Migranten vorzufinden sei. So mache die Autorin hinter unseren Meinungen zur "armen Ausländerfrau", einem Topos, den etwa die Türkin mit dem Kopftuch verkörpere, eine ethnozentrische Überlegenheitsattitüde ausfindig, die unseren Blick auf die Migranten verzerre. Sie zeige auch, dass die vermeintliche Traditionsverbundenheit vieler Migranten, die oft als Import aus einer überkommenen Herkunftstradition betrachtet werde, eher Produkt der Migrationssituation selbst sei. Beck-Gernsheim schildere zahlreiche Beispiele gelungener Integration und wende sich gegen den "mononationalen, monokulturellen Blick" auf Migranten. Das Fazit der Rezensentin: "Wer heutzutage von Migration sprechen will, darf von gelungener Integration nicht schweigen."

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