Ivan Klima

Stunde der Stille

Roman
Cover: Stunde der Stille
Transit Buchverlag, Berlin 2012
ISBN 9783887472689
Gebunden, 256 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Aus dem Tschechischen von Maria Hammerich-Maier. Der Roman basiert auf einer langen Recherche für einen Spielfilm, den Ivan Klima über die Entwicklung des Sozialismus in der Ostslowakei, einer völlig unterentwickelten, armen und weithin unbekannten Region zwischen Polen, der Ukraine und Ungarn, mitgestalten sollte. Der Film durfte nicht produziert werden, seine Notizen und Erlebnisse verarbeitete Klíma zu einem Roman, der die Zeit vom Kriegsende bis Anfang der fünfziger Jahre umspannt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.11.2012

Mit Ivan Klimas im Jahre 1963 erstmals veröffentlichtem und nun auch auf Deutsch übersetzten Roman "Stunde der Stille" hat Rezensentin Alena Wagnerova ein meisterhaftes Buch über die Mechanismen der Veränderung von "Idealen in eine Ideologie" gelesen. Erzählt wird die Geschichte des Landvermessers Martin Petr, der sich, nachdem seine Verlobte als Widerstandskämpferin im KZ ermordet wurde, entschließt, in einem ostslowakischen Dorf nach dem Zweiten Weltkrieg für eine bessere Zeit zu kämpfen. Er erlebt dort zwischen Toten und Ruinen nicht nur arme und ungebildete Menschen, sondern muss nach der Teilnahme an einer "demütigenden Prozedur", in der die Bauern gezwungen werden, der Bauerngenossenschaft beizutreten, auch resigniert feststellen, dass er seine Ideale verrät und zum Mitläufer wird. Die Kritikerin lobt nicht nur die eindringlich geschilderten Figuren, sondern würdigt diesen in einzelnen Episoden erzählten Roman insbesondere als "hochmoderne literarische Erzählung".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.09.2012

Hans-Peter Riese sieht in dem ersten, erst 50 Jahre nach seinem Original auf Deutsch erscheinenden Roman des tschechischen Autors Ivan Klima ein Buch der Aufklärung. Insofern erscheint es ihm lesenswert, auch wenn Klima hier noch nicht in der Lage ist, frei von den Mitteln des sozialistischen Realismus zu schreiben, die er eigentlich bekämpfen will. Auch wenn es Klima, wie Riese erklärt, nicht gelingt, die von ihm beschriebenen Schicksale (der Bäuerin, des Landvermessers, des Priesters) im Zuge der kommunistischen Umwandlung der Gesellschaft wirklich zu verstehen. Dass der Text auf Klimas Reportagen aus der Ostslowakei basiert und laut Riese eigentlich kein Roman ist, schmälert ganz offensichtlich nicht seine Funktion als Spiegel der gesellschaftlichen und politischen Zeitläufe. Vor allem aber überzeugt Riese das Buch als Dokument der Emanzipation eines Autors von seinen Jugendidealen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.07.2012

Katharina Granzin erkennt in Ivan Klìmas Buch den liberalen Geist in der Tschechoslowakei der frühen sechziger Jahre. Anders kann sich die Rezensentin jedenfalls nicht erklären, warum "Die Stunde der Stille" damals veröffentlicht werden durfte, denn parteikonform war Klímas Erstlingswerk sicher nicht. Granzin stößt auf einen opportunistischen Funktionär mit krimineller Ader, auf einen Ingenieur, der an der monströsen Bürokratie scheitert und auf einen idealistischen Lehrer vom Lande. Alles dreht sich um das Ringen der Charaktere für eine gerechte Ordnung und für das jeweils eigene "gute" Leben. Klímas Einsicht, dass der Mensch bei dieser Suche immer wieder bei sich selbst lande, weist für Katharina Granzin weit über dessen Zeit hinaus, und sie findet sie so aktuell wie eh und je.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.06.2012

Rezensent Karl-Markus Gauß freut sich, dass Ivan Klimas bereits 1963 in der ehemaligen Tschechoslowakei erschienener und kurz darauf verbotener Roman "Stunde der Stille" nun in einer gelungenen deutschen Übersetzung vorliegt. Der tschechische Autor, der zunächst als Reporter über die rückständigen Regionen des äußersten Ostens der Tschechoslowakei berichtete und anfangs noch an eine gerechte, sozialistische Ordnung glaubte, erzähle hier resigniert von den Jahren des sozialistischen Aufbaus, als Idealisten und Opportunisten auch die abgeschiedenen, ländlichen Gebiete gegen den Widerstand der Bewohner zum Fortschritt zwingen wollten. Voller Bewunderung liest der Kritiker nicht nur, wie es Klima gelinge, eine "archaisch anmutende Welt" zu entwerfen und zugleich auf die letzten Monate des Zweiten Weltkrieges zurückzuschauen, sondern auch die Abgründe seiner zahlreichen, schicksalhaft miteinander verbundenen Protagonisten auszuleuchten.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.05.2012

Als große Entdeckung und Gesang über den Sieg der Poesie über den Realismus feiert Rezensent Mathias Schnitzler diesen erstmals auf Deutsch erscheinenden (laut Schnitzler von Maria Hammerich-Maier gelungen übersetzten) Debütroman von Ivan Klima. Spielend in einem rückständigen Dorf im äußersten Osten der Slowakei, erzähle der Roman in "balladenhaftem" Ton von Krieg und Mythen und von einer von Aberglaube geprägten eigenwilligen Gesellschaft im Bann des Sozialismus. Wie die sozialistische Utopie scheitert, am Wunsch der Menschen nach Autonomie, Individualität, Ruhe, findet Schnitzler auch formal faszinierend umgesetzt: Indem der Autor die Form des sozialistischen Realismus mit ihren typischen Figuren- und Milieudarstellungen Stück für Stück poetisch transzendiert.

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