Gabriele Tergit

Der erste Zug nach Berlin

Roman
Cover: Der erste Zug nach Berlin
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2023
ISBN 9783895614750
Gebunden, 208 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Heausgegeben und mit einem Nachwort von Nicole Henneberg. In ihrer rasant erzählten Satire "Der erste Zug nach Berlin" - erstmals nach dem Original-Typoskript veröffentlicht - nimmt uns Gabriele Tergit mit ins Berlin der Nachkriegszeit. Die junge Amerikanerin Maud hat noch nicht viel von der Welt außerhalb der New Yorker High Society gesehen. Da bekommt sie die Gelegenheit, eine britisch-amerikanische Militärmission nach Berlin zu begleiten, die den Deutschen endlich demokratische Prinzipien näherbringen soll - eine fabelhafte Chance, vor ihrer Hochzeit noch rasch etwas zu erleben. Die chaotische Gruppe versammelt skurrile Charaktere, unter anderem einen falschen Lord, die sich politisch nicht immer einig sind und darüber so manchen Streit austragen. Und die so glamouröse wie naive Maud muss bald feststellen, dass die Deutschen weder ein Interesse an Demokratie haben, noch daran, von ihr und den anderen Alliierten gerettet zu werden.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 20.04.2023

Rezensentin Katharina Döbler begibt sich in diesem offenbar in den Fünfzigern entstandenen und vor mehr als zwanzig Jahren bereits überarbeitet erschienenen Buch von Gabriele Tergit einmal mehr ins Nachkriegsberlin. Dass sich Tergit-Herausgeberin Nicole Henneberg streng an das Originalmanuskript - samt englischsprachiger Passagen - hält, verbucht die Kritikerin als Gewinn. Und so reist sie in dieser, wie sie findet, kongenialen Mischung aus Reportage, Satire und Zeitgeschichte an der Seite der jungen, reichen und naiven New Yorkerin Maud zwecks Gründung einer demokratischen deutschen Zeitung nach Berlin und blickt mit dieser ganz ahnungslos auf Berliner "Nazi-Noblesse", "ökonomisch motivierte" Amerikaner oder "klug formulierende" Russen. Dass die Autorin die Ereignisse in Berlin nicht von oben herab kommentiert, ist für Döbler ein weiterer Vorzug dieses lesenswerten Buches.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 31.03.2023

Tobias Lehmkuhl empfiehlt mit Gabriele Tergits Roman einen Solitär in der deutschen Nachkriegsliteratur. Wie Beckett schreibt Tergit laut Lehmkuhl über die Verlogenheit anno 1948/49. Aus Sicht einer US-Pressevolontärin erzählt der Text von Trümmern und Täuschungen und bekommt dabei selbst etwas "Wild-Wucherndes", meint der Rezensent. Englische Satzfetzen, rasante Dialoge, Unfertiges und eben Szenen wie bei Beckett wechseln einander ab, erklärt er. Das Buch kommt der Wahrheit damit ein Stück näher als jede geschliffene Prosa, findet Lehmkuhl.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.02.2023

Rezensent Claus-Jürgen Göpfert überhört nicht die bitteren Klänge in Gabriele Tergits exaltierter Satire über das nicht besonders gründlich entnazifierte Nachkriegsdeutschland. Tergit scheint eigene Erlebnisse zu verarbeiten, vermutet der Rezensent, wenn sie von einer amerikanischen Journalistendelegation erzählt, die bei ihrer Reise durch Deutschland ebenso auf alte Nazis wie auf KZ-Überlebende trifft. Als cleverer Kunstgriff dient ihr dabei die naive Maud, die vor ihrer Hochzeit noch mal was erleben will und deren Bewusstwerdungsprozess Tergit hier nachzeichnet. Göpfert bedauert, dass Tergits Literatur lange Zeit keine Anerkennung in Deutschland fand, umso mehr lobt er das Verdienst des Schöffling Verlags, die deutschjüdische Autorin, die im Londoner Exil lebte, wieder bekannt gemacht zu haben.  

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.02.2023

Ach, wie schön zischt es wieder in den Dialogen von Gabriele Tergit, freut sich Rezensent Fabian Wolff. Geschrieben in den 1950er Jahren, als die Journalistin in London lebte, handelt die Geschichte von einer jungen Amerikanerin, die mit ihrem geschäftemachenden Onkel eine Europareise unternimmt, die auch ins Nachkriegsdeutschland führt. Wie die oberen Zehntausend der USA, von denen einige Hitlers Ideologie durchaus etwas abzugewinnen wussten, in die Welt nach 1945 schauen: Das zerlegt Tergit wieder treffsicher, findet Wolff. Auch durch die so klug wie elegant in den Roman eingeflochtenen Anglizismen kommt in diesem Roman keiner ungeschoren davon, freut sich der Kritiker. Für ihn ist Tergit "George Orwell mit Humor" und dieses Buch zu lesen ein Glück.
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