Mustafa Khalifa

Das Schneckenhaus

Tagebuch eines Voyeurs
Cover: Das Schneckenhaus
Weidle Verlag, Bonn 2019
ISBN 9783938803929
Gebunden, 312 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Aus dem Arabischen von Larissa Bender. Jemand musste ihn verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Abends verhaftet. Der junge syrische Absolvent der Pariser Filmhochschule kommt nach sechs Jahren in Frankreich am Flughafen von Damaskus an und wird bei der Einreise festgenommen und in eine Abteilung des Geheimdiensts gebracht, wo er sofort gefoltert wird. Das geschieht Anfang der 1980er Jahre und sollte die erste Station einer dreizehnjährigen Reise durch die Hölle werden. Man wirft dem jungen Mann vor, der verbotenen Muslimbrüderschaft anzugehören, obwohl er getaufter Christ ist und Atheist dazu . Es gibt weder eine Anklage noch eine Gerichtsverhandlung. In dem schlimmsten aller Gefängnisse, dem Wüstengefängnis bei der Oasenstadt Palmyra (arabisch Tadmur), gerät er zwischen die Fronten der dort inhaftierten Muslimbrüder, die ihn als Ungläubigen töten wollen, und den Wärtern, die ihn schlagen und foltern. Er überlebt, indem er sich in sich selbst wie in ein Schneckenhaus zurückzieht und durch ein Loch in der Wand die Vorgänge im Gefängnishof beobachtet. Er führt ein Gedankentagebuch, das er nach seiner Freilassung zu Papier bringt, um den Terror zu dokumentieren und die Erinnerung an die Gefangenen und Ermordeten wachzuhalten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.2019

Lena Bopp scheint berührt von Mustafa Khalifas Roman über einen Insassen des Wüstengefängnisses im syrischen Tadmor. Dass der Autor eigene Erfahrungen verarbeitet, wenn er über Folter, Erniedrigung, die Qual der Einzelhaft, aber auch über Freundschaft und Solidarität schreibt, steht für sie außer Frage. Wie die Aufmerksamkeit der Figur im Text wandert, von den quälenden Demütigungen zur nicht minder quälenden Selbstbeobachtung, findet Bopp aufschlussreich. Für die Rezensentin ein ergreifendes Stück Traumabewältigung und eine mahnende Erinnerung an die Untaten des Assad-Regimes.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 20.05.2019

Ergriffen und erschüttert zeigt sich Carsten Hueck von Mustafa Khalifas Roman "Das Schneckenhaus". Der syrische Jurist und Autor schildert darin die Leidensgeschichte eines jungen syrischen Filmemachers, dem, aus Paris in die Heimat zurückgekehrt, eine bei einer Studentenparty geäußerte abfällige Bemerkung über den syrischen Diktator Assad zum Verhängnis wird, fasst Hueck zusammen. Es folgen zwölf Jahre Haft unter unvorstellbaren Bedingungen, wobei die schlichte Sprache die "Exzesse der Rohheit und extremen Dehumanisierung" erst recht monströs erscheinen lässt, wie der Rezensent feststellt. Auch wenn der Text nicht autobiografisch ist, kann der Autor darin doch auf eigene Hafterfahrungen zurückgreifen, weiß Hueck, der Khalifa hoch anrechnet, dass seine protokollartige Schilderung bis zuletzt frei von Ideologie bleibt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.05.2019

Angela Schader ist verblüfft über den Realismus von Mustafa Khalifas Roman. Als Autobiografie liest sie ihn dennoch nicht, klärt sie das Nachwort der Übersetzerin Larissa Bender doch über die Zusammenhänge von Eigen- und Fremderfahrung im Text auf. Als Theater des Grauens, das der Autor entfaltet, ist die Lektüre für Schader mitunter kaum zu ertragen. Die Leiden der Isolationshaft eines dem Vorwurf der Mitgliedschaft bei den Muslimbrüdern ausgesetzten Atheisten in Asads Wüstenkerker Tadmor gehen Schader nahe, ebenso die Glaubensstärke seiner Mitgefangenen, Hoffnungsschimmer in einem schwer erträglichen, unbedingt lesenswerten Zeugenbericht, meint sie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.04.2019

Für Martin Oehlen ist Mustafa Khalifas Roman ein verstörendes Zeitdokument. Der Bericht aus einem syrischen Foltergefängnis geht ihm derart unter die Haut, dass er meint, den Schrecken der Diktatur zu spüren. Kraftvoll wie lehrreich erscheint ihm, was der Autor in einer Mischung aus eigenen Erfahrungen (Kahlifa saß selbst unter Assad im Gefängnis) und anderen Erzählungen aufschreibt. Die Geschichte eines aus dem Exil nach Syrien zurückkehrenden Regisseurs, der im Wüstenknast Tadmor landet, erzählt der Autor schonungslos und mit Empathie, so Oehlen.