Karl Ove Knausgard

Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit

Roman
Cover: Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit
Luchterhand Literaturverlag, München 2023
ISBN 9783630876351
Gebunden, 1056 Seiten, 30,00 EUR

Klappentext

Aus dem Norwegischen von Paul Berf. Woher kommt es, das Leben, und was bedeutet es eigentlich? Um diese beiden Fragen kreist der neue Roman von Karl Ove Knausgård - der in einem inneren Zusammenhang zu seinem letzten Buch "Der Morgenstern" steht. Was ist geschehen, bevor dieser unerklärliche, weithin sichtbare Stern am Himmel auftauchte und anscheinend sämtliche physikalische Regeln außer Kraft setzte? Alles beginnt 1986 im Süden Norwegens. Der junge Syvert Løyning kehrt vom Militärdienst zu seiner Mutter und seinem Bruder ins Haus der Familie zurück. Im fernen Tschernobyl ist gerade ein Atomreaktor explodiert, Norwegen selbst wird von einer Regierungskrise erschüttert. Syvert weiß nicht wirklich, wohin mit sich. Was hält die Zukunft für ihn bereit? Eines Nachts träumt er von seinem toten Vater, und ein unheimliches Gefühl beginnt sich in ihm festzusetzen: sein Vater will ihm eine Botschaft übermitteln. Aber welche könnte das sein? Ratlos beginnt er sich die nachgelassenen Sachen von ihm genauer anzuschauen. Und muss schließlich feststellen, dass es ein anderes Leben gab, das sein Vater führte. Eines, das bis in die Sowjetunion führt. Ein Leben, das mit der russischen Wissenschaftlerin Alevtina zu tun hat, die viele Jahre später an einem Wochenende mit ihrem Sohn nach Samara reist, um den achtzigsten Geburtstag ihres Vaters zu feiern, und da noch nicht weiß, dass sie bald Besuch aus Norwegen bekommen wird. Und mit ihrer alten Freundin Vasilisa, einer Lyrikerin, die ein Buch über einen eigenwilligen und alten Zug der russischen Kultur schreibt: den Glauben an ein ewiges Leben ...

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2023

Den für Knausgard typischen "Sog der Ödnis" macht Kritikerin Katharina Teutsch auch in seinem neuesten, ausnahmsweise mal nicht autobiografischen, Roman fest. Über tausend Seiten umfasst die Geschichte um den jungen Syvert, der sich im Jahr 1986 auf die Suche nach Leben(sstationen) und Gefühlen seines früh verstorbenen Vaters macht: In der ersten in der norwegischen Provinz angesiedelten Hälfte ist das recht handlungsarm, meint Teutsch, in der zweiten, die in Russland spielt, geht es ihr dann ein wenig zu schnell. Dass zunächst nicht viel passiert, macht sie zwar auch als Stärke des Autors aus, mit den Erwartungen des Publikums zu spielen, aber sie hätte sich gewünscht, dass er die vielen verschiedenen Figuren, die anhand des gleich bleibenden Tons kaum zu unterscheiden sind, mit mehr Liebe zum Individuellen ausgestattet hätte. Auch die vielen ausgelegten Handlungsfäden, etwa zur Kommunikation in der Pflanzenwelt, hätte sie gern weiterverfolgt. Vielleicht beim nächsten Tausendseiter, schließt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.02.2023

Dem Rezensenten Marcus Hladek ist auch im zweiten Band des Morgenstern-Zyklus nicht so recht deutlich geworden, wo Knausgard mit seinen vielen apokalyptischen Handlungssträngen eigentlich hinwill. Von schauriger Wiederauferstehung durch Kryo-Technik berichtet Hladek ebenso wie von privaten Scharmützeln, mit denen die verschiedenen Ich-Erzähler zu tun haben. Viel Handlung auf noch mehr Seiten, meint er, ihn begeistert statt Rückblenden in Zeiten von Tschernobyl oder einer Doktorandin, die Pilze nimmt, um mit Bäumen zu sprechen, eher die aufwendige, durchdachte Struktur der vielen Figuren, die hier zum Sprechen kommen oder zum Thema werden. Ganz überzeugt ist der Kritiker aber nicht von Knausgards Spannungs- und Apokalypseschilderungen, er empfiehlt für Interessierte lieber die Lektüre von Wladimir Sorokin und wartet mal ab, was der kommende Band des Norwegers aus dem Thema macht.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 23.02.2023

