Maxim Biller

Der falsche Gruß

Roman
Cover: Der falsche Gruß
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2021
ISBN 9783462000825
Gebunden, 128 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Erck Dessauer, der Held und Erzähler dieses Romans, ist jung, begabt und bereit, ein großer Schriftsteller zu werden. Leicht ist das nicht im Berlin der Nullerjahre, denn eingeschworene Cliquen teilen die Macht unter sich auf, und Missgunst ist ein anderes Wort für Glück. Und besonders einer scheint es auf Erck abgesehen zu haben. Ercks Vater wurde zweimal verlassen: einmal von seiner Ehefrau. Und einmal von der DDR. Beides hat der Professor aus Leipzig nicht verwunden. Erck ist mit diesem Schmerz groß geworden, aber Aufgeben ist seine Sache nicht. Als er beim besten Verlag der Republik einen Buchvertrag unterschreibt, ist er fast am Ziel. Wäre da nur nicht dieser Hans Ulrich Barsilay mit seinem extravaganten Auftreten, seinen schönen Ex-Freundinnen, seiner perfekten Prosa und seiner Gewissenlosigkeit. Das Problem: Er ist beim selben Verlag. Und vieles deutet darauf hin, dass er versucht, Erck sein Thema zu stehlen. Höchste Zeit, ihm mit einer Intrige zuvorzukommen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.2021

Rezensent Edo Reents versucht, Maxim Billers neuen Roman zu lesen, ohne sich auf das Thema Judentum zu konzentrieren. Auch etwaige Schlüsselroman-Momente lässt er außen vor. Stattdessen schaut er auf die Konstruktion des Textes und das Exemplarische der Figuren. Dass Biller seinen Erzähler ambivalent gestaltet und ihn sich in seinem Widersacher, dem er im Verlauf der Handlung so einiges vorwirft, spiegeln lässt, gefällt Reents ebenso gut wie der generelle Anspielungsreichtum im Roman. Den Clou des Ganzen erblickt er in Billers Fähigkeit, die Kritik von seinem Personal weg und auf die Öffentlichkeit zu richten, dabei die Figuren und Ereignisse, wie sie im Text vorkommen, überhaupt zulässt. Erinnert Reents angenehm an Dostojewskis "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch".
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.09.2021

Rezensent Carsten Hueck bezeichnet Maxim Billers neuen Roman als lustvolle, satirische Unterhaltung. Bitterkeit ist für ihn auch dabei, wenn der Autor seinen "kurzzeitenthemmten" Protagonisten gegenüber einem jüdischen Großschriftsteller den Hitlergruß exerzieren lässt. Wie sich dieser Erck Dessauer dauernd über die Auseinandersetzung mit seinem jüdischen Widersacher definiert, schildert der Autor laut Hueck unterhaltsam und so, dass er dem Leser zugleich allerhand über die Beziehung deutscher Nichtjuden zu Juden verrät. Darüber hinaus taucht der Text ein in aktuelle Debatten um deutsche Geschichte, Identität und Ideologien als Egobooster, erklärt Hueck.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.09.2021

Rezensent Thomas Assheuer wundert sich, dass das Feuilleton Maxim Billers neuen Roman zwar fleißig lobt, sich aber nicht zu seinem Provokationsgehalt äußert. Dieser bestehe, so die Analyse des Kritikers, nicht in der "maximal invasiven Einfühlung" des Autors in seinen Protagonisten, der endlich den Durchbruch schafft mit einem Buch, das die Ideen des jüdischen Sowjetfunktionärs Naftali Frenkel zu Stalins Gulag als Vorbild für die Judenvernichtung enthüllt. Vielmehr bestehe die Provokation in der dadurch nahegelegten "Entsorgung" des Holocaust. Dass der Autor sich dieser "krassen" Suggestion aber durchaus bewusst sei und sie stellenweise auf einer Metaebene kommentiere, scheint der Rezensent zu schätzen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 04.09.2021

Tobias Lehmkuhl liest Maxim Billers Roman mit leidlicher Freude. So recht weiß er nicht, was er da eigentlich vor sich hat: Einen etwas wehmütigen Rückblick auf die Mediengesellschaft der Jahrtausendwende vielleicht? Oder eine Art Biller-Autobiografie, in der sich der Autor zu etwa gleichen Teilen auf seine beiden Protagonisten verteilt, einen jüdischen Romanschriftsteller und einen zum Nazigruß neigenden Enkel eines Wehrmachtssoldaten, die miteinander im Dauerclinch liegen. Naja, und dann geht es ja gar nicht nur um die Nazivergangenehit, sondern auch um die aller allerjüngste, so Lehmkuhl, um die herrliche Zeit, in der Zeitungen und ein gewisser Frank Schirrmacher noch eine Rolle spielten. Auch Lehmkuhl scheint sich gern daran zu erinnern.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.08.2021

