Michel Houellebecq

Die Möglichkeit einer Insel

Roman
Cover: Die Möglichkeit einer Insel
DuMont Verlag, Köln 2005
ISBN 9783832179281
Gebunden, 443 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Uli Wittmann. Der Mensch ist verschwunden. Und mit ihm der Kult um Sex und Fun und ewige Jugend. Geblieben ist nichts als Ekel, Einsamkeit und Langeweile. Der Mensch ist für das Glück und dessen Voraussetzung, die bedingungslose Liebe, nicht geschaffen. Angesichts der unerträglich schmerzvollen Erfahrung des Alters nimmt der Mensch freiwillig Abschied von sich. Und nach der Klimakatastrophe bleiben vom Menschengeschlecht nur archaisch lebende Wilde zurück. Nur der Neo-Mensch hat überlebt - geklont und unsterblich. Aber alle menschlichen Regungen wie Lachen und Weinen, Güte, Mitleid und Treue sind ihm zu unergründlichen Geheimnissen geworden. Daniel24 ist ein Neo-Mensch der vierundzwanzigsten Generation, der auf seinen genetischen Prototyp Daniel1 und dessen Lebensbericht zurückblickt. Dieser Daniel1 war ein Mensch unserer Gegenwart: Als Komiker auf der Bühne, in Film und Fernsehshows trat er als zynisch-scharfer Beobachter einer Gesellschaft auf, die längst alle Tabus gebrochen hatte. Aber sein Leben mit Isabelle, umgeben von Glamour und Geld, vermochte das Altern nicht aufzuheben. Der Bericht aus der Zeit seines Prototyps ermöglicht es Daniel24, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Zeiten, seiner, die in der Zukunft liegt, und unserer selbstzerstörerischen Gegenwartsgesellschaft zu begreifen. Für die war vor allem "der moralische Schmerz des Alterns" unerträglich geworden. Ist der Gesellschaftsentwurf dieses Neo-Menschen der alten Gattung wirklich überlegen? Schließlich macht sich Marie23, angestoßen durch die Berichte von Marie1, auf den Weg, um auf einer Insel eine neue Gesellschaftsform zu suchen, wo sich jenseits von altem Menschsein und Neo-Menschsein die Individuen in Liebe, Fürsorge und Geborgenheit begegnen. Wohin führt ihre verheißungsvolle Suche?

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.09.2005

Iris Radisch rechnet mit Michel Houellebecqs bislang neuestem Roman "Die Möglichkeit einer Insel" nach allen Regeln der Kunst ab. Seinen "Faust" habe der Franzose vorlegen wollen, stellt die Rezensentin fest, die Summe, die Apotheose seines Oeuvres - aber ein auf 443 Seiten aufgepumptes Groschenheft ist dabei herausgekommen. Jene radikal-scharfe Kapitalismus- und/oder Zivilisationskritik, die bislang das Entzücken der Kritiker hervorgerufen hat, überzeugt Radisch nun überhaupt nicht mehr - was da unterm Strich herauskommt: dass nämlich der Mensch letztlich nur seinem Hund vertrauen kann, das habe ihr "Onkel Erwin" auch schon immer gesagt, teilt sie mit. Aus Houellebecqs "phallokratischem und biologistischem Fundamentalismus" ist die Luft raus, so die Ansicht Radischs; nichts mehr von "Ambivalenz", nichts mehr von Faszination. Mit leichtem, resigniertem Ekel verfolgt die Rezensentin, wie Houellebecq nach Mitleid heischt "für seinen Helden" und "dessen pornografisch inspiriertes Weltbild". Umsonst. Es bleibt alles beim Alten, und diesmal ist das schlecht. Den Stil Houellebecqs habe sie ohnehin immer für "abwaschbar" gehalten, stellt Radisch noch fest; sicherlich keine Auszeichnung. Die Rezensentin lässt dann noch durchblicken, dass der Autor sich mit seinem forcierten, ebensowohl geschäftstüchtigen wie jungenhaften Negativismus gewisse Glücksmöglichkeiten ja selbst verbaue, nämlich literarische Glücksmöglichkeiten - Möglichkeiten des Gelingens.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.08.2005