Rezensent Richard Kämmerlings wird mit diesem Roman bewusst, was eigentlich der Kern des Romanprojektes von Karl Ove Knausgard ist, das mit dem Vorgänger "Morgenstern" begann. Der über tausend Seiten starke Band erzählt mit gewohntem Detail-Reichtum die Lebensgeschichten seiner zwei Protagonisten, dem Jungen Syvert Loyning und der Biologin Alevtina, die, wie sich im Lauf des Romans herausstellt auf vielfältige Weise miteinander verwoben sind. Gemeinsam haben sie beide auch die frühe Konfrontation mit dem Tod. Das ist auch das zentrale Thema hier, stellt Kämmerlings fest: Die Haltung eines jeden Menschen gegenüber dem unvermeidlichen Ende seiner Existenz und dem Wunsch nach der Überwindung des Todes. Am Ende lässt der Autor sogar Tote auferstehen und das mit ganz aktuellem politischen Bezug im Moskau kurz vor Beginn des Krieges. Beeindruckt ist der Rezensent davon, wie mühelos der Autor vom Detail in die metaphysische Reflexion gleitet und hier auch fantastische Elemente einbaut. Zu diesem Thema hat Knausgard auch kürzlich seine "Tübinger Vorlesungen" veröffentlicht, in denen er über die Möglichkeit der Verbindung von Realismus und Fantasy in der Literatur reflektiert. In Knausgards hyperrealistischer Prosa wirken fantastische Elemente jedenfalls noch einmal mehr und regen an über "das Undenkbare nachzudenken", schließt der höchst angeregte Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.02.2023

Rezensent Thomas Steinfeld ist merklich fasziniert von dem, was Karl Ove Knausgård da wieder vorgelegt hat: Ein Roman wie eine barocke Raumanordnung, findet Steinfeld, der in jedem Raum mit einer neuen Geschichte aufwartet, diese aber entlang einer Fluchtlinie anordnet, sodass am Ende ein Gesamtzusammenhang entsteht - obwohl am Anfang der Eindruck der Disparatheit überwiegt: Es geht unter anderem um einen irrwandelnden Kriegsheimkehrer, eine alternde Biologin, um Fußball, Tolstoi und um das Seelenleben der Bäume, wobei sich Knausgård jeder Erzählinsel mit der gleichen Aufmerksamkeit und dem gleichen Blick für alltägliche Details widme. Dabei tue sich der Autor nicht als großer "Stilist" hervor, meint der Kritiker, aber das würde auch gar nicht zu Knausgårds Erkundung der "Zwischenzustände des Gewöhnlichen" passen, die hier wie von selbst ins Philosophische, Metaphysische kippen, so Steinfeld: Durch das Eintauchen ins Sinnliche gerate Knausgård ans Übersinnliche, ohne aber ins Missionarische zu verfallen. Wieder ein "philosophischer Roman von geradezu unheimlicher Lebendigkeit", lobt der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.02.2023

Pünktlich am Erscheinungstag der deutschen Übersetzung wirft Rezensent Andreas Platthaus zunächst einen Blick auf die Entstehungsgeschichte des bereits vor einem Jahr im norwegischen Original erschienenen zweiten Bandes des "Morgenstern"-Zykluses. Denn Karl Ove Knausgård hat die zweite Hälfte der über 1000 Seiten dem - friedlichen - Moskau im Jahr 2023 vorbehalten. Darüber hinaus spielt die Geschichte wieder in der Stadt Bergen und ist erneut durch viele Ich-Erzähler multiperspektivisch erzählt, schreibt Platthaus. Um jedoch den Plot nicht zu verraten, nimmt er immer wieder Bezug auf Knausgårds Tübinger Poetikvorlesungen 2019, in denen es um das Autobiografische und das Böse ging, erklärt der Kritiker, der aber nicht verheimlichen will, dass es in diesem Roman nicht nur um Unheil, sondern auch um Unsterblichkeit geht. Wahnsinnig gespannt ist er schon jetzt, was nach dem Setting dieses Romans im nächsten Band passiert. In Norwegen ist er gerade erschienen.
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