Raphael Gross

Carl Schmitt und die Juden

Eine deutsche Rechtslehre
Cover: Carl Schmitt und die Juden
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783518582855
Gebunden, 442 Seiten, 27,61 EUR

Klappentext

Carl Schmitt, einer der einflussreichsten deutschen Staatstheoretiker des 20. Jahrhunderts, war von der "Judenfrage" besessen. Seiner Aura hat dies keineswegs geschadet. Raphael Gross untersucht den historischen Kontext, in dem Carl Schmitts ständige Auseinandersetzung mit Juden und dem "Jüdischen" stand und wie diese Auseinandersetzung sich in seinen wichtigsten Begriffspaaren niederschlug: Freund und Feind, Nomos und Gesetz, Katechon und Antichrist.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.02.2001

Die Opportunismusthese in Bezug auf Carl Schmitt und den Nationalsozialismus lässt sich nicht halten, meint Ulrike Hermann nach Lektüre dieses Buches. Der Autor lege eindeutig und überzeugend dar, dass Schmitt Antisemit war. Allerdings geht er Hermann zufolge dabei nicht systematisch, sondern begriffsgeschichtlich vor und beruft sich bei dieser Vorgehensweise sogar auf Schmitt selber. Genau das machte im übrigen Schmitts Attraktivität aus, wie Hermann feststellte: nämlich seine Fähigkeit zur Bildung polarisierender Begriffe wie Freund-Feind usw., die sich mühelos dem nationalsozialistischen Vokabular anverwandeln ließen. Die Rezensentin nennt Gross` Analyse zwar einen wichtigen und unverzichtbaren Schritt in der Auseinandersetzung mit dem Staatsrechtler, meint aber, dass der Autor seinen Gegenstand "zu ernst genommen" habe. Wenn nun auch klar sei, dass Schmitt Antisemit war, bedeute das noch nicht, dass seine Schriften auch "im Kern" antisemitisch waren, schreibt Herrmann, zumal sich Interpreten immer auch "andere Deutungsmöglichkeiten" anböten als dem Autor.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.10.2000

Nach Jürgen Zarusky erbringt Gross eine überzeugende Beweisführung dafür, dass Carl Schmitts Paktieren mit dem 3. Reich mehr war "als eine opportunistische Maske", die er an- und danach ebenso einfach wieder abgelegt hat. Gross weise nach, dass der Antisemitismus im Denken Schmitts von vornherein eine Rolle gespielt habe. Schmitts Verständnis vom Staatsrecht sei stets antiuniversalistisch ausgerichtet gewesen, führt Zarusky weiter aus; universelle Gesetze, auf die sich beispielsweise das Judentum berief, als Volk ohne Land, hätte Schmitt abgelehnt. "Mit beeindruckender Gelehrsamkeit", so Zarusky, habe Gross in seiner Dissertation auch nach den intellektuellen Ahnen und der Motivgeschichte im Denken Schmitts gefahndet: so verweise der Autor auf eine geistige Verwandtschaft Schmitts mit Charles Maurras und dessen präfaschistischen, katholischen Atheismus. Schmitts antisemitische Einstellung kann der Autor, sagt Zarusky, durchgängig nachweisen; was er wo äußerte, darin habe sich Schmitt allerdings den Zeitumständen angepasst. Einem privaten Glossarium vertraute er nach 1945 die Mitteilung an, er selbst sei "Opfer von Nazis und Juden gewesen".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.09.2000

Herfried Münklers Urteil über das Buch ist zwiespältig. Einerseits lobt er es ausdrücklich für seine überzeugend vorgetragene These, dass Schmitts Werk vor der Folie seines Antisemitismus zu verstehen sei. Gross arbeite Schmitts "reflektierten rassistischen" Judenhass genau heraus untersuche "eindrucksvoll" dessen Auswirkungen auf das Denken des Staatsrechtlers. Auf der anderen Seite findet der Rezensent es "erheblich überzogen", diese Erkenntnis als Leitfaden zum Gesamtwerk Schmitts zu machen. Zwar beleuchte der Autor mit seinem Buch wichtige Aspekte, doch als Schlüssel zum Schmittschen Denken greife es zu kurz, moniert der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.08.2000

Sehr beeindruckt äußert sich H. D. Kittsteiner in einer ausführlichen Rezension über die Beweisführung Raphael Gross? in seiner hier vorliegenden Dissertation. Glaubt man Kittsteiner, gibt es nach diesem Buch nichts mehr zu deuteln: "Carl Schmitt war Antisemit von seinen frühesten Schriften an, und er ist es bis zum Schluss geblieben." Kittsteiner legt dar, dass es Gross dabei nicht nur um den detektivischen Nachweis dieses Antisemitismus bei der Person Carl Schmitt ging. Am faszinierendsten findet er vielmehr, wie Gross das Motiv des Antisemitismus in den Schriften Schmitts herausspürt und dabei zu der These kommt, dass diese Judenfeindlichkeit das geheime Zentrum, das "Arcanum", des esoterischen Werks von Schmitt darstellt. Nebenbei würdigt Kittsteiner Gross? Argumentation, dass der katholische und der rassistische Antisemitismus nicht so weit voneinander entfernt seien, wie man gemeinhin annimmt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.07.2000

Raphael Gross habe es sich, befindet Rezensent Thomas Wirtz, mit seinem Gegenstand leicht gemacht, allzu leicht. Die Reduktion aller Thesen und Theoreme Carl Schmitts, zuletzt noch seines Katholizismus, auf seinen vermeintlichen Antisemitismus werde dessen Werk keinesfalls gerecht. Statt Herausarbeitung des "diagnostischen Potentials" von Schmitts Werk wolle Gross eher ein "Leseverbot" verhängen. Darüber hinaus fänden sich in der Untersuchung alle Untugenden einer Dissertation, insbesondere die "apodiktischer Kraftmeierei", die sich auf die Ebene genauerer Differenzierung, zum Beispiel durch Bezug auf Historisches, gar nicht erst herabbegebe. Zudem vermisst Wirtz ein wirkliches Interesse des Autors an Schmitt und kritisiert den herablassenden und ignoranten Umgang mit der umfangreichen und bedeutenden Schmitt-Literatur der letzten Jahre.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.06.2000

Uwe Pralle hält es für folgerichtig, dass jetzt eine Untersuchung zu Carl Schmitts Antisemitismus erscheint, weil auch die Tagebuchnotizen, die vor antisemitische Äußerungen strotzten, jetzt zugänglich gemacht worden seien. Darum begrüßt er das Buch, auch wenn er manches "hermeneutisch sicher nicht allzu befriedigend" findet. Als schwierig erachtet es der Rezensent zum Beispiel, dass der Autor von Schmitts offensichtlich antisemitischen Ausfällen nach 1933 auf versteckten Antisemitismus in den früheren Schriften zu kommen versucht. Außerdem vermisst er in dem "begriffs- und theoriengeschichtlichen" Blickwinkel der Studie eine Antwort auf die Frage, "auf welchem Humus diese Paranoia nicht nur bei Schmitt" sich entfalten konnte. Dennoch beurteilt der Rezensent das Buch als "wichtigen Beitrag", der helfe, die nebulöse Gestalt Schmitts, der weitreichenden Einfluss auch nach dem Zweiten Weltkrieg hatte, besser zu fassen.