Ingeborg Harms kann nur staunen über Maxim Billers Raffinement. Weder die beiden Kontrahenten im Roman (ein Ich-Erzähler mit lockerem rechten Arm und ein jüdischer Großschriftsteller), noch das Berliner Kulturmilieu, das der Autor so kenntnisreich zeichnet, erlauben es der Rezensentin, eindeutige Zuordnungen vorzunehmen, etwa nach Gut und Böse. Billers gut ausgebildeter Sinn für menschliche Widersprüche verhindert das, erklärt Harms. Entsprechend tun sich unter den Figuren Abgründe auf und die Leserinnensympathien wechseln die Seiten, staunt die Rezensentin. Für Harms eine kluge, glänzende, schillernde Milieustudie, die uns zurückführt ins Berlin des Jahres 2012.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.08.2021

Schön flau wird es Rezensent Paul Jandl mit Maxim Billers böser Novelle "Der falsche Gruß", die nur 120 Seiten braucht, um alles hineinzuschreiben, was der Berliner Literaturbetrieb an Scheinheiligkeit und Doppelmoral zu bieten habe: Einem Rostocker Schriftsteller hebt sich der rechte Arm etwas zu zackig, während sich sein jüdischer Kollege als heuchelndes Überopfer entlarvt, umreißt Jandl die Geschichte, die den Rezensenten aber auch mit Invektiven die falschen Töne des Prenzlauer Bergs, die Infantilisierung der Stadt und Geschichtsvergessenheit beeindruckt. Geradezu schwindeln macht den Rezensenten Billers "schnelldrehende Literatur": Am Ende, freut sich Jandl, fliegen alle aus der Kurve, nur die Metaphern nicht, die sitzen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.08.2021

Tobias Rüther bietet eine einfache Lesart des neuen, kurzen Romans von Maxim Biller an. Derzufolge schreibt Biller eine Art Schlüsselroman, in dem sich zwei Berliner Autoren bekriegen, ein erfolgreicher jüdischer und ein weniger erfolgreicher nicht-jüdischer mit einem Minderwertigkeitskomplex und einem Faible für Ernst Nolte. Dazu passen Klarnamen und Berliner Orte wie der Teutoburger Platz und das Café Einstein. Doch damit ist es laut Rüther nicht getan. Der Roman, meint er, bietet zwar allerhand Verweise auf aktuelle geschichtspolitische Debatten über den Holocaust, die Schuld und die "Faszination fürs Totalitäre", aber er entzieht sich zugleich immer wieder aller Eindeutigkeit. Dass hinter dem jüdischen Intellektuellen im Buch ein Maxim Biller steckt, vermag Rüther zum Beispiel nicht zu behaupten. Nein, schließt er, der Roman kann entschieden mehr: Er hebt ab auf die tödlichen Ideologien des 20. Jahrhunderts und die Unsitte, aus ihnen immer wieder karrieristisch Kapital zu schlagen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.08.2021

Eins ist schon mal gut: Man muss "ziemlich oft lachen" in diesem Roman. Auch sonst ist Rezensent Nils Minkmar eigentlich sehr positiv in seiner Kritik, erzählt aber so viel nach, dass er kaum zum Benennen der Qualitäten kommt. Man versteht, dass Biller sich in der Figur des Hans Ulrich Barsilay selbst reflektiert und dass er im Protagonisten Erck Dessauer den üblichen zu kurz Gekommenen des deutschen Literatur- und Kulturbetriebs porträtiert, der ab und zu auch antisemitische Anwandlungen hat. Minkmar schildert den Roman dann vor allem als ein Zeitbild, in dem der jetzige Zustand von Berlin-Mitte und der Zustand unserer ramponierten Öffentlichkeit virtuos widergespiegelt sind. Sogar doch schon recht Verflossene wie Frank Schirrmacher und all seine Walser- und Grass-Debatten bekommen noch eine liebevoll parodistische Behandlung. Nein, Minkmar ist von diesem Roman doch recht angetan.
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