Michel Houellebecq denkt sich die Zukunft in seinem neuen Roman als geklont - und wie nicht anders zu erwarten ist ihm das alles andere als Anlass zu strahlendem Optimismus. Der Held heißt Daniel, beziehungsweise Daniel 1 bis 25, denn der Autor denkt und fantasiert da fünfundzwanzig Klon-Generationen voraus. Aus der fernen Zukunft wird sich dann an Daniel 1 zurückerinnert. Dieser ist schon schwer demoliert von seiner, also unserer Gegenwart und also ein typischer Houellebecq-Held. Die Lust am Sex hat er weitgehend verloren, vor dem "Kreatürlichen" insgesamt ekelt es ihn und, schlimmer noch, er wird alt. Er ist, wie seine Klone, "zynisch-abgehalftert", natürlich "misogyn" und liebt bestenfalls noch seinen Hund mit Namen Fox (auch der wird durchgeklont bis ans Ende). Der Rezensent Thomas Laux resümiert all das und hat auch die Botschaft schnell begriffen: "Der Mensch kann sein Glück nicht finden." Laux aber ist ziemlich begeistert, findet das Buch einigermaßen "komplex" und dann sind ihm auch noch "Momente purer Poesie" begegnet.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.08.2005

Nichts Neues von Houellebecq, jedenfalls im Grundsatz nicht, so lässt sich Gerrit Bartels' Rezension des neuen Romans zusammenfassen. Also mäandert sie ein wenig, entfernt sich ein gutes Stück vom Werk selbst in Richtung Rezeption (böse Verrisse in Frankreich) und Person des Autors (er sagt, sagt eine neue Biografie, nicht immer die Wahrheit!) aber dann kommt Bartels doch wieder zurück auf das Buch. Daniel 1, der Prototyp der 25 Klongenerationen, von denen dann auch erzählt wird, ist mal wieder eine "zynische, geld- und sexgierige Drecksau", hier also das Übliche. Um die Unmöglichkeit des Glücks geht es, "formal und stilistisch" wie gehabt eher schlicht. Spaß macht es dem wackeren Rezensenten zum Teil dann trotzdem. Es gibt nämlich eine Reihe von "naturalistisch-sexistisch-abenteuerlichen Szenarien", an denen er seine Freude hatte. Bedauerlich findet er dagegen die "pure Resignation", auf die alles hinausläuft. Da war Houellebecq, bedauert Bartels, schon mal radikaler.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.08.2005

Schon die Maschinerie, mit der Michel Houellebecqs neuer Roman vermarktet wurde, findet Martina Meister reichlich überzogen und so spottet sie über den "Gott des kitsch depressiv" der mit seinem jüngsten Roman doch nur einen "erneuten Aufguss" seiner altbewährten Themen bietet. Der Roman dreht sich um den französischen Komiker Daniel, der in Spanien auf die Suche nach Liebe und Sex geht, fasst die Rezensentin zusammen. Gleichzeitig verfasst er einen Lebensbericht für aus seinem Erbgut produzierte Klone, die sich Jahre später wiederum zur Suche nach Nähe und Zuneigung aufmachen, so Meister weiter. Houellebecq hat dieses Buch als sein "wichtigstes" beschrieben, die Rezensentin aber hält es für sein "schwächstes" und beklagt, dass es nicht aus Leidensdruck, sondern unter dem Druck eines Verlagsvorschusses geschrieben zu sein scheint. Sie hat den Eindruck, Houellebecq gehe es lediglich um Tabubruch und "Provokationen", die aber, wie sie kritisiert, "seltsam echolos" bleiben. Hier wird der Autor zur "Plaudertasche", der mit "akribischen Schilderungen von Penetration, von Fellatio" und so weiter anödet und zudem das "Versprechen der literarischen Utopie", wie sie der Titel andeutet, "verspielt", so Meister unwillig. Sie kann diesem "Pseudo-Porno" absolut nichts abgewinnen und urteilt ärgerlich, dass es sich dabei um die "Wiederkehr des ewig Gleichen" handele, allerdings ohne dass den Lesern dabei wie in den ersten Romanen des französischen Autors ein "Spiegel" vorgehalten würde. So ist dieser Roman nichts als "laue literarische Spinnerei" urteilt Meister vernichtend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.08.2005

Die Luft ist raus, lautet Thomas Steinfelds Diagnose. Zwar kehre auch im vierten Roman Michel Houellebecqs alles wieder, was man von ihm kenne, doch die "verzweifelte Wut" sei einem larmoyanten Lamento gewichen. Im Wesentlichen sei der Roman die Rollenprosa eines Komödianten, der Menschen mit ihren eigenen Ressentiments zum Lachen bringt. Bei der Darstellung dieser Mechanismen und der Arbeit des Ich-Erzählers Daniel sei Houellebecs Roman "hart und böse, und von großer Genauigkeit". Das Problem, so der Rezensent, beginne erst mit der allzu großen "Konzentration" auf das Schicksal des Helden. Hinter dessen zunehmend erotischer Impotenz lauere die literarische. Wo der Rezensent bei den ersten Büchern "Aufbegehren" sah, sei mit dem Selbstmord und für die Zukunft geklonten Daniel nur noch "Science-Fiction" als ultimative Drohung getreten.
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