Mathias Enard

Der perfekte Schuss

Roman
Cover: Der perfekte Schuss
Hanser Berlin, Berlin 2023
ISBN 9783446276390
Gebunden, 192 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Sabine Müller. Goncourt-Preisträger Mathias Enard erzählt aus der Perspektive eines Scharfschützen über den Krieg und die Realität von Kriegsgewalt - eine mutige und radikale Geschichte. Auf Konzentration kommt es an, auf Geduld und Atemkontrolle. An einem guten Tag reicht ihm ein einziger perfekter Schuss. Er ist zwanzig, der beste Scharfschütze der belagerten Stadt. Wenn er von seinem Posten auf dem Dach heruntersteigt, genießt er die Angst, die er verbreitet. Furchtlos ist nur Myrna, das Mädchen, das für seine demente Mutter sorgt - das er beschützen und besitzen will. Dies ist ein Roman über den Krieg aus der Perspektive eines Mörders, der sein Selbstwertgefühl aus der Eleganz seiner Treffer zieht. Kalt spricht der Erzähler von seinem Handwerk, dem Töten, und offenbart eine Wahrnehmung, in der die Verbindung zwischen gelungenem Schuss und ausgelöschtem Leben gekappt ist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.07.2023

Rezensent Lothar Müller bestaunt die Konsequenz, mit der Mathias Enard in seinem Debüt von 2003 die Psychologie eines Snipers ins Zentrum stellt. Wie der Ich-Erzähler über die Einheit von Waffe und Mensch philosophiert, wenn er im Morgengrauen den Abzug betätigt, ist vielleicht nicht jedermanns Sache, ahnt Müller. Dass aber Enard nicht im Pulp-Fiction-Style erzählt und auch nicht ideologisch wird, sondern ungerührt in der "Maske des Memoirs" bleibt, findet Müller bestechend. Der Lust an der Gewalt um ihrer selbst willen, meint Müller, kommt der Autor so auf bemerkenswerte Weise auf die Spur.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.2023

Einen "Volltreffer" nennt Rezensent Niklas Bender Mathias Énards ersten Roman, der nach zwanzig Jahren nun endlich auch auf Deutsch vorliegt. Die Geschichte um einen Scharfschützen und seine Faszination - oder besser Obsession - mit dem Schießen, dem Krieg und seiner Eingegrenztheit auf diesen Waffenwahn als Flucht aus dem desolaten Familienleben begeistert Bender mit der Knappheit ihrer Formulierungen, so präzise wie die Schüsse und genauso unversöhnlich und hart. Auch, dass das Bild des perfekten Schützen irgendwann in eines der psychischen Entrücktheit und zudem einer möglichen, aber komplizierten Liebesbeziehung kippt, überzeugt den Kritiker. Einzig, dass der Schluss des Buches im Deutschen gekürzt und geändert wurde, irritiert ihn ein wenig, dennoch passt das neue Ende zu einer Geschichte, die schon das gesamte spätere Schaffen ihres Autors andeutet, schließt er.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.04.2023

Auf eine "literarische Höllenfahrt" begibt sich Rezensent Karl-Markus Gauss mit diesem Roman des französischen Schriftsteller Mathias Énard, und lernt dabei einiges über die Schrecken des Krieges. Énards Hauptfigur, so der Rezensent, lädt nicht zur Identifikation ein: Es geht um einen jungen Heckenschützen, in einem nicht näher bestimmten Kriegsgebiet, der völlig ohne Empathie, aber mit diabolischer Lust, alle Menschen erschießt, die in sein Blickfeld geraten. Der Krieg hat sich hier verselbstständigt, schreibt Gauss, und wütet ohne ein Ende in Sicht, ursprüngliche politische Ziele sind unwichtig geworden. Man kann dem Autor nicht vorwerfen, hier einen "Reiz" am Bösen zu entfalten, meint der Kritiker, die Hauptfigur sei schlichtweg "abstoßend". Das wird noch gesteigert durch die "beklemmend dichte" Übersetzung von Sabine Müller. Verschenken würde der Kritiker das Buch nicht, aber er erfährt hier auf eindringliche Weise wie einfach Menschen dem Krieg verfallen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 05.04.2023

Das Buch ist schon zwanzig Jahre alt, es war Mathias Énards Debüt. Aber vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges könnte es nicht aktueller sein, versichert Rezensent Dirk Fuhrig. Énard erzählt von einem Scharfschützen in einem Bürgerkrieg irgendwo, der wie eine Mordmaschine funktioniert, die keinen Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten macht. Das Buch mit seiner ungeschminkten Sprache ist "ein erschütterndes Dokument der Entmenschlichung", schreibt der beeindruckte Rezensent, Énard erspare dem Leser nichts. Sensible Gemüter sollten schnell weitergehen, allen anderen empfiehlt Fuhrig dringend die Lektüre dieses herausragenden "Anti-Kriegs-Romans".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 22.03.2023

Bei der Lektüre von Mathias Enards Roman über einen Scharfschützen fühlt sich Kritiker Ingo Arend an Kurt Tucholskys Überzeugung erinnert, Soldaten seien Mörder: Der Protagonist berichtet aus dem Schießstand, aus dem er mal mit, mal ohne Grund Menschen wie Tiere erschießt. In der Übersetzung von Sabine Müller ist dabei jeder Satz ein Treffer, lobt Arend, so wird ihm klar, in welche verhängnisvolle Spirale sich der Erzähler begeben hat, dass das Schießen ihn süchtig macht. Der Rezensent resümiert, er kann durch den Roman die "Konditionierung zum Töten" nachvollziehen.