Hubertus Knabe

Die Täter sind unter uns

Über das Schönreden der SED-Diktatur
Cover: Die Täter sind unter uns
Propyläen Verlag, Berlin 2007
ISBN 9783549073025
Gebunden, 384 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

War das Unrechtsregime der SED in Ostdeutschland ein Kavaliersdelikt? Betrachtet man die Ostalgie-Shows im Fernsehen, den Kultstatus von DDR-Devotionalien oder die öffentliche Verhöhnung ehemaliger Häftlinge durch frühere Stasi-Offiziere, so scheint sich dieses milde Urteil über die zweite deutsche Diktatur durchgesetzt zu haben. Während sich die Täter von einst durch tatkräftige Lobbyarbeit einen auskömmlichen Lebensabend erstritten, werden die Opfer in Deutschland wieder einmal allein gelassen. Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, zieht knapp zwei Jahrzehnte nach dem Sturz des SED-Regimes eine kritische Bilanz des Umgangs mit der DDR-Vergangenheit. Er beschreibt die mangelhafte strafrechtliche Verfolgung der Täter und deren Reorganisation in schlagkräftigen Vereinen. Er zeigt, wie die SED durch Umbenennung und geschicktes Taktieren ihr Überleben in der Demokratie sicherte, und schildert die Lage Tausender Opfer, die unzureichend entschädigt wurden und deren Kampf für Freiheit und Demokratie kaum öffentliche Wertschätzung erfährt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.09.2007

Wenig hält Rezensent Axel Dossmann von dieser Auseinandersetzung mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte und wirft dem Verfasser vor, weniger an "abwägender Aufklärung" und "selbstkritischer Reflexion" sondern schlicht an "Deutungsmacht" interessiert zu sein und "Identitäts- und Geschichtspolitik" zu betreiben. Dabei behaupte er Konsens, wo in Wahrheit keiner besteht - zum Beispiel bei der Bewertung der Wende als "friedliche Selbstbefreiung". Auch die Kritik des Leiters der Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, dass die Hauptverantwortlichen für das DDR-Unrecht straflos davon gekommen seien, greift für den Rezensenten zu kurz und krankt aus seiner Sicht außerdem an einem "vage bleibenden" Täterbegriff. Hubertus Knabes Gleichsetzung von Stasi-Terror und Schießbefehl an der Mauer mit dem Vernichtungskrieg des Dritten Reiches schließlich hält Dossmann für respektlos gegenüber den Opfern der DDR, der Wahrheitsfindung diene es nicht. Insgesamt fühlt sich Dossmann durch Knabes doktrinäre Art der Geschichtsvermittlung an die DDR-Staatsbürgerkunde erinnert.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.08.2007

Andreas Petersen begrüßt Hubertus Knabes Buch über die Aufarbeitung des DDR-Unrechts. Die Bilanz, die der Autor zieht, scheint ihm allerdings überaus ernüchternd. Kapitel für Kapitel bestätigt sich für ihn, wie spärlich diese Aufarbeitung ausgefallen ist. Er sieht hier eine gewaltige Schieflage am Werk: Während die Täter von gestern, SED-Funtionäre, Altkader und Stasileute, heute wieder bestens organisiert sind, sich in jahrelangen Renten-Prozessen gegen die Beschneidung ihrer DDR-Privilegien gewehrt haben, munter Geschichtsrevisionismus betreiben und die Opfer des Unrechtsstaats verhöhnen, fühlen sich die Verfolgten und Geschädigten der DDR-Diktatur wie Opfer zweiter Klasse. Petersen schätzt das Buch als "akribisch" und "materialreich". Es verdeutlicht für ihn einmal mehr, was heute oft nicht mehr wahrgenommen und begriffen wird: dass die DDR eine echte Diktatur war.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.06.2007

Wenn Hubertus Knabe im vierten Kapitel die besorgniserregenden Aktivitäten von Organisationen ehemaliger SED-Kader beschreibt, ist Rezensent Christoph Klessmann interessiert bei der Sache. Die "ausufernde Generalanklage", die das restliche Buch für ihn darstellt, lässt die Richtigkeit solcher Einzelbeobachtungen aber untergehen, moniert er. Nicht nur eine Frage des Tons ist für Klessmann dann Knabes Gleichbehandlung von DDR und Nationalsozialismus. Wie die Allierten nach dem Zweiten Weltkreig es vorgemacht hätten, verlangt Knabe ein moralisches "Reinigungsverfahren" in Bezug auf DDR-Täter. Zwischen den beiden Diktaturen gibt es erhebliche Unterschiede, betont Klessmann, der bei Knabe in dieser Hinsicht eine "erstaunlich selektive, um nicht zu sagen naive" Sicht auf die Geschichte feststellt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.04.2007

Etwas zwiespältig findet Ralf Husemann diese Abrechnung mit allen DDR-Nostalgikern und DDR-Verharmlosern, die der Historiker und Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Hubertus Knabe vorgelegt hat. Der Hauptthese des Buchs, die Aufarbeitung des Unrechtsstaates DDR lasse zu wünschen übrig, kann er sich durchaus anschließen, zumal Knabe sie mit zahlreichen Fakten belegen könne. Auch bescheinigt er dem Autor, sich um eine "nüchterne" Sprache zu bemühen, wenn er zum Beispiel anprangert, dass Stasi-Opfer mit Mini-Renten abgespeist werden, während Täter ihre satten Pensionen goutieren und zugleich immer unverschämter auftreten. Missstände wie diese darzustellen und zu kritisieren, hält Husemann für wichtig. Insofern würdigt er Knabes Anliegen als "richtig und verdienstvoll". Dennoch schießt der Autor in Husemanns Augen immer wieder über das Ziel hinaus. So hält er ihm etwa vor, trotz seines Beteuerns, DDR und Drittes Reich nicht gleichsetzen zu wollen, ständig den NS-Staat und den Umgang mit ihm in der Nachkriegszeit als Vergleich heranzuziehen. Dass sich auch Menschen mit vielleicht ehrenwerten Motiven für die DDR eingesetzt haben, könne sich Knabe nicht vorstellen.
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