Maria Stepanova

Der Körper kehrt wieder

Gedichte
Cover: Der Körper kehrt wieder
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518429679
Gebunden, 138 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja. Maria Stepanova war schon vor dem Erfolg ihres ersten Prosawerks "Nach dem Gedächtnis" eine bekannte Autorin. Seit zwanzig Jahren hat sie die Literaturszene Moskaus mitgeprägt und sich als Lyrikerin einen Namen gemacht, auch im angelsächsischen Raum. Die drei Langgedichte des vorliegenden Bandes, Erinnerungsarbeit in einer sich verdunkelnden Zeit, stehen in der Tradition der russischen und der amerikanischen Poesie der Moderne.
"Die Dichtung, dieses absurde, vieläugige / Wesen mit den vielen Mündern, / Lebt in vielen Körpern zugleich, / Ging durch viele Körper zuvor." Stepanova lässt die Poesie als handelnde Gestalt auftreten: Wir hören und sehen, wie sie über die Schlachtfelder des 20. Jahrhunderts schreitet, ihr Ohr an die Erde legt, den Boden aufgräbt, in den die Körper der Gefallenen eingegangen sind. Eine zerbrochene Welt wird besichtigt, und jemand ist da, der oder die alle Teile einsammelt, aufliest - sie "liest" und neu zusammensetzt. Ein messianisches Projekt? Maria Stepanova geht es um die politische, die poetische und die erotische Dimension der Körper - und dass sie alle, die toten und die lebendigen, das gleiche Recht beanspruchen: von uns gesehen, von uns wahrgenommen zu werden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.2021

Rezensentin Christiane Pöhlmann liest die drei Langgedichte von Maria Stepanova in der zweisprachigen Ausgabe mit einiger Mühe. Allzu wild wuchert der "Verweiswald". Das geht zu Lasten des sinnlichen Eindrucks, findet Pöhlmann, wie auch der Interpretationslust, die die Rezensentin zunächst durchaus packt. Sie entdeckt Bezüge zu Anne Carson und Daniil Andrejew, erkennt das Motiv des Krieges und die Befassung mit dem Schreiben, Folkloristisches und Erhabenes. Solange all das mühelos geschieht und erahnbar ist, geht Pöhlmann mit, doch insgesamt scheint ihr der Interpretationsaufwand doch zu übermächtig zu sein.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.03.2021

Rezensent Nico Bleutge trifft keine Musen in der Dichtung von Maria Stepanova. Die in diesem Buch versammelten, zwei verschiedenen Originalbänden entstammenden Langgedichte berichten laut Bleutge von der Gewalt in der russischen Geschichte - gegen den menschlichen Körper und gegen die Sprache gleichermaßen. Dass sich Poesie und politische Sprache zusammendenken lassen, beweist die Autorin mit ihrer Technik der "Überlagerung" und Durchdringung, in der Dichterstimmen und Putin-Sprech zu Wort kommen und in poetischer Uneindeutigkeit aufgehoben werden, erläutert Bleutge. Die Übersetzung von Olga Radetzkaja bildet das "grandios" nach, findet er.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.01.2021

Rezensentin Ilma Rakusa sieht die Poesie aus Osteuropa angesichts einer traumatischen Vergangenheit und ebenso verstörenden Gegenwart über sich hinauswachsen. Ein Beispiel dafür ist ihr die russische Lyrikerin Maria Stepanowa, die im Band "Der Körper kehrt wieder" drei epische Langgedichte versammelt. Für Rakusa ist Stepanowa eine "poetische Archäologin", die sich mit immenser Sprachkraft durch die Trümmer des 20. Jahrhunderts arbeitet. Aber auch Stepanowas Belesenheit ringt der Rezensentin Bewunderung ab. Sie entdeckt in den Gedichten Anspielungen auf Homer und Shakespeare, Puschkin und Goethe, die von Olga Radetzkaja auch formidabel ins Deutsche übertragen wurden. Dass die Gedichte immer wieder Krieg, Hunger und Tod beschwören, gilt es laut Rakusa "um jeden Preis" auszuhalten.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 12.12.2020

Rezensentin Marie Luise Knott bewundert, wie Maria Stepanova in ihren Langgedichten russische Geschichte, Erinnerungskultur und eigene Fragen miteinander verschneidet. Erhellend und amüsant findet sie das, auch wenn sie ahnt, dass der deutschen Leserin die ein oder andere Anspielung in den Texten entgeht. Meisterlich in der Subversion von Pathos mit Humor zelebriert die Autorin laut Knott Dichtung als widerständiges Medium. Komplex scheinen Knott die Gedichte durch philosophische, literarische und kulturhistorische Reflexionen, den Mix aus traditionellen lyrischen Formen und Ungebundenem, Kriegs-Rhetorik und Volksdichtung. Im dritten Zyklus des Bandes meint Knott, den Eindruck des Krieges im ukrainischen Donbas zu erkennen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 24.11.2020

Rezensent Michael Braun empfiehlt Maria Stepanovas Gedichte in der Übersetzung von Olga Radetzkaja. Die russische Dichterin präsentiert sich laut Braun als Unterweltreisende zu den Gräueln der russischen Gewaltgeschichte. "Geschichtspoeme" nennt er die drei langen Texte, in denen tote Dichter und Dichterinnen auftreten und historische wie aktuelle Bürgerkriegsopfer und die Stepanova mal im Ton der Totenklage, mal voll "cooler" Ironie vielstimmig gestaltet, wie Braun erklärt. Die Übersetzungen in der zweisprachigen Ausgabe findet Braun kongenial in der Nachbildung von Metrik, Rhythmus und Tonlagenwechsel.