Hans Blumenberg

Beschreibung des Menschen

Cover: Beschreibung des Menschen
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783518584675
Gebunden, 656 Seiten, 48,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Manfred Sommer. Hans Blumenbergs Anthropologie ist eine philosophische Entdeckung ersten Ranges. Seit vielen Jahren erwartet und auch gefordert, liegt sie nun endlich vor - ediert aus dem Nachlass. Und sie setzt ein mit einer einfachen, aber überaus folgenreichen These: Der Mensch ist sichtbar. Das ist der Hauptsatz dieser phänomenologischen Anthropologie. Unter den Primaten ist es allein der Homo sapiens, der dauerhaft aufrecht steht und geht; deshalb kann er beides besonders gut: sehen - und gesehen werden. Die Optimierung der visuellen Wahrnehmung geht einher mit dem Risiko erhöhter Visibilität. So exponiert zu sein, formt das Weltverhältnis des Menschen und macht ihn zum Virtuosen der Selbstinszenierung, aber auch der Selbstverstellung und Selbstverhüllung. Sichtbarkeit bedeutet deshalb auch: Der Mensch ist undurchsichtig - für andere wie für sich selbst. Sichtbarkeit provoziert zudem Selbstbezug. Denn dessen gewahr zu werden, dass man gesehen werden kann, führt zur Reflexion und ist doch kontingentes Resultat im Prozess der Evolution.
Hans Blumenbergs überaus materialreiche Anthropologie hat ihren theoretischen roten Faden in ihrer dezidiert phänomenologischen Ausrichtung. Doch ist eine "Phänomenologische Anthropologie" nicht ein Widerspruch in sich? Nicht ganz. Weil es wesentlich Gegenstandsbezug ist, muss jedes Bewusstsein inkarniert, einem Körper innewohnend sein. Und hier schließt sich der Kreis: Reflexion, die ihren Ausgang von der Sichtbarkeit nimmt, ermöglicht die Zuwendung zum Leib und zum Bewusstsein.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.03.2007

Nicht ohne Gewinn hat Rezensent Justus Wenzel dieses 900-Seiten-Werk gelesen, das seinen Informationen zufolge aus dem Nachlass des 1996 verstorbenen Philosophen herausgegeben worden ist. Und zwar als erstes, für das es kein Planskizze "des Meisters" mehr gegeben habe. Das führt beim Lesen, wie wir der Rezension entnehmen können, zu mancher Langatmigkeit und Strukturschwäche, beim Rezensenten insgesamt zu "vorausschauender Nachsicht". Deswegen liest sich die Kritik, die auf einen letztlich eher begrenzten Neuheits- und Erkenntnisgewinn schließen lässt, beinahe schüchtern. Das Buch zerfalle in zwei Hälften, lesen wir: "Phänomenologie und Anthropologie" heiße der erste, "Kontingenz und Sichtbarkeit" der zweite Teil. Doch scheint es selten zu prägnanten Gedanken oder Thesen zu kommen. Trotzdem muss das Buch für Fans eine willkommene Wiederbegegnung mit dem Geist Blumenbergs sein, den der Rezensent die Fragen nach dem Sein des Menschen immer wieder plausibel, nicht selten gewitzt, aber nie endgültig beantwortet sieht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.11.2006

Die aus dem Nachlass herausgegebene philosophische Anthropologie Hans Blumenbergs macht für den Rezensenten Thomas Meyer eine Korrektur des bisherigen Blumenberg-Bildes notwendig. Blumenberg setze sich zunächst intensiv mit den Weltdeutungen Husserls und Heideggers, Descartes' und Kants auseinander, ehe er seine eigene philosophische Anthropologie ohne Hybris und Heilsversprechen entwickelt. In ihrem Zentrum stehen die Begriffe 'Verantwortung' und 'Delegation' - für Meyer ist dies schlicht eine "großartige Schöpfung".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2006

Sehr ins philosophische Detail geht Rezensent Helmut Mayer in seiner Besprechung dieses Werks aus dem Nachlass von Hans Blumenberg. Einen zentralen Punkt sieht er in der Auseinandersetzung des Philosophen mit dem Gegensatz von Phänomenologie und Anthropologie. Wie schon in den Büchern davor wird für Mayer auch hier einmal mehr die Bedeutung Husserls für Blumenbergs Denken deutlich. In diesem Zusammenhang verweist er auf Blumenbergs Würdigung von Husserls Ansatz als eindrucksvolles Projekt einer philosophischen Vergewisserung des Subjekts inmitten einer zunehmend von den Naturwissenschaften dominierten Szenerie. Andererseits unterstreicht Mayer auch die Kritik, die Blumenberg an der Weltlosigkeit des von Husserl konstruierten Subjekts und an dessen Gegnerschaft zur Anthropologie übt. Die Größe des Philosophen sieht Mayer nicht zuletzt darin, dass er bei seinen Überlegungen Fragen offen hält, die die institutionalisierten Wissenschaften nicht stellen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.10.2006

Rezensent Rüdiger Zill begrüsst diese, im Nachlass des Philosophen und "Ideenhistorikers" aufgefundene philosophische Anthropologie, liefert sie doch mit ihrer "Fülle an Bezügen und gedanklichen Verzweigungen" posthum noch reichlich Material für das Anliegen Hans Blumenbergs, darzulegen, dass es "auch in der Phänomenologie einen Bedarf an Anthropologie" gibt, die ihr erst die traditionelle Metaphysik, dann auch die Phänomenologie stets verweigert hätten. Auch erhellt das Buch aus Sicht des Rezensenten noch einmal die fundamentale Bedeutung Edmund Husserls und seiner Anthropologie-Kritik für Blumenbergs Denken. So nehme die aus Sicht des Rezensenten gelegentlich fast "obsessiv" geratene Auseinandersetzung mit Husserl den größten Teil des Buches ein, das Zill zufolge aus zwei, Mitte der siebziger und Anfang der achtziger Jahre gehaltenen Vorlesungen hervorgegangen ist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.10.2006

Jürgen Busche berichtet von einer schwierigen Lektüreerfahrung mit dem aus dem Nachlass publizierten Band von Hans Blumenberg. Er ist davon überzeugt, dass einiges Ungemach hätte verhindert werden können, wenn das Nachwort von Manfred Sommer als Vorwort vorangestellt worden wäre. Darin erfährt man nämlich, dass die Ausführungen als Versuch gedacht waren, eine "phänomenologische Anthropologie" herzuleiten, die auch den Begründer der Phänomenologie Edmund Husserl, der sich strikt gegen eine anthropologische Vereinnahmung seiner Philosophie wandte, zu überzeugen. So erkläre sich auch so manche Akribie und Wiederholung in der Argumentation, die ohne dieses Wissen einfach nur ermüdend und ärgerlich seien, so der Rezensent, der sich als eingefleischter Blumenberg-Anhänger zu erkennen gibt. Für alle Nicht-Phänomenologen, darin lässt der Rezensent aber keinen Zweifel, ist dieser Band ein hartes Brot.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de